
Leiter der Schlösser und Burgen, Castle Manager, Rochlitz/Gnandstein/Colditz – so weist die Visitenkarte Peter Knierriem aus. „Ich bin gerade noch 59 Jahre jung, die 60 ist aber bereits in Sichtweite“, malt Knierriem ein buntes Motiv zu seinem Alter. So unterhaltsam geht es in den folgenden gut 60 Minuten weiter, die Themen Frühstück sowie Leben mit Burgen und Schlössern bedient der Hesse (Knierriem kam 1999 aus Erbach/Odenwald) sprachgewandt mit Esprit und nahezu extravertierter Auskunftsfreude.
Der Start in den Tag, Knierriem gibt den zeitlichen Rahmen so an: „Es kann vor 7 Uhr sein, dass ich aus dem Haus muss. Es kann 8 Uhr sein. Zu dieser Zeit ist eine lustlose Tasse Kaffee, die mich wenigstens wach macht.“ Knierriem fährt morgens von Wechselburg ins benachbarte Rochlitz.
Dort hat er sein Büro (es vermittelt auf 21,44 Quadratmetern eine wunderschöne, unaufgeräumte, gemütliche Unruhe) zwischen beiden Türmen des Schlosses. Früher war der Raum des Büros die Rüst- bzw. Waffenkammer. Darauf legt Knierriem Wert und erklärt grinsend: „Heute geht es wesentlich friedlicher in diesem Raum zu.“
Die Termine diktieren den Frühstückszeitpunkt
Wenn es der erste Hunger des Tages von ihm abfordert, gibt es das eine Brötchen während der lediglich knapp 15-minütigen Autofahrt. Der deshalb hastig gestillte Hunger fordert häufig Nachsorge, Knierriem gesteht: „Meistens hat es eine ordentliche Krümelei zur Folge. Weil ich der Verursacher bin, muss ich dann auch die Aussaug-Arbeit verrichten.“
Die Termine diktieren schließlich, wann Knierriem die Zeit für das ausführliche Frühstück findet. Er klärt auf: „Das ist dann meistens der Vormittag. Ich liebe es deftig, wie wir Hessen das eben so lieben. Mit Honig und Marmelade bin ich nicht zu bekommen. Da kann es lieber die Wurst vom sächsischen Metzger sein, Brötchen, dazu ein Handkäse. Wenn ich den in Zwiebel und Rapsöl mit Kräutern eingelegt habe, kommt später die Musik dazu …“
Das normale Volk aß Getreidebreie
Im Mittelalter, später in der Renaissance-Zeit wurde ebenso ein Frühstück abgehalten. Na ja, abgehalten ist übertrieben. Es gab so etwas ähnliches, was wir heute dem Namen Frühstück geben. Knierriem zu Überlieferungen: „Das normale Volk aß Getreidebreie von relativ unerotischer Rezeptur. Dabei kamen Hirse, Dinkel und Roggen zum Einsatz. Über die Adligen sind keine größeren Frühstücks-Abhandlungen geblieben. Größere Rezept-Sammlungen dieses Standes beschreiben dann eher Gelegenheiten wie Banketts und noble Empfänge.“
Da muss es nicht verwundern, dass es bisher keine Burg- bzw. Schlossführung gibt, die Besucher zum Frühstück bittet. Obwohl Knierriem (der auch selbst als „kochender Sebastian“ die Gäste in die Mittelalter-Küche entführt) ergänzt: „Es ließen und lassen sich durchaus passable Speisen mit Hirse zubereiten. Es gab damals auch Gemüsebrühe und Eierspeisen zum Frühstück.“
Die heutigen Burg- und Schlossherren wie Knierriem sind über kulinarische Erquickungen hinaus gefordert, „wenn wir mit Kreativität die Besucher und Gäste anlocken wollen. Unsere Häuser können nicht überleben, weil Bus an Bus ’zig Touristen entlädt, die zum Rundgang schreiten. Unsere Gäste wollen betreut und geführt werden.“
„Rund 40 selbstständige Gästeführer“
Tatsächlich haben Schloss Rochlitz und Schloss Colditz jährlich 30 000 bis 40 000 Gäste, in der Burg Gnandstein werden per anno rund 20 000 Besucher gezählt. Knierriem sagt: „Mal ein Ticket kaufen und dann selbst einen Rundgang unternehmen – so verbringt nicht mal mehr die Hälfte unserer Gäste die Zeit in unseren Häusern.“

Peter Knierriem in der Rolle des kochenden Sebastian: Der Schlossherr führt die Gäste gern in die Mittelalter-Küche.
