Er setzt bei der dritten Säule der Bürgerbeteiligung am Haushalt auf die Kreativität und den Realitätssinn der Leipzigerinnen und Leipziger: Finanzbürgermeister Torsten Bonew. Foto: André Kempner

Leipzig. Im April hatte der Leipziger Stadtrat den Weg für die dritte Säule der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am kommunalen Haushalt freigemacht: Für den anstehenden Doppelhaushalt 2023/24 gibt es erstmals die Möglichkeit, im Rahmen eines „Bürgerhaushaltes“ eigene Ideen und Visionen einzubringen, die sich dann in einer „Top Ten“ im Stadthaushalt wiederfinden werden. Im Interview erläutert Finanzbürgermeister Torsten Bonew das weitere Vorgehen im Bürgerbeteiligungsverfahren.

Nach dem Stadtbezirksbudget folgt nun die so genannte dritte Säule der Bürgerbeteiligung am Leipziger Stadthaushalt – was bedeutet dies?

Torsten Bonew: Es war ein langer Weg: Wir haben in der Vergangenheit viele Formate der Bürgerbeteiligung ausprobiert und weder Verwaltung noch Stadtrat waren wirklich zufrieden. Im Jahr 2019 tauchte die Idee mit den drei Säulen auf: Die erste Säule ist das klassische, gesetzlich vorgeschriebene Beteiligungsverfahren am städtischen Haushalt. Die zweite Säule sind die Stadtbezirksbudgets, die im vergangenen Jahr zu einem großen Erfolg wurden. Und die deshalb natürlich auch weiterhin unverändert fortgesetzt werden. Die dritte Säule geht nun eine Ebene höher – hier geht es um die Frage: Was wollen die Leipzigerinnen und Leipziger für die gesamte Stadt? Welche Vorhaben sollen da angegangen und umgesetzt werden? Es geht jetzt um Projekte, die für die gesamte Stadt Leipzig sind. Deshalb gibt es für den „Bürgerhaushalt“ auch keine finanzielle Obergrenze. Ganz wichtig: Diese drei Säulen funktionieren nur gemeinsam.

Die dritte Säule der Bürgerbeteiligung nimmt also die strategische Stadtentwicklung zum Thema: Haben Sie schon eine Vorstellung, welche Vorschläge von den Leipzigerinnen und Leipzigern kommen könnten?

Nun, ich könnte mir beispielsweise gut vorstellen, dass sich viele Vorschläge um den schulischen Bereich drehen. Aber es gibt so viele Themen: Die Gestaltung von Parkanlagen ebenso wie um Bus- und Tramlinien oder eine neue Wegeverbindung. Generell glaube ich, dass die Vernunft und die Kenntnisse der Bürgerinnen und Bürger über die Machbarkeit von Projekten wesentlich ausgeprägter ist als man manchmal in der Verwaltung denkt. Da genügt ein Blick auf die Erfahrungen mit den Stadtbezirksbudgets: Sowohl die Quantität als auch die Qualität der eingereichten Vorschläge war bemerkenswert. Diese Erfahrungen haben meine Skepsis zum Thema Bürgerbeteiligung – die schon vorhanden war, das gebe ich zu – inzwischen gen Null gehen lassen.

Wie soll das neue Bürgerbeteiligungsverfahren konkret ablaufen?

Aktuell ist eine neue Landingpage unter www.leipzig.de/bürgerhaushalt im Internet geschaltet: Hier können die Bürgerinnen und Bürger in den kommenden sechs Wochen bis zum 21. Juni ihre Vorschläge und Ideen einreichen. Im Anschluss wird die Verwaltung alle eingereichten Ideen prüfen. Für mich ist dies ohnehin grundsätzlich eine Selbstverständlichkeit: Es muss bei allen Vorschlägen ein ehrliches Feedback geben. Danach beginnt die Abstimmungsphase.

Wie soll diese aussehen?

Eines vorweg: Die Möglichkeit einer Manipulierung und Instrumentalisierung soll möglichst ausgeschlossen werden. Deshalb werden 15000 Leipzigerinnen und Leipziger aus dem Melderegister ausgewählt, die an der Online-Abstimmung vom 27. Juli bis 16. August teilnehmen werden – natürlich wird darauf geachtet, einen Querschnitt durch die gesamte Vielfalt der Stadtbevölkerung abzubilden. Danach steht am 24. August eine Bürgerkonferenz an, deren Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter den gleichen Gesichtspunkten aus dem Melderegister ausgewählt werden. Die Idee: Hier können Leipzigerinnen und Leipziger selbst die Rolle des Stadtrats übernehmen: Die einzelnen Projekte werden vorgestellt, dann muss darüber abgestimmt werden. Letztlich werden die Ergebnisse der Online-Abstimmung und der Bürgerkonferenz zu jeweils 50 Prozent gewichtet, um eine Top Ten von Bürgervorschlägen zu erstellen, die dann in den Doppelhaushalt 2023/24 aufgenommen werden sollen.

Klingt nach einem aufwendigen Verfahren …

Das haben wir bewusst gewählt. Wie gesagt: Es geht zum einen um Prüfbarkeit – wir müssen wissen, dass es beispielsweise auch wirklich Torsten Bonew ist, wenn er sich zur Online-Abstimmung anmeldet. Und kein Fake-Account. Andererseits wollen wir erreichen, dass es nicht um Partikularinteressen geht, sondern die Projekte eine Herzensangelegenheit für ganz Leipzig ist. Zu guter Letzt steht schon jetzt fest, dass wir den Prozess im Nachgang noch einmal unter die Lupe nehmen, um Verbesserungen vornehmen zu können.

Was erhoffen Sie sich von der neuen, der dritten Säule der Bürgerbeteiligung am Stadthaushalt?

Zum einen ist es ein Aufruf an die Leipzigerinnen und Leipziger: Ihr könnt schon jetzt an der Aufstellung des Haushalts mitwirken. Und andererseits ist eine positive Stimmung in unserer Stadt wichtig: Ja, es lohnt, sich auf demokratischen Weg einzumischen. Deshalb halten wir uns mit Beschränkungen sehr bewusst zurück: Es gibt keine Obergrenzen in finanzieller Hinsicht – die Vorschläge müssen lediglich im Einklang mit den Beschlüssen des Stadtrats stehen. Letztlich bin ich mir sicher, dass wir zehn gute Vorschläge für den neuen Doppelhaushalt bekommen werden. Und das wir diese dann auch umsetzen. Jens Wagner

Informationen: www.leipzig.de/bürgerhaushalt

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here