Uhrmachermeister Christian Beck von der Firma „Christian Beck Glocken & Turmuhren“ aus Kölleda bei der Abnahme einer der Glocken. Foto: Uwe Wessel

Altenburg. Die Geschichte der Glocken der Altenburger Brüderkirche, sie ist eine bewegte, im wahrsten Sinne des Wortes. Die heutige Brüderkirche, im Jahre 1905 geweiht, erhielt noch vor ihrer Fertigstellung ein Geläut, das aus vier Glocken bestand. Am Ostersonntag 1904 erklang dieses zum ersten Mal in Altenburg. Die große Glocke wog 3320 Kilogramm und war auf den Ton B gestimmt, die folgende auf den Ton Des mit 1895 Kilogramm, die dritte auf den Ton F mit 890 Kilogramm und die kleinste auf den Ton As mit 512 Kilogramm. Den Auftrag zum Guss erhielt die alte Gießerei von Ulrich in Apolda (Thüringen) und der Inhaber, Hofglockengießermeister Franz Schilling, führte ihn aus. Getragen wurden die Glocken durch den eisernen Glockenstuhl, der einschließlich der Verbindungsmittel 1690,5 Kilogramm wog und sich beim vollen Geläut nur vier bis fünf Millimeter bewegte.

Die Glocken blieben nur wenige Jahre in der Brüderkirche. Die drei größten Glocken des Vierergeläuts mussten im Rahmen der Materialbeschaffung für den Ersten Weltkrieg abgeliefert werden. Die Bekanntmachung vom 1. März 1917 regelte unter anderem die Beschlagnahmung und Ablieferung von Glocken aus Bronze. Nach dem Ende des Krieges stellte die Metall-Mobilmachungsstelle in einem Rundschreiben vom 10. September 1919 fest, dass trotz sofortigen Eingreifens beim Eintritt des Waffenstillstandes keine Altenburger Glocke den Krieg überlebt hat.

Das Sonntagsgottesdienstgeläut wurde nach der Abnahme der drei Glocken der Brüderkirche von der Glocke des Nikolaiturmes erledigt. Die verbliebene vierte Glocke der Brüderkirche und die des Nikolaiturmes waren auf den Ton As gestimmt und passten als gemeinsames Geläut nicht zusammen. Zur Erhaltung des historischen Wertes der vierten Glocke wurde von einem Umguss Abstand genommen und sich für einen Neuguss des fehlenden Dreiergeläutes, abgestimmt auf die Töne B, Des, F (nach dem Vorbild des Ursprunges), entschieden. Die Einholung der finanziellen Mittel erfolgte über Spenden, wobei der Hutfabrikant Max Förster fast die Hälfte stiftete. Mit Rollwagen und Gespann wurden die drei Glocken (hergestellt wieder von Franz Schilling) vom Bahnhof zur Brüderkirche gebracht. Am 14. September 1921 fand die Glockenweihe statt.

Das zweite Mal mussten die Glocken der Brüderkirche im Jahre 1942 für Kriegszwecke dem NS-Regime geopfert werden. So kam es dann, dass alle Glocken (auch die des Glockenspiels) abgenommen und der Reichsstelle für Metalle übergeben werden mussten. Bei Nachforschungen nach dem Zweiten Weltkrieg über den Verbleib der Altenburger Glocken konnte die größte Glocke des Vierergeläutes der Brüderkirche im Kupferverhüttungswerk Ilsenburg (im Harz) unversehrt gefunden werden.

