Sie halten ihre Wäschemangel in Leipzig-Eutritzsch am Laufen: Barbara und Helmut Hoffmann. Foto: PICTURE POINT/Kerstin Dölitzsch

Mangel mitten in der Metropole. Ein Leipziger Geheimtipp für einen Nostalgietrip in Sachen Wäsche ist der Hinterhof von Barbara (66) und Helmut (67) Hoffmann. Dort kann man noch in Selbstbedienung wie anno dunnemals seine Wäsche platt machen. Ein nettes Schwätzchen und Lesestoff inklusive.

Auf dem Land sind sie ganz vereinzelt zu finden: traditionelle Wäschemangeln. Doch auch in Leipzig existiert ein noch intaktes Alltagsrelikt aus Zeiten, in denen ein großes hölzernes Ungetüm das Glätten übernahm. So eins steht auf dem idyllischen Hinterhof der Hoffmanns. „Germania28“ heißt das gute tonnenschwere Stück, das dort seit dem Sommer 1935 läuft. Pannenfrei. Wochentags kann jeder, der möchte, beispielsweise Handtücher, Bettwäsche oder Tischdecken mangeln. Eine eingeschworene Gemeinschaft von 40 bis 50 vorrangig weiblichen Stammkunden nutzt das regelmäßig. Früher kamen natürlich mehr.

„Mein Großvater betrieb im Vorderhaus eine Drogerie“, erzählt Barbara Hoffmann. „Und als zusätzlichen Service bot er an, auf dem Hinterhof die Wäsche glätten zu lassen. Er kaufte für 1400 Reichsmark eine Mangel aus der Chemnitzer Holzwarenfabrik Ernst Herrschuh“, kann die Erbin noch heute schwarz auf weiß mit der Originalquittung belegen. Die Drogerie machte im Laufe der Jahrzehnte dicht, die Rolle blieb. „Mein Vater hatte dann die Idee, auf Selbstbedienung umzustellen“, weiß die Tochter. Seitdem liegt im Hinterstübchen das Rollbuch aus, in das jeder seine gewünschten Termine von 8 bis 18 Uhr eintragen kann. Eine Stunde kostet heutzutage drei Euro. „Aber das ist nur ein symbolischer Preis“, meint Barbara Hoffmann.

Ihr Herz hängt an der Familientradition, die sie in dritter Generation bewahren möchte. Mehr als einmal bestand die Gefahr, dass die Mangel einfach vom Zeitgeist überrollt wird. „So gab es den Trend, die Innenhöfe komplett zu entkernen“, erinnert sich die ehemalige Verwaltungsangestellte. Ihre Mutter begann mit dem Kampf für den Erhalt des kleinen Hinterhauses. Die Hoffmanns renovierten es behutsam und machten aus ihm einen beliebten Treffpunkt. Nebenbei entstand durch Zufall eine kleine Bibliothek. „Um beim Mangeln die Zeit zu überbrücken, brachte immer mal jemand ein Buch mit und ließ es liegen. Daraus hat sich ganz unkompliziert eine Büchertauschbörse entwickelt“, bemerkt die Besitzerin.

Sie kann vom Balkon im ersten Stock ihres Mehrfamilienhauses auf die Mangelstube schauen und hat dabei alles im Blick. „Wenn mal jemand Hilfe benötigt, bin ich natürlich schnell zur Stelle“, betont Barbara Hoffmann. Zum 80-jährigen Bestehen der Rolle lud das rührige Ehepaar seine Stammkunden zu einem gemütlichen Hof-Kaffeeklatsch ein. Und dort wurden sie wieder lebendig, die Geschichten und Anekdoten rund um die beliebte Leipziger Selbstbedienungswäschemangel.

Thomas Gillmeister

2 KOMMENTARE

  1. Simone Jacob

    Hallo,

    mit viel Interesse habe ich den Artikel über die Wäschemangel gelesen. Früher zog ich mit meiner Mutter, den Handwagen mit Wäsche im Schlepptau, zur nächstgelegenen Mangel, es war immer ein Abenteuer. Vor kurzem fragte mich meine Mutter, was sie mit den großen Tüchern für die Mangel von damals machen soll. Ich war ratlos, bis mir heute der Artikel in die Hände viel.

  2. Rita Thiele

    Ihr Artikel über die alte Wäschemangel in Eutritzsch hat mir sehr gut gefallen, schon deshalb, weil es in Markranstädt, wo ich wohne, auch noch so eine alte Wäschemangel gibt. Die nutze ich auch noch regelmäßig. Mich begeistert jedesmal die über 100 Jahre alte Technik, die immer noch einwandfrei funktioniert. Die Wäscherolle in Markranstädt ist auch von Herrschuh und ca. 1911 gebaut.
    In Schönefeld existierte auch noch eine zu DDR-Zeiten und zwar in der Löbauer/Schmidt-Rühl-Straße.

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