Pavla Nejezchleba navigiert mit kostenfreien Onlinekarten von map.cz. Diese seien sehr genau und man kann sie vorher für eine Offline-Navigation herunterladen. Foto: André Kempner
Pavla Nejezchleba navigiert mit kostenfreien Onlinekarten von map.cz. Diese seien sehr genau und man kann sie vorher für eine Offline-Navigation herunterladen. Foto: André Kempner

Ein Herbsttag Ende Oktober. Pavla Nejezchleba plant mit einer Gruppe von Freunden eine Wanderung zu den Haselbacher Teichen im ­Altenburger Land. Die Gruppe – darunter acht Kinder – will entspannt mit der S-Bahn anreisen. Die 20-minütige Fahrt führt zum Startpunkt nach Regis-Breitingen. Doch es kommt anders als geplant: Die S-Bahn verspätet sich, es gibt Bauarbeiten auf der Strecke, der Schienenersatzverkehr wird verpasst.

Schließlich kommt ein alter Fernreisebus angerollt. Die beiden Fahrer aus Syrien kennen sich in der Gegend nicht aus und kurven ziellos durch die engen Straßen der Gegend. So werden aus 20 Minuten Anfahrt zweieinhalb Stunden. Die ersten Kinder bekommen Hunger und fangen an zu jammern. Das einzige Restaurant auf der Tour hat geschlossen – und am Ende fällt eines der Kinder an den Teichen ins Wasser und wird klitschnass wieder herausgezogen.

Diese Geschichte gehört wohl zu den größten Flops unter den Wanderungen, die Pavla ­Nejezchleba bisher unternommen hat. Doch die gebürtige Tschechin schildert sie dennoch in der Einleitung zum ihrem Wanderführerbuch, das im vergangenen Sommer im via reise Verlag erschienen ist. Mit „Wandern mit Kindern – rund um Leipzig und Halle“ ist es überschrieben. Doch mit dem Nachwuchs auf Wanderschaft gehen – macht das überhaupt Spaß? Pavla ­Nejezchleba beantwortet diese Frage natürlich mit einem klaren Ja, jedenfalls wenn man die Ratschläge der 42-Jährigen berücksichtigt.

Auf Unvorbereitetes gefasst sein

Nummer eins lautet: flexibel sein. „Man kann alles vorbereiten und planen, es kann aber trotzdem immer etwas passieren”, sagt sie. Dann müsse man in der Lage sein, umzuplanen. Optimistisch bleiben, dürfte wohl der nächste Tipp sein, denn die Anekdote vom Anfang der Horrorwanderung geht noch weiter. Nachdem die Strapazen der Anreise geschafft und das durchnässte Kind neu eingekleidet waren, gab es nämlich durchaus noch viele schöne Momente auf der Wanderung – etwa als die Gruppe auf einem Baum eine schlafende Fledermaus entdeckte.

In der Heide bei Halle lässt sich auf dem Ameisenspielplatz super klettern. Foto: privat
In der Heide bei Halle lässt sich auf dem Ameisenspielplatz super klettern. Foto: privat

So wurde aus der missglückten Tour doch noch eine schöne Erinnerung für alle Beteiligten. Autorin Pavla Nejezchleba ist sich sicher: „Man kann auch mit Kinder überall gut wandern und dabei schöne Orte kennenlernen.” 20 Vorschläge für Touren rund um Leipzig hat sie ihrem Buch versammelt: Sie führen – unter anderem – entlang der Mulde in die Region Grimma, in das Saale-Unstrut-Gebiet und auf den Rochlitzer Berg.

Recherche im Internet und Tipps von Freunden

Für die Touren recherchierte die Autorin im Internet und folgte Empfehlungen von Freunden aus Leipzig. Wichtig war ihr, dass es Routen in allen Himmelsrichtungen rund um Leipzig gibt und dass die Startpunkte jeweils gut mit dem ÖPNV erreichbar sind. Außerdem gibt es zu jeder Tour einige Sachinformationen, die man größeren Kindern vorlesen kann und einen Hinweis, ob die Strecke kinderwagentauglich ist.

„Man muss an die Bedürfnisse der Kinder denken.”

Etwa eineinhalb Jahre dauerte die Recherche. Alle Wanderungen unternahm Nejezchleba mit ihren beiden Kindern – ihre Tochter war damals fünf, ihr Sohn acht Jahre alt. Wanderungen mit dem eigenen Nachwuchs seien etwas „ganz anderes, als wenn man allein unterwegs ist”, ist sich die Autorin bewusst. „Erwachsene genießen den Blick in die Natur, das klappt bei Kindern meistens nicht.” Der Top-Tipp der Expertin: Die Kinder sollten Freunde mitnehmen, das funktioniere am besten. Außerdem müsse man ein langsames Tempo ­akzeptieren und könne „keinen Rekord in Kilometern aufstellen”. Die Mutter empfiehlt, die Freude am Wandern an die Kinder weiterzugeben, ohne Druck aufzubauen.

