Es muss nicht immer Weißbier sein: Waldemar Hartmann trinkt auch gern mal ein Wasser. Foto: Andreas Neustadt

Leipzig. Waldemar Hartmann wirkt aufgeräumt und entspannt. Man sieht dem 72-Jährigen deutlich an, dass er sich in Leipzig pudelwohl fühlt. Hier, im Zentrum der Stadt, hat er vor etwa einem Jahr gemeinsam mit seiner Frau Petra ein neues Zuhause gefunden, nachdem es dem Ehepaar in Berlin „zu chaotisch und zu hektisch“ geworden war.

„Vier Jahre Berlin waren genug. Im Frühjahr 2019 hatte uns RB-Boss Oliver Mintzlaff zu einem Spiel nach Leipzig eingeladen. Da waren wir schon auf der Suche nach einer anderen Wohnung in Berlin. Bei einem Spaziergang im Zentrum stellte meine Frau fest, dass man ja auch in Leipzig mal suchen könnte. Im August sind wir dann hergezogen“, erinnert sich der langjährige Sportreporter und Fernsehmoderator und schwärmt von seiner Wahlheimat: „Wir sind hier einfach wunschlos glücklich. Ich selbst war ja vorher schon oft in Leipzig und durfte die vielen Vorzüge dieser wunderbaren Stadt erleben.“ Von 2010 bis 2012 moderierte Waldemar Hartmann unter anderem den beliebten Fußball-Stammtisch „Waldis Club“ im Bayerischen Bahnhof. Damals erlebte er in der Messestadt die Gründungszeit von RB Leipzig live mit. „Waldi“, wie Waldemar Hartmann seit vielen Jahren liebevoll gerufen wird, hat viel zu erzählen. Kein Wunder: Schließlich war er fast 40 Jahre lang als Sportjournalist tätig, erst für die Augsburger Allgemeine, seit Mitte der 70er beim Bayerischen Rundfunk und für die ARD. Für die Antwort auf die Frage, was er nach seiner aktiven Zeit nun mache, braucht er nur ganze vier Worte: „Ich lebe und genieße“, sagt er mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck. Doch einfach nur die Füße hochlegen und sich die Leipziger Sonne auf den Bauch scheinen lassen, ist nichts für den politisch engagierten Wahlleipziger. Vor einigen Wochen ist er der Mittelstandsunion der CDU beigetreten. Im vergangenen Jahr war er im Wahlkampfteam des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer – und das aus gutem Grund. „Als ich im April 2019 in den Wahlkampf einstieg lag die AfD vor der CDU. Ich wollte einfach mithelfen, einen Wahlsieg der AfD zu verhindern. Das war mein Hauptmotiv“, erinnert er sich. Am Ende hatte sein Engagement Erfolg, die CDU hatte bei der Wahl im September die Nase vorn und Michael Kretschmer blieb Ministerpräsident. Bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr will er sich wieder für die CDU engagieren und dabei seine „Spezln in der Union“ unterstützen. Mit Markus Söder ist er seit der gemeinsamen Zeit beim Bayerischen Rundfunk Anfang der 90er-Jahre befreundet.

Jahrzehntelang war Waldemar Hartmann in der Welt des großen Sports zu Hause. Bei den Fußball-Weltmeisterschaften 1990 in Italien stand er als Moderator zum ersten Mal in der ersten Reihe der ARD. Es folgten Moderationen bei elf Olympischen Spielen, zehn Fußball- WM und -EM und Dutzende von Weltmeisterschaften im Alpinen und Nordischen Skisport. Zwölf Jahre lang moderierte er Boxen in der ARD. Bei Olympia in Turin und Peking sorgte er bei „Waldi und Harry“ mit Harald Schmidt zusammen für Traumquoten. „Es war einfach eine supergeile Zeit. Ich bin unglaublich dankbar, dass ich das alles erleben durfte.“

