Als wäre es gestern gewesen - Joachim Steffens mit seinem ersten Sonntagsfrühstück aus dem Jahr 1999. Foto: Lars Preußer
Als wäre es gestern gewesen - Joachim Steffens mit seinem ersten Sonntagsfrühstück aus dem Jahr 1999. Foto: Lars Preußer

Joachim Steffens schickt seine wachen Augen über eine Kopie der Seite mit dem SachsenSonntag-Frühstück, für das er im September 1999 Gastgeber war. Es fällt ihm sofort auf: „Siehst du, es ging damals um mein Herz. Es geht heute wieder um mein Herz.“ Steffens, damals 50 Jahre jung und als Trainer auffallend lebendig, trug seit drei Jahren einen Herzschrittmacher. Heute trägt er so einen immer noch.

Er verrät: „ Ich habe jetzt schon den dritten Schrittmacher drin, der wird alle paar Jahre gewechselt. Und nun wurden erstmals auch die Kabel der Minimaschine getauscht. Das ist gut, aber die Folgen des Eingriffes sind Mist. Ich kann nicht viel machen. Und das soll noch ein paar Wochen so bleiben.“

Wasserverbot als „echter Horror“

Steffens, inzwischen 75 Jahre jung (bei ihm bietet sich diese Beschreibung des Alters unbedingt an), hat sich Neugier, Tatkraft und den für ihn typischen Willen erhalten. Da duldet er lediglich die Abstriche, die ihm seine Familie oder medizinisches Person vorgeben. Letzteres ordnete unter anderem an: „Striktes Wasserverbot!“

Er ist ein Genußmensch, eine Fußball-Legende und ein Jubilar: Joachim Steffens liebt seinen Honig, seinen Sport und auch seine Zeit. Foto: Lars Preußer

Er ist ein Genußmensch, eine Fußball-Legende und ein Jubilar: Joachim Steffens liebt seinen Honig, seinen Sport und auch seine Zeit.
Foto: Lars Preußer

Aber gerade das bedeutet Horror für Steffens. Der erklärt den beinahe unerträglichen Zustand so: „Ich beginne meinen Tag sonst im Wasser. Gegen 8 Uhr gehe ich nach dem Zähneputzen in unseren Pool und bewege mich bei verschiedenen Laufformen. Das will ich meinem Körper für die Motorik sehr gern anbieten. Von Mai bis November mache ich das so. Das Zähneputzen vorher hat einen besonderen Grund. Wenn ich beim Frühsport umkippen sollte, ist doch eine Mund-zu-Mund-Beatmung mit einem erfrischten Patienten angenehmer, oder?“

Früh-Sportler nutzt seinen Pool von Mai bis November

Ja, das ist ein echter Steffens! Der Früh-Sportler nutzt seinen Pool von Mai bis November. Aus dem Wasser-Läufer ist inzwischen ein konsequenter Aqua-Fitness-Fan geworden. Steffens: „Meine Kinder haben mir Equipment geschenkt, das ich im Wasser nutze.“ Der Saison-Sportler versichert: „Im letzten Jahr war ich am 10. November zuletzt hier im Wasser. Es hatte neun Grad Celsius.“ Danach gibt es Frühstück. Steffens Frau Brigitte komplettiert den Tisch für die beiden, den Steffens „bereits am Vorabend zumindest mit dem Auflegen von Besteck und Geschirr“ vorbereitet.

Für das Frühstück der Steffens sind aufgebackene Brötchen und Honig Pflicht, allerdings muss ein bestimmter Honig sein. Papa Joachim klärt es auf: „Wir essen den Honig, den wir von unserer kleinen Tochter Corinna bekommen. Sie hat drei Bienenvölker. Es ist aber auch eine Menge Arbeit, ehe wir das herrliche Produkt auf dem Tisch haben dürfen. Wenn wir mal mehrere Tage wegfahren, nehmen wir unseren eigenen Honig mit, um auch das Frühstück in der Fremde tatsächlich genießen zu können.“

Der Genuss-Mensch

Steffen, der Genuss-Mensch – bis 2011 gehörte auch die tägliche Arbeit als Trainer zu diesen von ihm derart geschätzten Erlebnissen. Heute dominiert eine Ehrlichkeit, die sich Steffens erarbeitet hat: „Ich habe meinen Fußball geliebt. Nein, ich wöllte heute kein Trainer mehr sein. Es ist zu viel Kommerz geworden. Es gibt zu viele Verbote. Da ist mir vieles einfach zu blöd. Es gibt viele Dinge, die mich stören. Da rege ich mich ja schon auf, wenn ich lediglich ein Spiel im Fernsehen schaue.“

„Nein, ich will heute kein Trainer mehr sein. Es ist zu viel Kommerz geworden.“

Er nennt ein Beispiel, das die für ihn fehlerhafte Entwicklung sehr gut darstellt: „Wenn ich einen SpielAer ausgewechselt habe, hatte das Gründe der Taktik, den Grund einer Verletzung, den Grund einer schlechten Leistung oder den Grund, dass sich der Spieler für eine großartige Leistung von den Fans feiern lassen sollte. Heute sind Spieler regelrecht beleidigt, wenn sie vom Feld müssen. Nö, das hätte es bei mir nicht gegeben.“

Steffens ist von manchen Auswüchsen des Fußballs aktuell so genervt, dass er das dann zu Hause auch in gebotener Lautstärke mitteilt. Er gesteht: „Da wird zu spät ein Abseits angezeigt. Die haben neue Regeln dazu eingeführt. Da gibt es viele Neuerungen, die den Fußball, die mir den Fußball, wie ich ihn liebe, entfremden. Ich habe schon früher viel gemeckert, weshalb ich vor manchem Sportgericht saß. Aber das, was heute so passiert, das würde mich umbringen.“

