Porträt von Traudel Thalheim im Café Satz in Leipzig. Foto: André Kempner
Porträt von Traudel Thalheim im Café Satz in Leipzig. Foto: André Kempner

Ein hölzerner Küchentisch, zwei Tassen Kaffee, eine lockere Atmosphäre: So begrüßt Journalistin Traudel Thalheim gewöhnlich ihre Gesprächspartner. Die Leipzigerin berichtet seit vielen Jahren von ihrer Stadt und von ihren Bewohnerinnen und Bewohnern, auch für den SachsenSonntag. Ihr besonderes Faible gilt der Menschenseite, jener Rubrik, in der das Stadtgeschehen in den Blick genommen wird. Außerdem hat Traudel Thalheim bereits zahlreiche „Sonntagsfrühstücke“ verfasst: Das sind große Beiträge, in denen Woche für Woche interessante Menschen aus Leipzig vorgestellt werden. Viele saßen vorher am Küchentisch der Journalistin.

Neue interessante Menschen treffen

Auf einen Kaffee mit Karsten Pietsch bei Traudel Thalheim in Leipzig. Foto: André Kempner
Auf einen Kaffee mit Karsten Pietsch bei Traudel Thalheim in Leipzig.
Foto: André Kempner

Die Gesprächspartner gehen Traudel Thalheim nicht aus: Sie ist bestens vernetzt in der Stadt, lernt immer wieder neue interessante Menschen kennen, mit denen sie reden will. Wie bekannt diese sind, das spiele eine untergeordnete Rolle. Zwar saßen schon Schlagerstar Achim Mentzel oder Schauspieler Fred „Axel“ Delmare in ihrer Küche. Wichtiger ist ihr bei der Auswahl der Interviewten aber, ob der- oder diejenige etwas für die Gesellschaft leistet, sich zum Beispiel in einem Verein engagiert. „Er sollte etwas machen, an dem sich andere ein Beispiel nehmen können”, sagt sie.

Kürzlich interviewte Thalheim den Arzt Dr. Jürgen Ulrich, der im vietnamesischen Ho-Chi-Minh-Stadt ein modernes medizinisches Zentrum für die breite Bevölkerung aufbaute. Sein Engagement beeindruckt die Journalistin sehr. „Es ist immer wieder spannend zu sehen, was manche Leute so fertigbringen.” Ihr zweiter Grundsatz lautet: „Ich schreibe nur über Dinge, von denen ich überzeugt bin.” Fällt ein Gesprächspartner – auch ein prominenter – als besonders arrogant auf, lässt Thalheim den Stift schnell mal fallen. „Über solche Leute schreibe ich nicht”, sagt sie klipp und klar.

„ICH SCHREIBE NUR ÜBER DINGE, VON DENEN ICH ÜBERZEUGT BIN.”

Doch viele ihrer Interviews sind ihr positiv in Erinnerung geblieben – zuletzt zum Beispiel das Gespräch mit Sänger Hans-Jürgen Beyer, dem DDR-Schlagerstar, das mit der Leipziger Orang-Utan-Forscherin Julia Cissewski oder das Treffen mit den Mitgliedern eines Leipziger Schwulenchors. Besonders beeindruckt hat sie kürzlich das Engagement einer Leipzigerin, die Teddybären strickt und den Erlös dem Kinderhospiz Bärenherz spendet. Auch daraus wurde ein „Frühstück“.

Durch ihre Arbeit lernte die Journalistin im Verlauf der Jahre auch diverse bekannte Leute kennen. So berichtet sie, dass der erste Promi, mit dem sie ein Interview führte, kein anderer als der Dichter Bertolt Brecht war. „Von dem Sänger Costa Cordalis erhielt ich nach einigen Interviews per Post eine Kassette mit einem lieben Gruß und einem eigens von ihm komponierten und getexteten Geburtstagslied für mich. Er gehörte alljährlich zu meinen Gratulanten“, plaudert sie aus dem Nähkästchen. Von Schauspieler Maximilian Schell erhielt sie nach dem Interview sogar mal eine rote Rose.

Viel Privates wird am Küchentisch erzählt

Dass sich die Menschen ihr gegenüber öffnen, liegt auch an der Stimmung, die an Thalheims Küchentisch herrscht. „Das ist wie ein Familientreffen. Die Distanz ist dann schon weg”, sagt sie. Die Reporterin erfährt eine ganze Menge über die Interviewten, auch viel Privates. Doch sie wägt genau ab, was veröffentlicht wird. „Dadurch schaffe ich Vertrauen. Die Leute wissen, Geheimnisse behalte ich für mich.”

Traudel Thalheim ist eine energiegeladene, umtriebige Frau – und das trotz ihres fortgeschrittenen Alters. Die Journalistin blickt auf ein bewegtes Leben zurück. Ihre Mutter starb im März 1945. Sie war das älteste von fünf Geschwistern, ihr Vater zog die Kinder allein groß – neben seinem Job in der Brikettfabrik in Espenhain. Traudel Thalheim erfuhr in der Nachkriegszeit, was es bedeutet, zu hungern. Die Familie lebte in einfachen Verhältnissen.

Werner Heiduczek und Traudel Thalheim. Foto: André Kempner
Werner Heiduczek und Traudel Thalheim.
Foto: André Kempner

Trotz allem studierte die junge Frau, heiratete, bekam zwei Kinder und freut sich heute über die Enkelkinder. Nach dem Tod ihres Mannes lernte die Journalistin 2001 den Schriftsteller Werner Heiduczek kennen und lieben. Thalheim sagt: „Das war mein zweites Leben, es war meine schönste Zeit.”

Buch über Heiduczek

Gemeinsam unternahm das Paar eine Weltreise auf einem Kreuzfahrtschiff. Beide ließen sich ihren Freiraum. „Wir haben uns nie gezankt”, sagt sie. Die Journalistin veröffentlichte während dieser Zeit mehrere Reisetagebücher. Nach dem Tod von Werner Heiduczek 2019 schrieb sie ein Buch über ihre Erlebnisse mit dem Schriftsteller. „421 Schritte von mir zu dir” heißt es und erschien 2022 im Mitteldeutschen Verlag.

Das Buch finden Sie hier

„421 Schritte von mir zu dir“ von Traudel Thalheim. Filmproduzent Hans-Werner Honert moderierte die Buchpremiere. Foto: Heiko Betat
„421 Schritte von mir zu dir“ von Traudel Thalheim. Filmproduzent Hans-Werner Honert moderierte die Buchpremiere. Foto: Heiko Betat

Das Reisen hat sie seither nicht aufgegeben. Mit ihrer Tochter geht sie noch immer gern an Bord von Kreuzfahrtschiffen, ist regelmäßig auf dem Meer unterwegs, hat inzwischen wohl die halbe Welt gesehen. Doch sie kehrt immer gern wieder zurück in ihr Leipzig. Seit 20 Jahren wohnt sie in der quirligen Südvorstadt. Fest steht: Ruhiger treten will sie in Zukunft nicht. „Ich bin ein Mensch, der immer aktiv war. Ich kann einfach nicht zu Hause sitzen.” Ihre Umtriebigkeit halte sie körperlich und geistig fit, sagt sie. Traudel Thalheim liebt es, Menschen zu treffen, ihre Geschichten zu erfahren – am liebsten bei einem Kaffee an ihrem Küchentisch.

Gina Apitz

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