Nachdem der Kirchenvorstand einstimmig beschlossen hatte, aus der vorhandenen Glocke ein Dreiergeläut gießen zu lassen, erfolgte der Vertragsabschluss wieder mit der Glockengießerei Franz Schilling, deren Geschäftsführung die Söhne übernommen hatten. Diesmal konnte die Argumentation, den historischen Wert der Glocke in die Waagschale zu legen nicht Verwendung finden, da nach dem Krieg noch kein neues Metall zur Verfügung stand. Erst am 4. Adventssonntag 1948, dem 19. Dezember, konnte die Weihe der neuen Glocken stattfinden. Die Kreiskommandantur (sowjetische Militäradministration) Halle in Wernigerode hatte die Herausgabe der Glocke bis dahin verweigert und schenkt man einem Brief des Kirchenvorstandes vom Dezember 1948 Glauben, kam es auch noch zum Fehlguss.

Die große Glocke ist auf den Ton Cis abgestimmt, wiegt 1938 kg und misst einen Durchmesser von 1,42 m. Sie trägt die Inschrift „Gloria in exelsis Deo“ (Ehre sei Gott in der Höhe). Die mittlere Glocke mit einem Durchmesser von 1,18 m wiegt 913 kg und trägt die Inschrift „Wir predigen den gekreuzten Christus“ (Kor. 1,23). Die kleine Glocke wiegt 605 kg, hat einen Durchmesser von 1,05 m und trägt die Inschrift „Siehe ich mach alles neu“ (Offb. 21,5). Als Umschrift am Glockenrand steht auf den drei Glocken der folgende geteilte Satz; so auf der kleinen Glocke „wir sind umgegossen“, auf der mittleren „aus der Gedächtnisglocke“ und auf der heutigen großen Glocke „für den am 30.03.1919 verstorbenen Max Förster“ sowie „A.D. 1946“. Seit diesem Zeitpunkt fehlte die vierte Glocke, die größte des Vierergeläutes. Seit nunmehr 79 Jahren ist sie verstummt. Kirchgemeinde und Förderverein haben in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen, um die fehlende vierte Glocke neu gießen zu lassen. Die Glocke steht seit ihrer Ankunft am 20. Dezember 2019 im Eingangsbereich der Brüderkirche, direkt hinter dem Portal, und wartet darauf, ihren alten Platz im Glockenstuhl wieder einzunehmen. Dieser ist in den letzten Wochen saniert worden. Die vierte Glocke trägt den Namen „Friedensglocke“ und die Inschrift „Dona Nobis Pacem“ (Herr, gib uns Frieden) in Erinnerung an die Friedensgebete in der Brüderkirche und Jahreszahlen, die mit der Geschichte der Glocke und unseres Landes verbunden sind.

So findet man die Jahreszahl 1904 (erster Glockenguss zum Neubau der Brüderkirche), die Jahreszahl 1921 (Neuguss nach dem Ersten Weltkrieg), das Datum 15. Oktober 1989 (erste Großdemonstration der Friedlichen Revolution von der Brüderkirche aus), die Jahreszahl 2019 (Neuguss der vierten Glocke nach 77 Jahren) sowie ein Christusmonogramm. Vor wenigen Tagen wurden nun die drei noch vorhandenen Glocken durch die Firma Glocken & Turmuhren Christian Beck aus Kölleda abgenommen, um die Glockenjochs aufzuarbeiten. Im September werden alle vier Glocken wieder ihren ehemaligen Platz im Glockenstuhl einnehmen.

Da der Neuguss der vierten Glocke, die Sanierung des Kirchturmes und des Glockenstuhles eine hohe finanzielle Belastung darstellen, bittet der Förderverein „Freundeskreis Brüderkirche Altenburg e.V.“ um Spenden zur Unterstützung des Vorhabens. Wer das Projekt der Sanierung der Brüderkirche unterstützen möchte, kann gern eine Spende auf folgendes Konto überweisen: VR-Bank Altenburger Land, Förderverein Freundeskreis Brüderkirche Altenburg e. V., Spendenzweck „Turmsanierung“, IBAN DE 22 8306 5408 0003 6469 47. Eine Spendenquittung kann ausgestellt werden, so der Förderverein „Freundeskreis Brüderkirche Altenburg e. V.“ abschließend.

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