Ob kleiner oder großer Thomaner: Für alle hat Sabine Vogler die passende Auftrittskleidung und pflegt sie. Foto: PICTURE POINT/Kerstin Dölitzsch

Wenn die weltberühmten Thomaner die Bühne betreten, sehen sie stets wie aus dem Ei gepellt aus. Auch dank Sabine Vogler (51). Denn die Schneiderin kümmert sich mit Nadel, Faden und Bügeleisen um gut sitzende Kieler Blusen und Anzüge, die sie schon von ihrem Sohn her kennt. Denn er sang selbst jahrelang im Knabenchor.

Freitagnachmittag herrscht Hochbetrieb in der Nähstube der Thomaner. Dort hängt nach Namen geordnet die Auftrittsgarderobe der Sänger. Sie ist nicht nur sauber, sondern rein. Die Knaben, wie beispielsweise Joshua (12), greifen zur berühmten Kieler Bluse und der dazugehörigen Hose. Karl Peter (12) ist im Stimmbruch und darf einen Anzug mit Krawatte tragen. Viel Zeit für den letzten Schliff an der Garderobe ist nicht mehr, denn in wenigen Stunden beginnt die erste traditionelle Wochenend-Motette in der Thomaskirche.

Sabine Vogler behält im Buben-Bienenschwarm die Übersicht. „Viele Jungs sind ja mitten in der Pubertät und wachsen sehr schnell“, weiß die gelernte Maßschneiderin. Deshalb beobachtet sie ihre Schützlinge sehr genau und sorgt dafür, dass sie auf der Bühne immer eine gute Figur machen.

Nach dem Konzertwochenende geben die Thomaner die Uniform montags wieder ab. Dann beginnt die Hauptarbeit für die Handwerkerin. Sie kürzt, verlängert, näht um, bügelt … „Ich habe einen der schönsten Arbeitsplätze in Leipzig“, freut sich Sabine Vogler. Denn ihre Kleiderstube ist mitten im Alumnat. „Da höre ich nachmittags natürlich die Stimmübungen.“ Die zweifache Mutter kennt sie. Ihr Sohn Christoph sang acht Jahre lang im Thomanerchor. „Ich war so stolz“, erinnert sie sich. „Ich saß in fast jeder Motette, lächelte meinem Sohn zu und genoss dabei die festliche Musik.“

Nie hätte sich Sabine Vogler damals träumen lassen, dass sie später einmal die Nähstube der Thomaner betreuen würde. Fast 20 Jahre arbeitete die gebürtige Leipzigerin in einer Änderungsschneiderei. Doch die Sächsin sehnte sich nach einem Job, in dem nicht nur ihre Hände, sondern auch das Herz gefragt sind. Als der Thomanerchor 2015 die Stelle für eine Näherin ausschrieb, bewarb sich Sabine Vogler und wurde genommen. Neubeginn mit Ende 40. „Ein schönes Gefühl“, schwärmt die Schneiderin.

Sie ist mittlerweile die gute Seele der 92 Thomaner. „Sie schauen nicht nur bei mir vobei, wenn sie einen Knopf angenäht bekommen wollen, sondern suchen auch mal einen mütterlichen Rat“, erzählt Sabine Vogler. „Ein Thomaner bat mich sogar, ihn in die Geheimnisse der Nähmaschine einzuweihen.“ Mit Engelsgeduld erfüllt die Schneiderin jeden Sonderwunsch ihrer Sänger. Der schönste Lohn ist für sie, wenn sich die Thomaner in den Sachen wohlfühlen und bei den Konzerten jeden Ton richtig treffen. Weltweit.

Kontakt: www.thomanerchor.de

Thomas Gillmeister

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