Lust auf Leben nach einer schwierigen Trauerphase: Martina und Horst. Foto: PICTURE POINT/ Kerstin Dölitzsch

Auf einmal war mitten im Alltag alles anders: Martina (62) verlor ihren Mann durch eine Krebserkrankung. Horst (63) pflegte seine Frau nach der Diagnose Krebs bis zum Tod. In dieser emotionalen Trauerphase begegneten sich die beiden. Und aus der Schicksalsgemeinschaft wuchs eine neue Liebe.

Wenn Martina und Horst durch Leipzig bummeln, genießen sie jeden Augenblick. Meistens halten sie sich dabei gegenseitig fest, um den anderen zu spüren. Es ist diese Mischung aus Verlustangst und Vertrauen. Denn beide sind schon einmal durch die Hölle gegangen und wissen, wie zerbrechlich Partnerschaft sein kann. Die späte Liebe hat ihre eigenen Gesetze. Kleine Ärgernisse bleiben klein, Positives wiegt doppelt. Mit dieser Einstellung lebt das Paar zusammen, bewältigt den Alltag und bricht auch mal ganz gern aus ihm aus. Nichts aufschieben. Denn es weiß, dass später zu spät sein kann.

Bei Martina brach ihre bis dahin heile Welt zusammen, als ihr Mann die Diagnose Rachenwandkrebs erhielt. „Ich pflegte ihn zwei Jahre lang rund um die Uhr zu Hause“, erinnert sie sich an die schwere Zeit. „Als er mit 60 Jahren für immer die Augen schloss, stand ich allein auf weiter Flur.“ Die Krankheit und ihre Folgen machten einsam, Freunde hatten sich längst verabschiedet. Sie wollten den kräftezehrenden Überlebenskampf nicht aus der Nähe miterleben.

Das musste auch Horst erfahren, der bei seiner Ehefrau mit der Diagnose Magenkrebs konfrontiert wurde. „Wir hatten nach der ersten OP noch so große Hoffnungen. Doch nach einem Jahr war klar, dass der Krebs schon überall im Körper Metastasen gebildet hatte“, denkt Horst zurück. Er begleitete seine Frau bis zum Tod. „Das war ein absoluter Ausnahmezustand, der an Herz und Nieren ging.“ Und weil sein Herz zunehmend schwerer wurde, begann der Manager, sich freizuschreiben. Er suchte Gleichgesinnte und fand sie im Selbsthilfeverein „verwitwet.de“.

Im gleichnamigen Internetportal stieß er auf Martina, die ebenfalls dort Trost und Rat suchte. Sie schrieben sich die Trauer von der Seele, weinten bei den erschütternden Berichten des jeweils anderen. „Und ich spürte, dass wir auf einer Wellenlänge liegen“, erzählt Martina. Schließlich trafen sie sich.

„Als ich diesen großen Mann mit Manieren sah, wusste ich: Das ist mein Prinz auf dem Schimmel. Ich hatte sofort Vertrauen zu Horst“, schwärmt sie noch heute. Er wurde ihr Herz-Kraftwerk. Auch Horst war von Martina fasziniert und spürte: Das ist sie. Stundenlang redeten sie über das Leben, das doch manchmal so ungerecht sein kann.

Nur eine Woche nach der ersten Begegnung zogen Martina und Horst zusammen. Sie wollten keine Zeit mehr verlieren. Seitdem sind sie ein Paar. „Am Anfang waren wir noch oft zu viert“, bemerkt Horst und meint damit die verstorbenen Partner. „Wir erinnerten uns gemeinsam an Erlebnisse, Entdeckungen, Anekdoten.“ Aber nach und nach verblassen die Bilder. Die neue glückliche Zweisamkeit prägt.

Die Leipziger haben noch viel vor und achten nun stärker darauf, das zu machen, worauf sie Lust haben. Tanzen zum Beispiel. „Horst ist ein sehr guter Standardtänzer“, lobt Martina ihren Partner und verspricht, mit ihm öfter eine Sohle aufs Parkett zu legen. Und weil Martina eine exzellente Schwimmerin ist, will er nun mehr Bahnen mit ihr ziehen.

Thomas Gillmeister

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