Stehauffrau Andrea Hafenstein aus Dresden traf sich kürzlich mit LR-Titelseitenautor Thomas Gillmeister in Leipzig zu einem Schachmatch. Foto: PICTURE POINT/Gabor Krieg

Wo nimmt diese Frau nur die Kraft her? Andrea Hafenstein (57) kämpft nach einem Hirntumor und einem Schlaganfall seit knapp 20 Jahren gegen eine aggressive Hautkrebsform. 33 Operationen retteten der Sächsin das Leben, das Schachspielen ihre Seele.

Berührungsängste kennt Andrea Hafenstein nicht. Sie geht auf Menschen zu, ergreift jede sich bietende Gelegenheit, um auch mit Promis ins Gespräch zu kommen oder mit ihnen Schach zu spielen. Wie kürzlich beim Semperopernball in Dresden. Da stand sie draußen am roten Teppich und wünschte Schauspieler Samuel Koch einen schönen Abend.

Er kennt sie von seinen Lesungen und lud die Sächsin inmitten des lauten Ballgetümmels für den nächsten Tag zum Königsspiel ins Hotel ein. „Wir sind beide einmal durch die Hölle gegangen. Deshalb hatten wir sofort einen Draht zueinander“, erzählt Andrea und spielt auf seinen schweren Unfall bei „Wetten dass“ und seine Querschnittslähmung an. Neben der Schachpartie plauderten Andrea und Samuel über Gott und die (Schach-)Welt, gaben sich Tipps beim Bewältigen des schweren Schicksals, das beide seit vielen Jahren auf eine harte Probe stellt.

Als die Dresdnerin 1998 mit der Diagnose Hirntumor konfrontiert und erfolgreich operiert wurde, dachte sie: Glück gehabt im Unglück. Ihre Therapien: Das Schreiben eines Buches („Schach dem Tumor“) und das Schachspielen. Ihre große Leidenschaft, die sie bereits mit sechs Jahren entdeckte und seitdem sportlich auslebt. Früher sehr erfolgreich bei Meisterschaften, heute aus Spaß bei offenen Turnieren in aller Welt. „Schach beruhigt, schärft die Sinne und schult das Denkvermögen“, nennt Andrea die Vorteile.

Nach einem Schlaganfall wurde sie 2001 mit der nächsten Diagnose konfrontiert: Merkelzell-Karzinom. Ein sehr seltener und bösartig-aggressiver Hautkrebs, der dazu neigt, an verschiedenen Stellen des Körpers immer wiederzukommen. „Viele Ärzte waren pessimistisch, gaben mir nur noch sechs Wochen“, erinnert sich die chronisch Kranke an das düsterste Kapitel ihres Lebens. Aber sie nahm zusammen mit hoch spezialisierten Ärzten den Kampf auf. Insgesamt 33 zum Teil sehr schwere Operationen musste sie bis heute über sich ergehen lassen. „So wurde mir beispielsweise ein neuer Nasenflügel geformt, weil der ehemalige mit einem Karzinom befallen war“, erklärt Andrea.

Trotz der zahlreichen Operationen, der chronischen Schmerzen und der vielen Medikamente, die sie täglich einnehmen muss, hat die Optimistin nie ihren Lebensmut verloren. Halt findet sie bei ihrem Mann Marco und den zwei Kindern sowie bei Schachfreunden. „Ich bin zwar eine Einzelkämpferin, doch ein harmonisches Familienleben ist gut für meinen inneren Frieden.“

Am stärksten kann sie sich vom Feind in ihrem Körper ablenken, wenn sie ein Schachmatch beobachtet oder selbst spielt. Dafür ist ihr kein Weg zu weit. „Ich habe schon in Dubai, Stockholm und Wien an Turnieren teilgenommen“, zählt sie auf. Am Schachbrett kann sie sich stundenlang in Strategien vertiefen. „Ein Arzt sagte mir einmal, dass er nicht weiß, ob Schachspieler intelligenter als andere Menschen sind, aber sie denken anders“, meint Andrea. Und genau diese Eigenschaft kommt ihr beim Bewältigen ihrer Krankheit zugute.

Immer wieder kämpft sie sich Zug um Zug zurück ins Leben. Das soll auch das Thema ihres zweiten Buches werden, an dem sie derzeit arbeitet.

Thomas Gillmeister

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