Gabriela Wannemacher-Sander ist der größte Fan ihres Enkels Tom, der gern Sitzvolleyball spielt. Foto: PICTURE POINT/Kerstin Dölitzsch

Sie arbeitet seit zehn Jahren täglich hart daran, dass die Narben auf der Haut und in der Seele ihres Enkels Tom (14) verheilen: Gabriela Wannemacher-Sander (52). Er wurde als Vierjähriger Opfer eines schweren Verkehrsunfalls. Dabei starb seine geliebte Mutter, Tom verlor sein linkes Bein. Heute hat er seinen Lebensmut und sein Lachen zurück.

Wenn Gabriela Wannemacher-Sander sieht, wie begeistert ihr Enkel Sitzvolleyball spielt, ist sie schon mächtig stolz auf ihn. Aus ihrem kleinen orientierungslosen Jungen, der einst mit unkontrollierten Wutanfällen auf sein hartes Schicksal reagierte, wurde ein ehrgeiziger, 1,85 Meter großer Hobbysportler. Trotz seiner Behinderung kann er geschickt mit dem Ball umgehen. Tom, der Teamplayer. „Ein steiniger Weg war es bis hierher“, blickt Gabriela zurück.

Sie ist für ihren Enkel nicht einfach nur die fürsorgliche Oma, sie ist Lebensretterin und Ersatzmutter. Denn Tom wurde Opfer einer der folgenschwersten Leipziger Verkehrsunfälle mit zwei Toten und vielen Schwerverletzten. „Meine Tochter war als Beifahrerin mit Freunden und ihrem Sohn im Auto unterwegs“, erinnert sich Gabriela an den verhängnisvollen Samstagabend vor zehn Jahren. „Der Fahrer verlor bei viel zu hoher Geschwindigkeit die Kontrolle über den Wagen, geriet auf die Gegenfahrbahn, stieß dort mit einem anderen Auto zusammen und knallte gegen eine Mauer.“ Die 24-jährige Tochter Susanne wurde dabei aus dem Auto geschleudert. Während sie auf der Straße starb, schrie im Auto ihr Sohn Tom um sein Leben und instinktiv um das seiner Mutter.

Schwer verletzt und extrem traumatisiert wurde er aus dem Auto geborgen. Obwohl die Ärzte alles Menschenmögliche für ihn taten, konnte sein linkes Bein nicht mehr gerettet werden. Oma Gabriela wachte Tag und Nacht am Bett von Tom, hielt ihm nach unzähligen Operationen die Hand und sprach ihm Mut zu. Sofort stand für sie fest, dass sie die Mutterstelle einnehmen wird. Und sie schaffte es. Sie bekam das Sorgerecht für Tom und seinen zwei Jahre älteren Bruder Lukas zugesprochen. Fortan zog sie vier Kinder groß: zwei eigene Töchter und zwei Enkel.

Viele schwierige Jahre liegen hinter ihnen. Denn die schrecklichen Bilder vom Unfall wurde Tom einfach nicht los. Immer wieder tauchten sie vor seinem geistigen Auge auf, machten ihn traurig und wütend. Gabriela unternimmt alles, damit der Junge im Alltag besser zurechtkommt. So kämpfte sie für ihren Enkel um eine hochmoderne Prothese mit künstlicher Intelligenz. Seit gut einem Jahr hat er wieder festen Boden unter den Füßen. „Ich fühle mich wie neu geboren“, freut sich der Teenager.

„Die Beinprothese misst ständig Daten und passt sich automatisch meinen Bewegungen an“, erklärt Tom. „Egal, ob ich Treppen steige oder mit dem Fahrrad fahre.“ Er nutzt die neue Beinfreiheit intensiv. Zuerst probierte er es mit Schwimmen. Doch schließlich entschied er sich für Sitzvolleyball. Mehrmals in der Woche trainiert er beim Behindertensportverein Leipzig.

An den Wochenenden ist der Hobbysportler mit der Mannschaft zu Spielen in ganz Deutschland unterwegs. Und dabei vergisst Tom nie, wem er das alles zu verdanken hat. „Oma ist die beste Mutter der Welt“, schwärmt er heute und versucht mit ihr zusammen, für das Leben am Ball zu bleiben. Thomas Gillmeister

Tipp: Die Leipziger Sitzvolleyballmanschaft mit behinderten und nichtbehinderten Sportlern freut sich über neue Mitstreiter. Infos unter: https://bvleipzig.de/sitzvolleyball

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