Alisa Fatum beim Training am Kulkwitzer See. Hier wird sie immer von ihrer Mutter begleitet. Foto: Christian Modla

Leipzig. Strahlender Sonnenschein, blauer Himmel, 12 Grad Celsius – das ist ideales Wetter für einen gemütlichen Herbstspaziergang entlang des Kulkwitzer Sees. An einen Sprung ins kühle Nass denkt man bei diesen Temperaturen im November allerdings nicht unbedingt. Schließlich sehen angenehme Badetemperaturen anders aus. Für Alisa Fatum ist das kein Problem, für sie gehört das zum wöchentlichen Trainingsprogramm. Die Leipzigerin ist die beste Eisschwimmerin der Welt und hält auch noch den Weltrekord über die 1000-Meter-Strecke. Für die Schwimmerin vom SSV Leutzsch ist das zehn Grad kalte Wasser sogar fast noch zu warm. Die 26-Jährige ist als Eisschwimmerin zumindest im Wettkampf deutlich kälteres Wasser gewöhnt. „Bei uns darf das Wasser maximal 4,9 Grad Celsius warm sein. Ab 5 Grad gelten die geschwommenen Zeiten nicht. Weltrekorde kann man zum Beispiel nur unter 5 Grad schwimmen“, erklärt die Leipzigerin lächelnd.

Bei deutlich niedrigeren Temperaturen holte sich Alisa Fatum bei den Weltmeisterschaften vor zwei Jahren im russischen Murmansk den Titel über 1000 Meter. Den will sie im Februar in Polen verteidigen „Hoffentlich findet die WM statt. Ich bereite mich auf jeden Fall gut darauf vor und will wieder Weltmeisterin werden“, blickt sie angesichts der aktuell grassierenden vierten Corona-Welle kämpferisch voraus. Mit den Ice Swimming German Open, die Anfang Januar in Veitsbronn stattfinden sollten, wurde bereits das erste Highlight des Winters wegen der Corona-Einschränkungen abgesagt. An den Wettkampf in der Nähe von Nürnberg hat Alisa Fatum nur die besten Erinnerungen. Schließlich absolvierte sie hier im Januar 2019 ihren ersten offiziellen Eisschwimm-Wettbewerb – und holte sich auf Anhieb den Sieg – in der Weltrekordzeit von 12:48 Minuten. Mit dieser Zeit ist sie noch immer die Schnellste der Welt. Nur zwei Monate später stand die sympathische Leipzigerin bei der WM in Russland ganz oben. Neben der Goldmedaille über 1000 Meter holte sie sich bei ihrem WM-Debüt auch noch den Titel mit der Mixed-Staffel, zwei Silbermedaillen über 50 Meter Freistil und 50 Meter Schmetterling sowie den Sieg im Weltcup über 500 Meter Freistil. Die Erinnerungen an ihren bisherigen Karriere-Höhepunkt sind nach wie vor allgegenwärtig. „Das war schon etwas ganz Besonderes, was ich nie vergessen werde“, schwärmt sie noch immer von dem ganz besonderen WM-Flair: „Die haben ein richtiges Schwimmbecken in einen zugefrorenen See gesägt. Auf den 1000-Metern wurde ich die ganze Zeit verfolgt. Ich musste wirklich alles geben. Das hat aber auch geholfen – die Kälte ist mir dadurch nicht mehr so aufgefallen. Am Ende habe ich nur angeschlagen und bin sofort aus dem Becken. Ich habe keine vier Sekunden mehr warten können, alles hat gekribbelt.“ Im vergangenen Jahr kam in Slowenien bei der WM im Winterschwimmen (Bei Wassertemperaturen ab vier Grad Celsius spricht man vom Winterschwimmen) über die gleiche Strecke WM-Gold hinzu – in Weltrekordzeit. Bei ihren Wettkämpfen und im Training wird Alisa Fatum stark von ihren Eltern unterstützt. Mutter Petra ist meist bei den Trainingseinheiten dabei, Vater Chris unterstützte sie unter anderem bei der WM in Russland vor Ort. Beim Training und bei ihren Wettkämpfen neben dicker Jacke, Handschuhen, Badekappe und Sicherungsboje ebenfalls immer mit dabei: ihre roten Stricksocken. „Die hat mir meine Oma gestrickt. Das sind meine Glückssocken.“

Natürlich gibt es beim Schwimmen im eisigen Wasser einiges zu beachten, erklärt Alisa Fatum. Wichtig sei es, nie allein zu trainieren. Außerdem sollte man langsam ins Wasser laufen, um sich schrittweise an das kalte Wasser zu gewöhnen, und zuerst Arme und Beine sowie die Herzregion nass machen. Um sich nach dem Schwimmen so schnell wie möglich wieder aufwärmen zu können, sollte man sich Handtuch und Kleidung – inklusive Mütze und Handschuhe – vor dem Gang ins kühle Nass griffbereit zurechtlegen. Neben dem Spaß am Schwimmen und dem Stolz, den eigenen Schweinehund im kalten Wasser immer aufs Neue überwinden zu können, hat das Eisschwimmen für Alisa Fatum einen weiteren großen Vorteil: „Eisschwimmen härtet ab und ist damit gut für die Abwehrkräfte. Ich werde nicht so oft krank“, sagt sie lächelnd. Aber wie wird man denn zum Eisschwimmer? „Man muss bereits im Sommer anfangen und dann jede Woche mindestens einmal an den See fahren. So gewöhnt man sich schrittweise an die immer niedriger werdenden Wassertemperaturen“, erklärt die ehrgeizige Leipzigerin, die vor drei Jahren mit dem Eisschwimmen begonnen hat und bereits seit 15 Jahren als Schwimmerin beim SSV Leutzsch aktiv ist: „Im Laufe der Jahre bin ich immer mehr zur Langstreckenschwimmerin geworden. Irgendwann wollte ich unbedingt das ganze Jahr im Freiwasser durchschwimmen.“

Natürlich gebe es im Winter auch immer mal Tage, an denen sie sich fragt: „Warum tue ich mir das an.“ Aber bislang konnte sie den inneren Schweinehund immer überwinden. Neben der wöchentlichen Trainingseinheit im „Kulki“, trainiert sie auch noch fünf bis sechsmal in der Woche in der Schwimmhalle – jeweils 1,5 bis zwei Stunden. Auch im warmen Wasser ist Alisa Fatum durchaus erfolgreich. 2014 holte sie bei den Deutschen Jahrgangsmeisterschaften im Freiwasser die Bronzemedaille mit der Staffel und die Silbermedaille im Einzel. Außerdem ist sie im Freiwasser bei Sächsischen Meisterschaften nach wie vor ungeschlagen.

Auch außerhalb des Wassers dreht sich bei der gelernten Physiotherapeutin vieles um den Sport. Ihr Studium der Sportwissenschaften im Bereich Prävention und Rehabilitation liegt in den letzten Zügen. Aktuell schreibt sie an ihrer Magisterarbeit. Außerdem schaut sie gern auch immer mal wieder über den sportlichen Tellerrand hinaus. Unter anderem ist sie Mitglied beim traditionsreichen 1. FC Lok Leipzig. Für weitere Hobbys bleibt da – zumindest aktuell – nicht viel Zeit. Schließlich will sie auch noch ein wenig Zeit mit ihrem Partner Martin verbringen. Andreas Neustadt

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