Mitstreiter aus dem aktuellen Pfeffermühlen-Ensemble werden das nächste Mal am 15. April zur Geburtstagsfeier auf der Bühne zu erleben sein. Foto: M. Scholz

LEIPZIG. Vor-Ort-Termin mit einer wahren Legende und dies aus einem bemerkenswerten Anlass: Ja, sie wird tatsächlich 65 Jahre alt, die Leipziger Pfeffermühle und hat auch schon zur großen Feier geladen – nicht ohne ein wenig zu plaudern über mehr als sechs Jahrzehnte Kabarett in der Messestadt.

Ja, das schelmische Augenzwinkern ist irgendwie immer mit dabei – schließlich soll die ganze Sache nicht allzu nostalgisch werden – aber dann erzählt sie doch viele erstaunliche Dinge. Wenn es zum Beispiel um jene Zeit geht, in der man sich noch geradezu gerissen hat um die Tickets, „da standen die Leute mit Stühlen vor der Tür“. Oder wenn die Erinnerungen kommen an jene Tage, in denen man sich als ehrwürdige Pfeffermühle noch mit Dingen wie Zensur beschäftigen musste: „Das letzte Verbot eines ganzen Programms gab es ja 1979″, erinnert sie sich und ergänzt: „Ich weiß es noch ganz genau – ‚Wir können uns gratulieren‘ hieß es und das Verbot zog tatsächlich sehr weite Kreise.“

Vielleicht weiß es ja auch der ein oder andere noch gar nicht: Die Pfeffermühle ist in vielerlei Hinsicht eine bemerkenswerte Persönlichkeit. Unbedingt ein Vorreiter in Sachen „sächsisches Kabarett“ – denn im Jahr 1954, dem Geburtsjahr der Pfeffermühle, war an eine blühende Kabarett-Landschaft, wie man sie heute kennt, nicht zu denken. Es gab, so erzählt sie, zwar solche Ensembles wie das Studentenkabarett „Rat der Spötter“ mit Peter Sodann an der Spitze, „aber mit denen konnten wir nicht zusammen spielen, weil die Mitglieder dann sogar im Knast gelandet sind“. Ein Beispiel dafür, welchen Balanceakt man wagen musste – aber den dann auch mit Lust und Leidenschaft. Und so erzählt sie mit einem Augenzwinkern von den einstigen Verhandlungen mit der Leipziger „Viererbande“ von SED und Stadtrat: „Manchmal hat man im Programm dann an der einen oder anderen Stelle auch ganz bewusst überzogen: Auf diesen Köder hat man sich dann gestürzt und dafür an anderen Stellen nicht mehr so genau hingehört.“ Aber dann wird sie doch ziemlich ernst, weil es eben doch längst nicht so lustig war, wie es sich heute vielleicht anhören mag: „Ich weiß noch, dass wir mal ein paar Tage vor der Premiere ein halbes Programm wegschmeißen mussten, weil es nicht durchgegangen ist.“

Besonders spannend ist dabei aber auch zu sehen, wie man an der Geschichte der Pfeffermühle auch die außergewöhnliche Rolle der Stadt Leipzig festmachen kann: In der Messestadt ging immer ein bisschen mehr als etwa in der Hauptstadt Berlin. „Zu den Messezeiten saßen schließlich viele Westdeutsche in den Vorstellungen – die haben sich ja um die Karten gerissen“, und diesen Vorteil nutzte die Pfeffermühle natürlich ordentlich aus – ebenso wie die Tatsache, dass sich in den Jahren von 1954 bis 1989 die Türen zur künstlerischen Freiheit langsam, aber stetig weiter öffneten.

Dann kam sie, plötzlich, auch unerwartet, wie die Pfeffermühle unverblümt einräumt – die politische Wende in der DDR. Und mit ihr – auch da ist sie ernst und ehrlich – eine echte Sinnkrise. „Plötzlich konnten wir alles sagen – aber dies durfte ja auf einmal jeder“, überlegt sie und ergänzt: „Da mussten wir sogar mal für ein paar Wochen zumachen.“

Im Rückspiegel betrachtet, erkennt sie aber auch eine grundsätzliche Veränderung in Sachen Kabarett – vor allem, was den thematischen Pfeffer zum Mahlen betrifft. „Wir haben den Schritt raus gemacht aus dem Alltag in der kleinen DDR – inzwischen sind es die großen globalen Themen, die uns beschäftigen: der allgegenwärtige Lobbyismus, der Diesel-Skandal“, überlegt sie: „Aber eines hat sich nicht verändert: Das eigene Verständnis als politisches Kabarett, das sich natürlich links verortet.“

Inzwischen hat der Name „Pfeffermühle“ eine Strahlkraft weit über die Leipziger Stadtgrenzen hinaus – aus dem tief in der Stadt verankerten Kabarett ist ein „echtes Tournee-Unternehmen“ geworden: „Wir müssen überall hingehen, wo sich die Leute für die Pfeffermühle interessieren und dies sind nach wie vor durchaus viele Menschen.“ Umso wichtiger ist aber auch das eigene Stück Heimat im Keller von Kretschmann‘s Hof: „Natürlich braucht es genau dieses Gemeinschaftsgefühl – wobei es mir als Pfeffermühle auch wichtig ist, den Zusammenhalt mit den anderen Leipziger Kabarettensembles zu pflegen.“ Stichwort Gemeinschaftsgefühl: Dieses wird am morgigen Montagabend ordentlich gepflegt – zum 65. Geburtstag bittet die Pfeffermühle zur Geburtstagsfeier und holt damit alle aktuellen Mitstreiter auf die Bühne, „mit Nummern, die aus den derzeitigen Programmen stammen“. J. Wagner

Die Gedanken zur Pfeffermühle haben sich Urgestein Hanskarl Hoerning und Pfeffermühlen-Chef Dieter Richter gemacht. Ach ja – gefeiert wird das nächste Mal am 15. April. Weitere Aufführungen von „65 Jahre Leipziger Pfeffermühle“ und der gesamte Spielplan sind auf www.kabarett-leipziger-pfeffermuehle.de zu finden

 

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