Das waren noch Zeiten: Tim Thoelke bei seiner Premiere als RB-Stadionsprecher. Und dies ist inzwischen zehn Jahre her – ein guter Anlass für ein spannendes Buch. Foto: Regina Katzer

Leipzig. Er ist ein Mann mit vielen Eigenschaften, der Stadionsprecher in der Red Bull Arena: Gerade erst hat Tim Thoelke mit „Böse See“ eine CD mit manchmal schönen, manchmal schaurigen Songs über die Faszination des Meeres veröffentlicht, nun legt er gemeinsam mit dem Fotografen Enrico Meyer mit einem Buch über die Faszination Fußball-Fans der „Roten Bullen“ nach. Im Gespräch erklärt er das Warum, aber auch die Entstehung von „Junge Liebe – Fans von RB Leipzig“ …

Wie kommt es, dass gerade jetzt mit „Junge Liebe“ ein Buch über die Fans von RB Leipzig rauskommt? Ein Corona-Projekt?

Tim Thoelke: Definitiv nicht – die ersten Gespräche mit Fans fanden ja schon vor der Corona-Pandemie statt. Hintergrund war eher, dass ich am 29. Juli mein zehnjähriges Jubiläum als RBL-Stadionsprecher feiern werde und ich habe mir schon gedacht, da müsste man was Besonderes machen. Einen Song über RB hatte ich schon mal gemacht, also musste was anderes her. Die Idee, ein Buch zu machen, wurde schon öfter mal an mich herangetragen. Nur – ich hatte keine große Lust, da meine Anekdoten zu erzählen, die zudem meistens überhaupt nicht so aufregend und spannend sind, wie man vielleicht denkt. Erst als ich mal länger darüber nachgedacht hatte und erkannte, dass man so ein Buch auch mit den und über die Fans machen kann, hat es Klick gemacht.

Als Stadionsprecher ist man ja nun einmal das Verbindungsglied zwischen der Tribüne und der Mannschaft …

Ganz genau. Und in dieser Position sehe ich mich auch. Kurz gesagt: Kaum war dieser Gedanke da, hatte ich sofort Lust auf dieses Buch und habe auch direkt damit angefangen. Ich bin ja mit den Jahren ziemlich gut mit den RB-Fans vernetzt.

War diese Vernetzung in der Fanszene ein bewusst angetriebener Prozess?

Nein, das hat sich einfach mit der Zeit ergeben. Ganz ehrlich: Als ich vor zehn Jahren als RB-Stadionsprecher angefangen hatte, war überhaupt nichts angelegt oder bewusst gesteuert. Ich habe einfach angefangen …

Aber der Draht zu den Fans, zur Tribüne hatte sich recht schnell ergeben?

Ja, was das liegt sicherlich auch daran liegt, weil dass ich selbst Fan bin und gewissermaßen auch Fan von Fantum. Ich liebe Musik, ich sammle Schallplatten, Comics und noch einiges mehr. Damit kannte ich diese gewisse Nerdigkeit, das einen Fan nun einmal auszeichnet, ganz genau. Ich kann es deswegen absolut verstehen, wenn ein Mensch seinen gesamten Lebensrhythmus nach den Spieltagen von RB Leipzig ausrichtet. Übrigens hat sich diese Nerdigkeit auch in dem Buch niedergeschlagen: Ich wollte zum Beispiel gerne eine Umfrage drin haben, mit vielen Statistiken und Zahlen, in denen regelrecht versinken kann – aus dem einfachen Grund, weil ich es selbst liebe, dies zu tun..

Das Thema RB-Fans war also gefunden, aber wann war klar, welche thematische Richtung das Buch nehmen wird?

Es gibt ja dieses Klischee, dass auf der Fußballtribüne der Universitätsprofessor neben dem Klempner steht. Mich hat wirklich gereizt, dieses Klischee am Beispiel RB Leipzig einmal genauer zu untersuchen und dabei die ganze Diversität der RB-Fans zu zeigen. Es geht eben nicht nur um die Die-Hard-Fans. Ich glaube, genau dies macht auch den Reiz von „Junge Liebe“ aus. Ich habe da viele Aspekte gefunden, die über das reine Fußball-Fantum hinausgehen.

Was wäre das?

Naja, es geht da grundsätzlich um die Frage, was ein Fußballverein für einen Menschen bedeutet. Viele Menschen in dem Buch haben mir zum Beispiel erzählt, dass er für sie ein großes Stück Heimat ist. Für mich persönlich haben sich durch das Schreiben des Buches auch einige neue Bekanntschaften ergeben. Insofern hat Corona die ganze Sache tatsächlich geprägt: Das Buch ist ein ganzes Stück privater geworden, als ich ursprünglich gedacht hatte. Eigentlich gab es ja schon den Plan, auch auf der Tribüne Fotos zu machen und mit den Fans am Spieltag zu sprechen, am Bierstand oder im Fanblock. Durch die Pandemie sind es nun tatsächlich Einzelgespräche in einem teilweise sehr privaten Umfeld geworden. Was zu dem etwas kuriosen Ergebnis führte, dass es nun ein Buch über Fußballfans gibt, in dem nicht ein einziges Bild aus dem Stadion drin ist. Und das Coole ist, es fällt nicht mal auf.

Stichwort Fotos: „Junge ­Liebe“ lebt auch von den starken Fotos von Enrico Meyer. War diese Verbindung aus nahem Porträt und persön­lichen Text von Anfang an gewollt?

Unbedingt. Deshalb haben wir schon vor den ersten Gesprächen und den ersten Fotos das Layout des Buches entsprechend angelegt – jeder, der das Buch in der Hand hält, wird sofort sehen, was Enrico Meyer für ein fantastischer Porträtfotograf ist

Welche Momente waren bei der Arbeit am Buch die überraschendsten, die ­emotionalsten, die nach­haltigsten?

Schwere Frage … mir fällt gerade ein, wie ich zum ersten Mal in das RB-Leipzig-Zimmer von Mocke gekommen bin. Das kommt auf dem Foto gar nicht so rüber, aber da ist wirklich jeder Zentimeter RB. An der Decke, auf dem Boden, überall. Da braucht man erst einmal einen Moment, um das zu verarbeiten. Aber eigentlich hat mir jedes einzelne Gespräch etwas gegeben, das ich vorher so noch nicht gewusst habe. Über die Fanclubs, die Struktur auf der Tribüne, ja, die ganze Diversität der Fanszene. Es gab wahnsinnig viele kleine persönliche ­Momente und Situationen, die spannend waren und die mich wirklich bewegt haben. Jens Wagner

Das Buch „Junge Liebe – Fans von RB Leipzig“ von Tim Thoelke und Enrico Meyer ist am 27. Mai im Verlag Pantauro/Beneveto Publishing Group erschienen.

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