Musikliebhaber, Zeitungsleser und Kaffeetrinker: Jörg Pitschmann, Generalmusikdirektor des Mittelsächsischen Theaters. Foto: Andreas Neustadt

Döbeln. Es sind gerade besondere Zeiten. Na klar, wegen Corona. Das wird ganz besonders auch in den Theaterhäusern dieser Welt sicht- und hörbar. Das bekommt auch Jörg Pitschmann täglich zu spüren.

„Es ist momentan alles anders. Alles wird von Corona bestimmt, da tritt die Kunst tatsächlich in den Hintergrund. Das ist für uns alle eine große Herausforderung“, sagt der neue Generalmusikdirektor des Mittelsächsischen Theaters. Im September hat er diesen Posten offiziell von Raoul Grüneis übernommen, den es zum Ende der vergangenen Spielzeit nach Essen zog. Seit August 2019 nutzte Jörg Pitschmann als 1. Kapellmeister der Mittelsächsischen Philharmonie in Freiberg und Döbeln die Chance, die mittelsächsische Kultur kennenzulernen.

Sein erstes Jahr in Mittelsachsen hatte sich der gebürtige Freiburger aber wahrlich anders vorgestellt. „Es ist eine Riesenherausforderung, unter diesen Umständen ein vollwertiges Programm aufzubauen. Aber das ist uns gelungen. Wir haben eine gute Mischung aus Bekanntem und Ausgefallenem zusammengestellt“, ist sich Jörg Pitschmann sicher und blickt zufrieden auf den Spielplan der kommenden Wochen in Freiberg und Döbeln mit Sinfonie- und Kammerkonzerten und Musiktheater. So feiert zum Beispiel am 6. November die Komische Oper von Johann Simon Mayr „Lauter Verrückte! – Che Originali!“ in der Kammermusikfassung von Fabian Dobler ihre Premiere im Theater Freiberg – mit acht Musikern und sechs Sängern. Am 27. November ist sie dann erstmals im Döbelner Theater zu sehen.

Jörg Pitschmann hat in seiner Musikerkarriere bereits einiges gesehen. Nach dem Studium der Kirchenmusik an der Musikhochschule in Freiburg zog es ihn nach Lüneburg. Hier, im kleinsten Musiktheater Deutschlands, verdiente er sich als Chordirektor seine ersten Sporen. „Ich habe zwar Kirchenmusik studiert, trotzdem war für mich immer klar, dass ich nicht als Kirchenmusiker arbeiten würde. Es hat mich schon immer ins Theater gezogen“, erklärt er. In Lüneburg erlebte Jörg Pitschmann außerdem die Wiedervereinigung, eine Zeit, die für ihn wie so viele andere Menschen auch, „eine ganz besondere“ war. Über Detmold zog es den leidenschaftlichen Musiker 1998 an das Landestheater Salzburg und damit auch in eine ganz neue kulturelle Welt. „In Salzburg ist kulturell unfassbar viel los. Die Stadt hat eine unglaubliche Fülle an kulturellen Angeboten. Dieses Flair ist einfach irre inspirierend“, erinnert er sich an die drei Jahre in der österreichischen Metropole. Als Gastdirigent leitete er außerdem einige Opernaufführungen am Hawaii Opera Theatre in Honolulu. Das waren starke Kontraste zu seinen folgenden Stationen in Schwerin, Detmold und Neustrelitz. „Aber jede Stadt und jedes Theater hat ein ganz eigenes Flair, das ich nicht missen möchte.“ Nun also Mittelsachsen. Das Mittelsächsische Theater und die Mittelsächsische Philharmonie mit den Häusern in Freiberg und Döbeln sind ihm in den letzten Monaten ans Herz gewachsen, die Arbeit macht ihm sichtlich Spaß. In Freiberg ist er längst heimisch geworden. „Hier in dem Haus herrscht eine tolle Atmosphäre – das hat man nicht in jedem Theater. Das Orchester hier ist wunderbar und die Sängerinnen und Sänger sind außergewöhnlich.“