Pausen zum Spielen einplanen

Dazu gehöre es auch, immer wieder Pausen zum Spielen einzuplanen. „Man muss an die Bedürfnisse der Kinder denken.” Im Grunde genommen sei der Wald ja ein riesiger Spielplatz: Stöcke sammeln oder über Baumstämme balancieren, das macht auch jungen Wanderern Spaß. Nejezchleba schlägt vor, zunächst mit einer Tour von vier oder fünf Kilometern zu starten und sich dann langsam zu steigern. Wenn die Lust bei den Kids nachlässt, sei es günstig, Highlights in petto zu haben – etwa einen tollen Spielplatz oder einen Eisladen, der erreicht werden kann.

Autorin Pavla Nejezchleba testet verschiedene Wanderrouten in der Region mit ihren Kindern- hier sind die drei auf dem Weg nach Sörnzig. Foto: privat
Autorin Pavla Nejezchleba testet verschiedene Wanderrouten in der Region mit ihren Kindern- hier sind die drei auf dem Weg nach Sörnzig. Foto: privat

Pavla Nejezchleba sagt, fast ­alle Kinder seien per se gern in Bewegung. „Die meisten rennen ganz viel und habe super viel Energie.” Diese Kraft können sie auch in eine Wanderung stecken. Man müsse die Tour nur kindgerecht gestalten. Der Nachwuchs kann zum Beispiel nach Wegmarkierungen Ausschau halten. So wird aus der Wanderung eine Art Schnitzeljagd und die macht jede Menge Spaß. Älteren Kindern könne man auch eine Wanderkarte in die Hand drücken und ihnen die Verantwortung übertragen, den richtigen Weg zu finden.

Bei kleineren Kindern, die im Wagen gefahren werden, könne man Kopfhörer einpacken und ihnen zwischendurch ein Hörspiel anschalten. Wenn doch mal Langeweile aufkommt, setzt Pavla ­Nejezchleba auf Spiele wie „Ich sehe was, was du nicht siehst”. Auch Tiere raten spielt sie gern mit ihren Kindern, allerdings leicht verändert. Ihre Kids sollen nämlich „lachende Tiere“ erraten. “Dieses Lachen bringt meistens schon Entspannung in die Situation.”

Solche Ideen können helfen, die Schützlinge bei Laune zu halten. Haben die Kinder allerdings Hunger, sinkt die Stimmung meistens schnell. Der Tipp vom Profi lautet: Immer genug Snacks einpacken, vorher checken, ob der Imbiss wirklich offen hat und eine Regenjacke nicht vergessen.

Wanderführer für die Region Berlin

Pavla Nejezchleba wohnt seit vier Jahren in Leipzig, vorher lebte sie mit ihrer Familie in Berlin – und erwanderte auch dort die Gegend rund um die Großstadt. Sie folgte damals ihrem deutschen Mann – einem Journalisten – in die Hauptstadt. Zuvor hatte das Paar eine Zeit lang in Tschechien gelebt. Als ihr Mann in Berlin ein Jobangebot bekam, zog die Familie um. Sie war da gerade in Elternzeit mit dem ersten Kind. „Ich hatte viel Zeit, zu wandern”, sagt sie rückblickend. „Ich bin ein totaler Stadtmensch, aber ich bewege mich auch gern in der Natur. Das ist mein Ausgleich.”

Der Reiseführer „Wandern mit Kindern“ kostet 16,95 Euro. Repro: via reise Verlag
Der Reiseführer „Wandern mit
Kindern“ kostet 16,95 Euro.
Repro: via reise Verlag

Die Autorin schrieb bereits zwei Wanderführer für die Region rund um Berlin. Ein Vorteil der Hauptstadt sei das gut ausgebaute ÖPNV-Netz, das dort sehr viel dichter sei als rund um Leipzig. Dafür entdecke sie hier sehr viele spannende geschichtliche Themen – etwa das Neuseenland als Folge des Bergbaus. Es sei doch toll, wenn man auf dem Aussichtspunkt der Bistumshöhe am Cospudener See steht und den Kindern erklärt, dass das hier mal eine Mondlandschaft aus Tagebaulöchern war.

Leipzig  – eine „super schöne grüne Stadt”

Heute sei Leipzig eine „super schöne grüne Stadt”. Doch noch vor einigen Jahren sah die Umgebung ganz anders aus. Der Wanderprofi wuchs am Stadtrand von Prag auf, eine dörfliche Gegend mit Feldern und viel Wald, in dem sie herumtobte. Mit ihren Eltern war sie als Kind schon viel Wandern, erzählt sie. Doch heute kenne sie sich in Leipzig in Sachen Wanderrouten deutlich besser aus als in ihrer Heimat.

Neben den Wanderführern schreibt die Autorin auch für einen tschechischen Kinderbuchverlag und entwickelt Lernspiele für Kinder. In Berlin arbeitete sie außerdem in einer Schulbibliothek und organisierte ­Leseförderung für Kinder mit ­Migrationshintergrund. Derzeit studiert Nejezchleba Bibliothekswissenschaften, um perspektivisch in ein paar Jahren in einer Bibliothek fest zu arbeiten.

Ein neues Buchprojekt ist aktuell nicht in Planung. Vielleicht schreibe sie mal eins zu einem ganz anderen Thema, überlegt sie. Oder sie veröffentlicht einen Reiseführer unter dem Titel „Wandern ohne Kinder”, erzählt sie scherzhaft. Dann könne man die Ruhe der Natur noch etwas besser genießen”, sagt sie und lacht. Gina Apitz

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