Für jeden Spaß zu haben: Künstler Matthias Garff inmitten seiner kleinen Vogel-Skulpturen. Foto: Andreas Neustadt

Matthias Garff wühlt in einer Kiste mit Bonbonpapier, Kronkorken, Plasteverschlüssen und anderen kleinen Abfallprodukten. Und dabei ist er ganz in seinem Element. Denn für den Leipziger Künstler sind diese Dinge nicht etwa Müll, sondern wertvolle Materialien für seine Kunstwerke. „Ich baue daraus kleine Insekten, die dann zum Beispiel in einem Insektenkasten ihren Platz finden“, erklärt er und hält wenig später zum Beweis einen solchen Insektenkasten mit farbenfrohen Käfern und Libellen aus Kronkorken, Bonbonpapier und anderen Plasteabfällen in der Hand. Fixiert hat er diese mit Draht.

„Mich haben die Natur und ihre Artenvielfalt schon immer fasziniert. Leider hat die Zahl der Insekten in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen. Man findet in der Natur inzwischen fast mehr Müll als Insekten, das ist erschreckend. Der Müll ist für mich ein dankbares Material, er kostet nichts und ist überall zu finden.“ Außerdem schafft der Künstler auf diese Weise unverwechselbare Kunstwerke, die keine zusätzlichen Ressourcen kosten.

„Konferenz der Tiere“

Doch Matthias Garff baut nicht nur ganz kleine Objekte, er baut auch ganz große. Und auch diese stehen im Zeichen der Artenvielfalt. So baut der Wahl-Leipziger bis zu mehrere Meter große Vögel, seine zweite große Vorliebe neben den Insekten, und nutzt dafür ebenfalls „verschiedenste Fundmaterialien“. So besteht der Schnabel einer überdimensionalen Kohlmeise aus einem alten Gummistiefel oder der Kopf eines weiteren Vogels aus einem alten, ausrangierten Bügeleisen.

Wer sich von den künstlerischen Arbeiten des gebürtigen Schweizers überzeugen will, kann das derzeit unter anderem auf Schloss Rochsburg bei der Ausstellung „Konferenz der Tiere“. Die war ursprünglich bis zum 19. Juli geplant, wurde wegen der Corona-Pause aber vor Kurzem bis zum 30. August verlängert. In der Ausstellung stellt er seine überdimensionalen Tierskulpturen aus. Neben den Vögeln sind hier unter anderem auch Affen, Katzen und natürlich auch allerlei Insekten zu sehen. Die Ausstellung ist nach dem Bestseller von Erich Kästner „Die Konferenz der Tiere“ benannt. In dem Roman berufen die Tiere eine Konferenz ein, um den Frieden unter den Menschen durchzusetzen. Ein Thema, das in der Zeit von „Fridays for Future“ und ständig sinkender Artenvielfalt aktueller denn je ist. Viele seiner großen und kleinen Skulpturen stehen auch in seinem Atelier in Leipzig-Eutritzsch – und es werden wöchentlich mehr. Neben der aktuellen Ausstellung auf Schloss Rochsburg beteiligt sich der 34-Jährige ab Juli auch an einer Ausstellung im Botanischen Garten in Leipzig zum Thema „Bestäubung“. Dabei stellt er zwei Insektenkästen zur Verfügung.

Ansonsten erlebt Matthias Garff wie die meisten anderen Künstler „ein ziemlich ruhiges Jahr“. Weil aber das letzte Jahr gut lief und er einiges ansparen konnte, ist die coronabedingte Ruhe „kein Problem“ – im Gegenteil. „Im letzten Jahr haben sich die Ausstellungen gehäuft, das war recht anstrengend. Deshalb genieße ich jetzt diese Ruhe. Ich finde diese Entschleunigung unheimlich positiv.“ Seit einigen Monaten ist der junge Künstler in der Berliner Galerie Tammen & Partner vertreten – eine Tatsache, die er als seinen Durchbruch bezeichnet. „Seitdem kann ich tatsächlich von meiner Kunst leben. Wichtig ist, dass man als Künstler seinen eigenen Weg findet und diesen auch immer weiter verfolgt. Diesen Weg habe ich für mich gefunden. In der Galerie fühle ich mich sehr gut aufgehoben“, sagt er sichtlich stolz.