Unzählige kleine und große Geschichten sind dem Vollblut-Journalisten nach wie vor präsent. Wie diese: „Bei der WM in Italien war ich mit Kalle Rummenigge unterwegs. Der war unser ARD-Experte. Den haben die Italiener damals vergöttert, weil er einige Jahre bei Inter Mailand gespielt hat. Da sind wir überall reingekommen, unter anderem auch in einen Nachtclub in Rom. Da habe ich mit dem großen Pelé Lambada getanzt. Das war großartig.“ Ebenso gern erinnert sich „Waldi“ auch an ein Erlebnis in der italienischen Wintersport-Hochburg Bormio: „Da war ich mit Markus Wasmeier, Frank Wörndl und Christian Neureu-ther auf einer Hütte und wir haben kräftig gefeiert. Um Mitternacht sind wir dann angetrunken bei Vollmond die WM-Abfahrtsstrecke von Bormio runtergefahren – und das tatsächlich unfallfrei. Das war der absolute Wahnsinn.“ Außerdem stand er insgesamt 21-mal als Reporter mit dem Team des FC Bayern auf dem Münchener Rathaus-Balkon, um einen Titel zu feiern.

Und da ist natürlich die Geschichte vom 6. September 2003, die nicht nur zu den absoluten Sternstunden der Fußball-Berichterstattung gehört, sondern Waldemar Hartmann selbst auf einen Schlag auch bei Nicht-Sport-Fans berühmt machte. Nach einem lahmen 0:0 in Island kam der damalige Bundestrainer Rudi Völler wie verabredet zum Interview zu Waldemar Hartmann ins ARD-Studio, war wegen der anhaltenden Kritik an der Spielweise seiner Mannschaft mächtig geladen. Deshalb begann er das Interview mit einem Monolog, in dem er richtig Dampf abließ. Als Waldemar Hartmann erklärte, er verstehe nicht ganz, weshalb Völler diese Schärfe ins Gespräch bringe, fiel der Spruch, der seit Jahren in keinem Fußball-Rückblick fehlen darf: „Die Schärfe bringt ihr doch rein. Müssen wir uns denn alles gefallen lassen? Du sitzt hier locker, bequem auf deinem Stuhl, hast drei Weizenbier getrunken.“ Damit hatte der Moderator den Beinamen „Weißbier-Waldi“ weg, obwohl er eigentlich gar kein Weizenbier-Freund war. Mit diesem Interview erlangte Waldemar Hartmann endgültig Kult-Status.

„Rudi war in diesem Moment vor allem auf die beiden Kommentatoren Gerhard Delling und Günther Netzer sauer. Ich war in diesem Fall einfach nur der Blitzableiter. Ich bin glücklicherweise ruhig geblieben. In einer solchen Havarie-Situation zeigt sich dann, ob du deinen Job auch unter Stress ausüben kannst“, erinnert sich Waldemar Hartmann und gibt zu: „Dafür bin ich vom lieben Gott richtig belohnt worden. Ich dachte mir damals, wenn schon Weißbier-Waldi, dann muss sich das auch lohnen. Das Ergebnis: Ein gut dotierter Weißbierbotschafter-Vertrag mit der Paulaner Brauerei, was natürlich auch nicht allen Kollegen bei der ARD gefallen hat.“ Mit Rudi Völler sei er übrigens weiterhin richtig gut befreundet. Erst Anfang März, als Bayer Leverkusen im letzten Bundesliga-Heimspiel vor der Corona-Pause zu Gast in Leipzig war, lud ihn Rudi am Vorabend zum Essen ein. Der Abend endete spät an der Hotelbar. Natürlich war dabei auch das legendäre Interview, das inzwischen fast 17 Jahre her ist, ein Thema.