Manchmal vermisst er seine Mannschaften

Steffens vermisst die Jungs, mit denen er gearbeitet hat, die Mannschaften, die Vereine, denen er seine Energie, seine Kraft sowie seine fordernde und fördernde Art des Miteinanders gegeben hat. Marco Rose (48) ist einer dieser Jungs. Steffens sagt: „Rosi ist bei Lok Trainer gewesen, danach war in Salzburg, bei Mönchengladbach und in Dortmund. Dann wollte RB ihn haben. Ich war all die Zeit doch schon ziemlich stolz auf den Jungen. Und es macht mich auch jedes Mal traurig, wenn er den Stuhl vor die Tür gesetzt bekommt.“

Steffens und Rose tauschen sich gelegentlich aus, der Kontakt ist über die vielen Jahre nie abgerissen. Der Trainer Steffens: „Marco und seinen Kumpel Görks (Thorsten Görke/d.Red.) kannte ich, seit die beiden zu Lok gekommen waren. Die Väter der beiden, die ich gut kannte, hatten mich damals zur Seite genommen und gesagt, dass das gute Jungs wären. Würde man mit ihnen arbeiten, würde auch was draus. Ich versprach, dass ich genau das machen werde.“

Eigene Spiel-Philosophie entwickelt

Steffens hielt das Versprechen. Rose und Görke waren für viele Spiele tragende Persönlichkeiten einer Spiel-Philosophie, die der Trainer mit seinem Co Jörg ´Emu´ Engelmann gemeinsam mit den Jungs für die Mannschaft entwickelt hatte. Damals hatte Steffens vom Zuhause im Neubaublock in Lößnig bis zum Trainingsplatz im Bruno-Plache-Stadion eine Fahrrad-Strecke von weniger als einem Kilometer zu bewältigen.

Übrigens Steffens und Engelmann sind heute Nachbarn, viel weiter entfernt von den Arbeitsplätzen Leipziger Fußball-Vereine, im Rötha-Ortsteil Oelzschau. Die Steffens leben seit 2000 in dem kleinen Ort, das gut 600 Einwohner zählt. Steffens weiß: „Seit ich keine Aufgabe dieser Dimension mehr habe, werden meine Tage länger. Das dauert manchmal, ehe so eine Stunde vergeht.“ Die Zeit vertreiben – das gelingt spielend, wenn die Töchter Tanja und Corinna mit drei Enkeln und drei Urenkeln zu Besuch sind. Das gelingt nach 52 gemeinsamen Ehe-Jahren mit seiner Brigitte, weil er die Begeisterung für seine Frau jeden Tag aufs Neue entdeckt.

Da ist Steffens kein Taktiker, da ist er ehrlich und gerad raus. Wenn er seine Brigitte liebevoll imitiert, wie sie ihm den Gebrauch der Spülmaschine erklärt hat. Wenn er seine liebe Frau einfach mal vermisst, denn Achim ist allein zu Hause, als der SachsenSonntag die zweite Audienz erhielt.

Der Heim-Solist: „Brigitte ist mit ehemaligen Arbeitskolleginnen für ein paar Tage zum Relaxen in Bad Schlema. Das machen sie seit mehreren Jahren so. Das tut gut so etwas, das muss man haben. Ich habe ja auch den einen oder anderen Stammtisch mit ehemaligen Spielern und Trainern.“

Das Weltgeschehen macht ihn nachdenklich

Wenn die Zeit Stillstand suggeriert, fliegen die Gedanken schneller, weiter. Steffens treibt um, was in der Welt passiert. Er wiegt den Kopf hin und her: „Ob das alles so sein muss? Ob das alles gut ist? Zum Glück bekommen wir mit unseren Kindern, Enkeln und Urenkeln einige neue Dinge ganz direkt mit und manchmal auch erklärt.“

Für Oelzschau hat Steffens zum Beispiel diese Entwicklung ausgemacht, die ihn unzufrieden zurücklässt: „Die Seenlandschaft in der Umgebung ist erschlossen, deshalb haben hier Grundstücke, die Region überhaupt und eine enorme Aufwertung erfahren. Aber in unserem Ort gibt es keinen Laden mehr, der Fleischer hat im letzten Jahr dicht gemacht. Eine Gaststätte gibt es auch nicht mehr. Das ist traurig.“

Wenn Steffens von den Ärzten wieder von der Leine gelassen wird, gibt es auch wieder Wassersport und andere freudvolle Ertüchtigung. Er erinnert sich amüsiert auch daran: „Ich war früher aktiver. Da bin ich mehrere Stunden mit dem Rad gefahren, etwa zum Pilze sammeln. Da habe ich aber dann mehr mein Fahrrad gesucht, als Pilze. Das hatte ich irgendwo abgestellt und bin auf der Pilzsuche vom Weg abgekommen.“

Das Fahrrad gibt es noch, mit dem er 1999 zum Training gefahren ist. Dar praktizierte Sportprogramm nach ärztlicher Genehmigung wird so ausfallen, Steffens zählt auf: „40 Liegestütze mache ich, 30 mal Rumpfbeugen. Ach, die Dinger heißen ja heute Situps. Die mache ich aber im weichen Bett, da strengen die noch mehr an.

Das habe ich vor der Operation so gemacht. Das mache ich dann auch weiter so. Ich bin doch immer noch ein bisschen eitel. Meine Töchter sagen, dass ich das sein darf, aber dass ich auch 75 Jahre alt sein darf. Mit allen Begleiterscheinungen, die so ein Alter eben mit sich bringt. Alles gut so, wie es ist, sie haben ja sowieso immer recht bei mir.“ Lars Preußer

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