Dass sich die Galerie in Berlin befindet, ist für Matthias Garff aber längst kein Grund, seinen Lebensmittelpunkt in die Hauptstadt zu verlagern, auch wenn sich die Galerien in der Leipziger Kunstszene eher auf die Malerei fokussieren und man als Skulpturenkünstler eher eine Ausnahme ist. „Ich möchte gern hier bleiben. Ich fühle mich hier sehr wohl. Außerdem höre ich immer wieder von Freunden und Kollegen, wie schwer die Situation für Künstler in Berlin unter anderem bei der Suche nach einem Atelier ist.“ Bereits in seiner Kindheit entdeckte er seine Liebe zur Kunst. Vielfalt war ihm als Sohn eines argentinischen Vaters und einer deutschen Mutter bereits in die Wiege gelegt. „Ich hab schon damals immer gern gezeichnet und gebastelt“, erinnert er sich an seine Kindheit in der Schweiz. Als er zehn Jahre alt war, zog die Familie in die Nähe von Göppingen. Nach dem erfolgreichen Abitur zog es ihn zum Studium an die Hochschule für Bildende Künste nach Dresden. „Das Studium war für mich eine unheimlich spannende Zeit – auch über die Kunst hinaus. So etwas wie Brachgelände oder leer stehende Gebäude gab es zum Beispiel in Göppingen nicht.“

Zu Beginn des Studiums beschäftigte sich Matthias Garff fast ausschließlich mit der Malerei. Irgendwann habe ihn das aber nicht mehr interessiert und er fing an, sich mit den unterschiedlichsten Materialien zu beschäftigen. Schon damals durchsuchte er sein Umfeld nach „Materialien der Wegwerfgesellschaft“, um diesem mit seiner Kunst neues Leben einzuhauchen. „Die Sachen, die ich verwende, haben alle schon Gebrauchsspuren. Das macht den Reiz dieser Materialien aus.“ Dabei blickt er auch gern über den künstlerischen Tellerrand hinaus. Das eigene Interesse an der Natur inspiriere ihn immer wieder zu neuen Skulpturen. Ein Problem haben seine Skulpturen derzeit allerdings noch: Sie sind nicht witterungsbeständig. Um dies zu ändern, experimentiert der Leipziger Künstler derzeit mit verschiedenen Materialien. „Es wäre schön, meine Skulpturen irgendwann auch mal in Gärten zu sehen“, blickt er voraus. Schließlich hätte er dann für seine Kunstwerke auch keine Größenbeschränkung mehr.

Ein echtes Ausstellungs-Highlight wartet im Frühjahr 2021 auf Matthias Garff. Dann präsentiert er seine Kunstwerke im Rahmen des Ausstellungsprojektes „Connect Leipzig #2“ im Erdgeschoss des Museums der bildenden Künste in einer einmonatigen Einzelausstellung. Die Vorfreude darauf ist ihm deutlich anzusehen. „Das wird meine erste Museumsausstellung, das wird richtig toll. Darauf freue ich mich schon sehr.“

Der typische Sonntag beginnt für Matthias Garff und seine Freundin mit einem ausgiebigen
Frühstück. Oftmals steht danach noch der eine oder andere Ausflug in den Park mit Freunden auf dem Plan. Oftmals geht er aber auch am letzten Tag der Woche für einige Stunden ins Atelier, um neue Skulpturen zu kreieren. Die typische Wochenend- Erholung habe er – zumindest momentan – gar nicht nötig. „Durch Corona hab ich in den letzten Wochen etwas meinen Wochenrhythmus verloren. Deshalb kommt mir manchmal jeder Tag wie ein Wochenendtag vor. Ich bin aktuell tatsächlich ziemlich entschleunigt“, sagt er mit einem Lächeln. Andreas Neustadt

www.garff.de

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