
Mit der Renaturierung des ehemaligen Tagebaus Delitzsch-Südwest ist das noch sehr junge Naturschutzgebiet Werbeliner See bereits heute ein einzigartiger Lebensraum für zahlreiche, zum Teil besonders geschützte Tier- und Pflanzenarten.
Als Teil des Europäischen Vogelschutzgebiets „Agrarraum und Bergbaufolgelandschaft bei Delitzsch“ bietet das Naturschutzgebiet Werbeliner See unter anderem mehr als 220 Vogelarten Heimat. Am Werbeliner und Grabschützer See befindet sich ein Naturparadies, dass sich durch vielfältige und interessante Exkursionen wunderbar erkunden lässt. Diese werden regelmäßig von den Gebietsbetreuern der Unteren Naturschutzbehörde angeboten.
Offene und halboffene Flächen mit Wiesen und Magerrasen, durchsetzt von kleineren Gehölzen, bilden den idealen Lebensraum für den Großteil der besonders geschützten Vogelwelt, welche hier vor allem am Boden oder bodennah nistet und brütet. „Mit unserer bioakustischen Erfassung, bei der wir an verschiedenen Stellen am See Aufnahmegeräte ausgebracht haben, konnten wir zum Beispiel das Braunkehlchen, die Sperbergrasmücke und den Wendehals nachweisen. Solche seltenen und teils stark bedrohten Arten finden hier perfekte Bedingungen“, freut sich auch Valentin Fromm, Ornithologe beim Landschaftspflegeverband Nordwestsachsen e.V.
Offenland wird wieder hergestellt
Über Jahrtausende hinweg wurde das mitteleuropäische Offenland – also Wiesen, Weiden und lichte Landschaften – durch große Pflanzenfresser freigehalten. Tiere wie Mammuts, Wildpferde, Auerochsen oder Wisente prägten die Vegetation entscheidend. Durch Beweidung, Tritt und Fraß verhinderten sie vielerorts die Verbuschung und das Aufkommen geschlossener Wälder. Mit dem Aussterben dieser großen Weidetiere verschwand jedoch auch ihr landschaftsgestaltender Einfluss.
In den letzten Jahrhunderten übernahm dann der Mensch mittels extensiver Beweidung und kleinflächigem Ackerbau die Rolle als Gestalter mosaikartiger Offenlandbereiche. In der heutigen Landschaft fehlen allerdings diese Formen der extensiven Offenhaltung. Die Folge: Viele Flächen verbuschen, Gehölze breiten sich aus, und langfristig verwalden diese Gebiete. Damit gehen wertvolle Lebensräume für spezialisierte Tier- und Pflanzenarten verloren, die auf offene oder halboffene Landschaften angewiesen sind.
Zunehmender Gehölzaufwuchs am Werbeliner See
Auch die Offenlandflächen am Werbeliner See sind durch zunehmenden Gehölzaufwuchs und Verbuschung charakterisiert. So sind zum Beispiel die in Sachsen stark gefährdeten Vogelarten Raubwürger, Steinschmätzer oder auch das Braunkehlchen, die vor wenigen Jahren noch einen bedeutsamen Bestand im Gebiet des Werbeliner Sees aufweisen konnten, schon verschwunden oder sehr stark zurückgegangen. Der Erhalt dieser Flächen erfordert deshalb heute gezielte Maßnahmen zur Offenhaltung, die der LPV Nordwestsachsen in Absprache mit den Flächeneigentümern, den Kommunen und Behörden nun umsetzen wird.
Dafür wurde vom Landkreis Nordsachsen eigens ein Pflege- und Entwicklungsplan erstellt, welcher vorsieht, dass Offenlandflächen am Werbeliner See entsprechend erhalten werden sollen. Im Oktober wird daher eine flächendeckende Entbuschung auf dem Gebiet der ehemaligen Tagesanlagen im Norden des Sees durchgeführt. Das so wieder hergestellte Offenland soll dann mittels einer Beweidung durch Rinder und Pferde dauerhaft freigehalten werden.
Tierische Landschaftspfleger im Einsatz
Bei dieser Art der Tierhaltung wird die Beweidung extensiv und durch wenige Tiere umgesetzt, die so als „tierische Landschaftspfleger“ die Offenlandschaft und die Biodiversität erhalten. Durch Tritt, Fraß und Dung entstehen vielfältige Strukturen für Pflanzen, Insekten und Vögel und das Zuwachsen der Fläche wird ganz natürlich, schonend und ohne Einsatz von schwerem Gerät verhindert.

Weidetiere, beispielsweise Kühe, sollen dauerhaft einer Verbuschung entgegenwirken und Offenlandschaften bewahren.
Foto: Angela Richter
Auch für die Tiere selbst hat die extensive Beweidung viele Vorteile. Weidehaltung ist oft stressärmer als Stallhaltung und die Tiere können ihrem natürlichen Bewegungs- und Sozialverhalten besser nachgehen. Außerdem entspricht das Fressen von frischem strukturreichem Futter ihrer natürlichen Lebensweise. Um eine sichere Beweidung und eine fachgerechte Versorgung der Tiere zu gewährleisten, werden für Rinder und Pferde geeignete dreilitzige elektrische Weidezäune auf den ehemaligen Tagesanlagen aufgebaut.
Aktive Beteiligung am Naturschutz
Um die Besucher des Werbeliner Sees umfassend zu informieren und einzubeziehen, werden auf dem Gelände der ehemaligen Tagesanlagen Informationstafeln installiert, welche die vor Ort durchgeführten Maßnahmen anschaulich näherbringen. Gemeinsam mit den Gebietsbetreuern der Unteren Naturschutzbehörde aus dem Projektbüro in Zwochau plant der LPV Nordwestsachsen außerdem fortlaufende Informationsveranstaltungen und Exkursionen für alle Interessierten und Naturliebhaber. Der erste Infotag zu den genannten Maßnahmen wird im September stattfinden.
Das Gebiet und die darauf vorkommenden Arten werden kontinuierlich beobachtet und ausgewertet. Die Öffentlichkeit soll dabei aktiv in Form eines Citizen-Science-Projekts eingebunden werden, um Naturbeobachtungen und Daten zur Entwicklung des Gebiets gemeinsam zu erfassen. Darüber wird der LPV regelmäßig berichten.
Infos und Kontakt: Landschaftspflegeverband Nordwestsachsen e.V., www.lpv-nordwestsachsen.de, Tel.: 03423 7393000, E-Mail: info@lpv-nordwestsachsen.de