Ein Ohr für gute Musik und den Drang, diese auch zu begleiten, hatte Jörg Pitschmann bereits in jungen Jahren. „Meine Eltern haben gesagt, dass ich schon als kleines Kind in meinem Laufstall immer mitdirigiert habe. Dann habe ich ziemlich früh angefangen, Klavier zu lernen. Die klassische Musik hat mich schon als Kind unheimlich fasziniert, mit sechs oder sieben Jahren war ich das erste Mal in der Matthäuspassion“, erinnert er sich schmunzelnd. Als dann in der Jugend die Frage nach dem Berufswunsch anstand, war die Musik trotzdem nicht die erste Wahl. „Ich hatte erst die Malerei oder Medizin im Kopf. Jetzt bin ich sehr froh, dass ich mich für die Musik entschieden habe.“ Die musikalischen Gene hat der vielseitig interessierte Wahl-Mittelsachse von seinen Eltern mitbekommen. Schließlich waren diese musikalisch sehr engagiert, waren unter anderem gemeinsam im Chor, wo sie sich auch kennen- und lieben gelernt haben. Und er hat seine künstlerischen Gene ebenfalls weitergegeben, an seine Tochter Toni. Die absolviert inzwischen ein Schauspiel-Studium in Frankfurt/Main, was den Vater sichtlich stolz macht.

Während Jörg Pitschmann es in der täglichen Arbeit überwiegend mit klassischer Musik zu tun hat, braucht er zum Entspannen „einfach auch mal ganz andere Klänge“. Dabei gibt es vor allem Rockmusik und Soul auf die Ohren. Zu Konzerten geht er heute allerdings eher selten. Das sei während des Studiums noch deutlich mehr gewesen, da war auch die Begeisterungsfähigkeit größer gewesen. Heute höre er in Konzerten oftmals mit dem Ohr des Generalmusikdirektors hin, da falle das Entspannen schwerer als früher. Seine zweite große Leidenschaft, das Malen, „ist in den vergangenen Jahren leider völlig versiegt“, bedauert Jörg Pitschmann: „Ich habe noch viele Bilder von mir zu Hause. Irgendwie hat mir aber immer die richtige Kreativität gefehlt. Ich habe meist stundenlang in der Natur gestanden und das gemalt, was ich gesehen habe“, erinnert er sich: „Mein Kunstlehrer hat mich damals in der Schule angeleitet und mir gezeigt, wie man richtig malt. Das ist gar nicht so einfach. Wichtig ist, dass man regelmäßig malt, sonst verlernt man wirklich vieles. Inzwischen fehlt mir einfach auch die Übung fürs Malen.“

Die größte Entspannung findet der Generalmusikdirektor in der Sauna. Das sei für ihn die „totale Entspannung“. Ab und zu fahre er auch mal nach Leipzig oder Dresden, um die Großstädte zu entdecken. Seine musikalischen Träume, von denen Jörg Pitschmann zweifellos noch einige hat, möchte er lieber für sich behalten, um nach kurzer Bedenkzeit zu verraten: „Die 9. Sinfonie von Gustav Mahler würde ich gern mal dirigieren. Auch ‚Figaro‘ wäre toll. Ich habe ja schon zahlreiche Opern einstudiert, aber ‚Figaro‘ war noch nie dabei. Leider stand die Oper erst vor einigen Jahren auf dem Spielplan des Mittelsächsischen Theaters. Bis zum nächsten Mal werden deshalb wohl noch einige Jahre vergehen.“

Der Sonntag ist für Jörg Pitschmann meist ein ganz normaler Arbeitstag – aber erst nach einem gemütlichen Frühstück. „Wenn ich Partituren studiere, mach ich das gern am Sonntag im Theater. Zu Hause gibt es einfach zu viel Ablenkung. Im Theater bin ich meist ganz allein, da stört mich niemand“, lacht er. Außerdem nutzt der leidenschaftliche Zeitungsleser den letzten Tag der Woche auch ausgiebig, na klar, zum Zeitunglesen. „In der Woche bleibt dafür oft keine Zeit, deshalb nutze ich den Sonntag zum Lesen.“ Damit er auch rundum informiert in die nächste Woche gehen kann. Andreas Neustadt

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