Überhaupt ist er noch heute mit zahlreichen Sportlerinnen und Sportlern, die er damals interviewte, befreundet – aus den verschiedensten Sportarten. Schon in seiner Zeit als Moderator und Kommentator hatte „Waldi“ immer ein gutes Verhältnis zu den Aktiven – auch wenn das natürlich nicht jedem passte, wie er betont. Er plauderte oft locker mit seinen Interviewgästen. „Mir war wichtig, dass sich meine Gäste wohlfühlten. Sie waren ja nicht zu einem Verhör gekommen, sondern zu einem Gespräch. Also schuf ich in meinen Interviews eine Wohlfühl-Atmosphäre, ohne aber – wie mir oftmals vorgeworfen wurde – wenn nötig, kritische Fragen auszusparen.“ Seine beste Lehre sei die Zeit als Wirt gewesen, da sei er Gastgeber, Beichtvater, Seelsorger und vieles mehr gewesen. Da lernte er, mit Menschen in allen Lagen umzugehen. „Heute ist die Gangart auch im Journalismus deutlich härter als früher. Wir leben in einer Zeit, in der die Sprache verroht“, erklärt er und zeigt deutlich, dass er froh ist, seine Journalistenkarriere beendet zu haben: „Als ich als Journalist angefangen habe, hatte der Beruf noch ein echtes Ansehen. Der erste große Schnitt kam, als Privatradios und -fernsehen erlaubt waren. Da durfte sich plötzlich jeder, der ein Mikrofon halten konnte, Journalist nennen. Der zweite Schnitt war die Verbreitung des Internets. Es ist Wahnsinn, wie man Menschen durch einen einzigen Klick kaputt machen kann, und das ganz anonym. Da muss in der Rechtsprechung eine ganz andere Sichtweise kommen. Hasstiraden in den aus meiner Sicht größtenteils asozialen Netzwerken müssen bestraft werden.“

Einmal Journalist zu werden, war schon seit der Jugend sein Herzenswunsch – auch als er als 18-Jähriger in Augsburg als DJ arbeitete. „Als DJ bekam ich natürlich auch mit, was in dem Club abseits der Musik so abging. Deshalb durfte ich nebenbei eine Klatschkolumne für eine Wochenzeitung schreiben und auch noch die Fotos machen“, erinnert sich der gebürtige Nürnberger schmunzelnd an seine „erste journalistische Tat“. Doch bevor sich „Waldi“ endgültig seinen großen Journalisten-Traum erfüllte, betrieb er bereits in jungen Jahren gleich zwei Kneipen in Augsburg. Nebenbei absolvierte er ein Volontariat bei der Schwäbischen Neuen Presse. Parallel schrieb Waldemar Hartmann Mitte der 1970er-Jahre als freier Mitarbeiter Sportberichte für die Augsburger Allgemeine – allerdings unter einem Pseudonym. Und das aus gutem Grund, wie er sich erinnert. „Durch meine beiden Kneipen war ich damals in ganz Augsburg als bunter Hund bekannt. Da konnte ich nach Ansicht des Chefredakteurs natürlich nicht unter meinem Namen für die seriöse Augsburger Allgemeine schreiben.“

Bei der Frage, wie er es denn mit dem aktiven Sporttreiben hält, muss Waldemar Hartmann schmunzeln, bevor er mit einem verschmitzten Lächeln selbstkritisch zusammenfasst: „Ich habe selten etwas mit so viel Herz und so wenig Talent gespielt wie Fußball. Dasselbe gilt fürs Skifahren.“ Im zarten Alter von zehn Jahren entschied er sich dennoch für den Fußball. Seinen ersten Spielerpass beim TB 1888 Johannis Nürnberg bekam er vor einigen Jahren zugeschickt. In der Jugend spielte der gebürtige Nürnberger einige Jahre Handball beim 1. FC Nürnberg. Später wurde das aktive Sporttreiben für Waldemar Hartmann eher zur Nebensache – unter anderem beim legendären FC Schmiere, in der Kabarettisten der Lach- und Schießgesellschaft gemeinsam mit prominenten Gästen kickten. Hier stand er unter anderem gemeinsam mit Uli Hoeneß, Franz „Bulle“ Roth oder Klaus Augenthaler auf dem Platz. „Es war für mich eine unfassbare Ehre, in diesem Team mitspielen zu dürfen. Das hat immer viel Spaß gemacht – auf und neben dem Platz.“ Andreas Neustadt

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