
Im Naturschutzgebiet (NSG) Werbeliner See nahe Delitzsch sind beim Tag der Artenvielfalt Ende Juni insgesamt 38 neue Tier- und Pflanzenarten nachgewiesen worden. Darunter befanden sich auch drei Spezies, die sachsenweit als gefährdet gelten: der Frühlings-Zahntrost, das Kleine Tausendgüldenkraut und die Färberkamille.
Neu dokumentiert wurde zudem der Hornissen-Glasflügler, dessen Mimikry nahezu perfekt ist. Sogar das Brummen der Hornisse imitiert der Falter im Flug. Weitere Entdeckungen: Großer Schillerfalter, Braunrandiger Zwergspanner, Schwanspinner, Schuppenmieren-Sonneneule und Großer Sackträger. Letzterer lebt, wie sein Name andeutet, in einem selbstgebauten Sack aus Pflanzenmaterial, den das Falter-Weibchen nie verlässt. Es lockt die Männchen mit Duftstoffen an, um sich in der Hülle zu paaren.
Untersuchung der Fledermaus-Vorkommen
Premiere im Naturschutzgebiet hatte die gezielte Untersuchung der Fledermaus-Vorkommen, die bislang noch nicht systematisch erfasst wurden. Von den rund 22 in Sachsen bekannten Arten konnten in einer einzigen Nacht sechs bestimmt und nachgewiesen werden – anhand von Schallaufnahmen und Flugbeobachtungen in der Dämmerung. Großer und Kleiner Abendsegler, Breitflügelfledermaus, Wasserfledermaus, Mückenfledermaus und Rauhautfledermaus jagten über die Köpfe der Beobachter und gaben ihre arttypischen Rufe ab. Diese wurden mit einem Ultraschalldetektor hörbar gemacht.

Neu dokumentiert: Hornissen-Glasflügler im NSG Werbeliner See.
Foto: LRA/Jäger
Bei den Heuschrecken fiel die Bestimmung ungleich schwerer, da sich viele Arten derzeit noch im Nymphenstadium befinden. Laut Experte Stefan Drescher unterscheiden sich die Arten etwa zur Hälfte durch ihre Rufe und zur anderen Hälfte durch ihr Aussehen. Die Nymphen, die bis zu zwölf Larvenstadien durchlaufen, stellen daher eine besondere Herausforderung dar. Dennoch gelang der Nachweis von zehn Arten – darunter auch ein Neuling im Naturschutzgebiet: der Gewöhnliche Heidegrashüpfer.
Zweite Auflage des Tages der Artenvielfalt
Bei der zweiten Auflage des Tages der Artenvielfalt am Werbeliner See wurden insgesamt 211 Arten dokumentiert. Damit sind auf dem ehemaligen Tagebaugelände nunmehr 998 unterschiedliche Tier- und Pflanzenarten nachgewiesen. An der Citizen-Science-Veranstaltung nahmen 20 Interessenten teil. Diese wurden von vier Experten angeleitet und lernten dabei viel Wissenswertes über die Lebensweisen der verschiedenen Arten und die Notwendigkeit ihres besonderen Schutzes.
Das ehemalige Tagebaugebiet mit dem heutigen Werbeliner See ist 1.506 Hektar groß, bereits seit 2006 als europäisches Vogelschutzgebiet ausgewiesen und steht seit Mai 2019 unter Naturschutz. Etwa 800 Hektar davon misst das Totalreservat, in welchem sich die Natur ohne menschliche Eingriffe ungestört entwickeln kann. Alle natürlichen Veränderungsprozesse werden zugelassen. Dazu gehören Abtragungen durch Erosion oder auch die Ausbreitung nicht einheimischer Arten. Wissenschaftliche Untersuchungen begleiten den Entwicklungsverlauf hin zu einem intakten und anpassungsfähigen Ökosystem. Das Baden im See ist verboten.
Weitere Infos: www.nsgwerbelinersee.de