Lebensfreude trotz Handicap: Blindenfußballerin Britt Kannegießer. Foto: PICTURE POINT/Kerstin Dölitzsch

Die Augen sind ihr großes Handicap. Grauer und grüner Star sowie Augenzittern lassen Britt Kannegießer (41) nur schwach sehen. Trotzdem hat sie vollen Durchblick in ihrem Leben. Auf dem Rasen ist sie sogar als Stürmerin ganz vorn mit dabei. Denn sie spielt Blindenfußball beim 1. FC Lok Leipzig.

So ein Fußball-Match ist für Britt das reinste Hörspiel. Sie muss in einem Chorkonzert von Stimmen ihre Taktik wählen. Aus dem speziell präparierten Ball klingen laute Rasseln, die sehenden Trainer und Torwarte geben Kommandos, die blinden Spieler rufen, dass sie angreifen. In diesem Geräusch-Gewirr läuft Britt zur Höchstform auf. Sie setzt sich mit Ausdauer, Geschick und trainierter Technik gegen ihre zumeist männlichen Spieler durch.

Frauen im Blindenfußball, der in Deutschland erst seit 2006 gespielt wird, sind noch selten. „Angst vor blauen Flecken darf man natürlich nicht haben“, meint die burschikose Britt, die sich schon ihr Leben lang durchsetzen musste. „Ich wuchs mit vier Geschwistern auf. Da musste ich mich behaupten“, denkt der Zwilling zurück.

Von Geburt an kann die Leipzigerin nur eingeschränkt sehen. Seit einem Jahr ist sie deshalb berentet. Doch zu Hause rumsitzen ist nicht ihr Ding. Von klein auf spielt sie gern Fußball. Eine Leidenschaft, die sie mit ihrem Ehemann Falko (43) teilt. Er ist ebenfalls stark sehbehindert und berentet. Seit über 20 Jahren sind sie ein Paar.

Als der 1. FC Lok Leipzig 2014 begann, eine blinde Fußballmannschaft aufzubauen, waren Britt und Falko gleich mit dabei. Während er sich auf die Abwehr spezialisierte, ist seine 1,65 Meter kleine Frau die Stürmerin.

Gespielt wird nach anderen Regeln als im Fußball der Sehenden. Jeweils fünf Spieler treten im zweimal 25-Minuten-Match gegeneinander an. Das Spielfeld ist wesentlich kleiner: 40 Meter lang und 20 Meter breit. Weil Blinde und Sehschwache stets gemeinsam spielen, müssen alle eine lichtundurchlässige schwarze Schutzbrille tragen, damit die Sportler unter den gleichen Voraussetzungen antreten. „Mit der Zeit habe ich ein ganz eigenes Gefühl für den Fußball entwickelt“, beschreibt Britt. „In der vollkommenen Dunkelheit sind alle Sinne geschärft und reagieren auf kleinste Veränderungen.“

Im vergangenen Jahr bildete der mehrfach ausgezeichnete Leipziger Lok-Blindenfußballverein um Trainer Frank Kayser eine Spielergemeinschaft mit einem Verein in Chemnitz. Gemeinsam bolzten die Sachsen das erste Mal in der Bundesliga. Um den Sport deutschlandweit populärer zu machen, fanden die Spiele meistens auf Marktplätzen statt. Und wenn Britt dann in Halle oder Hamburg vor historischer Kulisse und mit einem Fanpublikum im Rücken ein Tor schoss, genoss die Fußballerin den akustischen Jubel umso mehr.

Thomas Gillmeister

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