Am vergangenen Wochenende feierten Finja und ihre Eltern Kathrin Kirchhübel und Christian Jahr den Schulanfang. Foto: PICTURE POINT/Kerstin Dölitzsch

Schulbeginn für das kleine Mädchen mit dem großen Herzen. Obwohl Finja (6) durch die Erbkrankheit spinale Muskelatrophie nie laufen lernen wird, macht sie nun die ersten Schritte in der Schule. Ihre Eltern Kathrin Kirchhübel (34) und Christian Jahr (36) aus Borna kämpften darum, dass ihre aufgeweckte Tochter in einer Grundschule lernt.

Finja konnte ihren nordischen Namen schon schreiben, bevor sie in die Schule kam. Die Eltern kauften der Tochter auf dem Flohmarkt eine gute alte Tafel von anno dunnemals, auf der sie daheim in ihrem Prinzessinnenzimmer ungestört mit Kreide übte. Das Mädchen ist gerade erst sechs Jahre alt geworden. „Aber Finja konnte es kaum erwarten, in die Schule zu kommen“, freut sich Mutter Kathrin. Sie ist so stolz auf ihre Kleine, die heute keinerlei Berührungsängste kennt. Mit ungeheurer Energie und einer Riesenportion Neugier entdeckt der Wirbelwind im kleinen Elektrorollstuhl die Welt und das Klassenzimmer. Dabei gibt Finja oft mehr Gas als nötig, sprudelt über vor Emotionen. Ganz so, als wenn sie ausgleichen möchte, dass sie nie auf eigenen Beinen stehen kann.

Mit dieser bitteren Wahrheit wurden ihre Eltern konfrontiert, als sie bemerkten, dass ihre Tochter einfach nicht zu laufen begann. „Als wir die Diagnose spinale Muskelatrophie erhielten, zog sie uns erst einmal den Boden unter den Füßen weg“, erinnert sich Kathrin Kirchhübel. Sie sah in Gedanken ihr geliebtes Wunschkind krank vereinsamen. In Deutschland leben rund 5.000 Betroffene mit der Erbkrankheit. Sie sind stets auf Hilfe angewiesen, weil ihre Muskelfunktionen immer schwächer werden. Nachdem Finjas Eltern sich über die seltene Form des Muskelschwunds informiert hatten, nahmen sie den Kampf auf.

Hilfe finden sie bei der Deutschen Muskelstiftung in Karlsruhe. Dort informieren sich die zwei Sachsen auch über neueste Forschungsergebnisse. So erhält Finja seit diesem Jahr in der Universitätsmedizin Göttingen regelmäßig ein gerade zugelassenes Medikament, das den Muskelschwund zumindest stoppen soll. „Das wäre schon ein Riesenfortschritt“, meint Mutter Kathrin hoffnungsvoll. Ihre dunklen Gedanken von einst sind inzwischen längst verflogen und wurden von ihrem Sonnenschein geradezu weggeschoben.

Überall wo Finja auftaucht, erobert sie mit ihrer offenen Art die Herzen im Sturm. Nun konzentriert sie sich auf die Schule, in der sie gleichberechtigt zusammen mit 22 anderen Kindern in einer Klasse integriert ist. Dort hat die kleine Schülerin im Rollstuhl eine ausgebildete Begleiterin an ihrer Seite, die ihr zur Hand geht, wenn es schwierig wird. Zwar besucht die fidele Finja erst die 1. Klasse, doch weiß das Mädchen schon genau, was es einmal werden möchte. „Ich mache zusammen mit einer Freundin einen Friseurladen nur für Kinder auf“, kündigt sie an und lernt nun aber erst einmal das Abc des Lebens.

Thomas Gillmeister

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