Foto: Lars Preußer
Es sind die thematischen Führungen, die spezielle Interessen wecken, die die besondere Neugier befriedigen. Knierriem nennt diese Zahlen dazu: „Wir haben rund 40 selbstständige Gästeführer, die in unseren Einrichtungen spezielle Themen vorstellen. Dabei haben sie sich über die Jahre zu Experten ihrer Inhalte entwickelt.“
Burg und Schloss besuchen bedeutet heute aktiv sein. Knierriem weiß: „Die Gäste wollen sich ausprobieren, sie wollen mitmachen. Das kann man in unseren Häusern zum Beispiel beim Bogenschießen, beim Knochenschnitzen, Stoffe kann man färben. Die Animation zur Teilnahme ist ein prägender Bestandteil vieler unserer Führungen, die wir anbieten. All diese und weitere Punkte tragen dazu bei, dass sich unsere Gäste bis zu vier Stunden bei einem Besuch in Burg oder Schloss aufhalten. Nein, keine Angst, es geht auch in etwas oberflächlicherer Art und Weise und bleibt dennoch interessant.“
Unterwegs mit einem Histo-Pad
Die neuen Zeiten erfahren auch in die alten Gemäuer Einlass: Digitalisierung und ähnliche Technik hat längst einen Platz in beinahe jeder Historienschau erobert. Knierriem stellt das am Beispiel im Schloss Colditz dar: „Dort kann der Besucher am Eingang ein sogenanntes Histo-Pad in Empfang nehmen. Nach kurzer Einweisung zur Handhabung des Tablets kann er danach seinen Gang mit digitaler Unterstützung absolvieren. An verschiedenen Punkten kann der Gast sein Tablet aktivieren und so bestimmte Informationen und Darstellungen abrufen.“
Während Burg Gnandstein und Schloss Rochlitz die Besucher gern zu Ausgelassenheit und Heiterkeit verführen, bietet Schloss Colditz die nüchternen Inhalte. Knierriem nimmt Bezug auf den Charakter der Einrichtung: „Colditz war von Krieg und Gefangenschaft geprägt. Wir haben viele Gäste aus Großbritannien. Später war das Schloss auch Heilanstalt. Zu diesen Themen ist die ausführliche Information angebrachter.“
Spannende Ferien-Momente
Mit Angeboten für spannende Ferien-Momente können alle drei Häuser begeistern. Burg- und Schlossherr Knierriem beschreibt: „Die Burg Gnandstein lädt zu einem Märchen-Such-Spiel ein. An verschiedenen Stellen der Burg werden Utensilien versteckt. Hier hängt ein Zopf herunter, dort liegt ein goldener Schuh. Eine Schnitte mit sieben Fliegen darauf findet man außerdem. Das ist für diesen Fall eine wunderschöne Nachbildung aus Keramik, die extra für dieses Thema angefertigt wurde.“

Kreativ sein, Entwicklungen sehen und gestalten, uralte Gemäuer und deren Geschichten lebendig machen – das sind herausfordernde Aufgaben für Knierriem und dessen Mitarbeiter. Der Chef wird nachdenklich, wenn er an die Raserei immer neuer Wünsche und Zukunftsvisionen denkt: „Kann man hier immer mehr und immer mehr machen? Man könnte es, um dann auch immer mehr Touristen anzulocken. Aber für solch einen Zuwachs an Gästen muss auch das Umfeld mitwachsen. Die Gastronomie, das Hotelgewerbe müssten einen immensen Anstieg von Besucherzahlen empfangen können.“
„Im Moment gibt es keinen unerfüllten Wunsch“
Knierriem formuliert damit keinesfalls Unzufriedenheit. Im Gegenteil. Er ist stolz auf das, was in den Jahren seiner Amtszeit seit 1999 entstanden und gewachsen ist. Er sagt: „Die Sanierungen liefen, mit denen ich mehr als zufrieden bin. Darin haben alle Menschen, die an den jeweiligen Prozessen beteiligt waren, viel Kraft und Willen vereint. Ich kann heute ehrlich sagen, dass es in diesem Moment keinen unerfüllten Wunsch gibt. Außerdem gibt es irgendwann auch einen Nachfolger, der bestimmt ebenso gestalten will.“
Übrigens: Zur Gestaltung des späten Frühstücks gehört für Knierriem auch ein besonderes Getränk, ein gespritzter Apfelwein. Der Genießer klärt auf: „Auf ein fast komplett gefülltes Glas Mineralwasser wird ein kleiner Schluck eines herben Apfelweins gegeben, herrlich, sehr köstlich.“ Abends nach getaner Arbeit mit Verwaltungskram, Führungen und anderen Pflichten, die einer Sehenswürdigkeit mit Berechtigung diesen Titel verleihen, schmeckt der Gespritzte noch einmal so gut. Lars Preußer