Anzug statt Judogi und den Bildschirm immer im Blick: Judo-Olympiasieger Udo Quellmalz ist in Tokio als Supervisor im Einsatz. Foto: Emanuele Di Feliciantonio Italy
Anzug statt Judogi und den Bildschirm immer im Blick: Judo-Olympiasieger Udo Quellmalz ist in Tokio als Supervisor im Einsatz. Foto: Emanuele Di Feliciantonio Italy

Leipzig. Eigentlich ist Udo Quellmalz ein alter Hase, wenn es um Olympische Spiele geht. Schließlich war er selbst bereits sieben Mal bei der größten Sportveranstaltung der Welt dabei – drei Mal als Sportler und vier Mal als Trainer. Dennoch ist ihm die Vorfreude auf seine achten Olympischen Spielen deutlich anzusehen. Und auch ein bisschen Aufregung kann er vor den Spielen in Tokio, die am kommenden Freitag (23. Juli) eröffnet werden, nicht verbergen. Denn hier feiert der 54-Jährige eine ganz besondere olympische Premiere.

Erstmals ist der Leipziger beim Olympischen Judo-Wettbewerb als Supervisor für den Judo-Weltverband (IJF) aktiv. In dieser Funktion soll er bei strittigen Entscheidungen gemeinsam mit zwei Kollegen die Rolle eines Videoschiedsrichters übernehmen. „Das ist für mich eine Riesenehre aber natürlich auch eine große Verantwortung. Ich freue mich sehr auf die Olympischen Spiele“, freut sich Udo Quellmalz, der seit dem Jahr 2017 für den Weltverband aktiv ist: „Außerdem ist Tokio für einen Judoka immer etwas ganz Besonderes. Schließlich ist Japan das Mutterland des Judosports.“ Natürlich hat er sich auch akribisch auf seine achten Olympischen Spiele vorbereitet. „Es gab in den letzten Monaten einige Seminare, in denen wir uns vorbereitet haben. Außerdem habe ich mir sehr viele Videos angeschaut.“ Eine gelungene Generalprobe in dieser Funktion feierte Udo Quellmalz im Juni bei der Weltmeisterschaft in Budapest.

Am 20. Juli hin, am 1. August zurück

Dass die Spiele in Tokio wegen der aktuellen Corona-Situation ganz ohne Zuschauer stattfinden werden, beschäftigt auch Udo Quellmalz: „Ich kann mir das noch gar nicht so richtig vorstellen. Es wird auf jeden Fall richtig komisch. Schließlich haben die Zuschauer auch beim Judo einen großen Einfluss auf die Atmosphäre in der Halle.“ Das hat er während seiner aktiven Karriere selbst oft genug zu spüren bekommen. Die Corona-Einschränkungen wirken sich natürlich auch auf seinen persönlichen Zeitplan in Tokio aus. Am Dienstag, 20. Juli, hebt der Flieger in Richtung Tokio ab. Vom 24. bis 31. Juli werden die insgesamt 15 Judo-Wettbewerbe ausgetragen. Schon am 1. August geht es für den zweimaligen Weltmeister schnell wieder zurück nach Deutschland. Zeit, sich nach getaner Arbeit ganz entspannt die Wettbewerbe in anderen Sportarten anzuschauen, bleibt da nicht – sehr zum Leidwesen von Udo Quellmalz. „Das Aufeinandertreffen mit anderen Sportlern, die man sonst nur aus dem Fernsehen kennt, habe ich in meiner aktiven Zeit sehr genossen. Da saß man mit US-amerikanischen Basketballern oder Sprintern beim Essen oder hat die Schwimmwettbewerbe live in der Halle verfolgt. Das war echtes olympisches Flair.“ Seine ganz persönliche Olympische Sternstunde erlebte Udo Quellmalz 1996 in Atlanta. Nachdem er bereits vier Jahre zuvor in Barcelona die Bronzemedaille gewinnen konnte, holte er sich diesmal den Titel im Halbleichtgewicht bis 65 kg durch den Finalsieg gegen den Japaner Yukimasa Nakamura. Außerdem schnupperte er jeweils zweimal als Nationaltrainer Englands (2000 und 2004) und Österreichs (2008 und 2012) olympische Luft.

Seit einigen Wochen ist Udo Quellmalz als hauptamtlicher Trainer beim JC Leipzig (JCL) angestellt – als erfahrener Coach und Aushängeschild. Damit schließt sich für den erfolgreichsten Leipziger Judoka aller Zeiten ein Kreis. Schließlich hat für ihn hier vor vielen Jahren alles begonnen. „Ich kann mich noch gut an meine Anfänge erinnern. Damals habe ich zu den erfolgreichen Judoka aufgeschaut und ihnen nachgeeifert.“ Heute eifern die Nachwuchssportlerinnen und -sportler ihm nach, träumen selbst den Traum von WM-Titeln und Olympiasiegen. Nach dem Re-Start herrscht derzeit im gesamten Verein eine echte Aufbruchstimmung. Vor allem im sogenannten „Krabbler-Bereich“ ist der Zulauf riesengroß – und das aus gutem Grund, wie Udo Quellmalz feststellt. „Judo ist nicht nur ein Sport. Hier lernt man nicht nur kämpfen, sondern auch Werte für das Leben wie Respekt, Fairness und verschiedene Rituale für’s Leben.“ Auch „das Fallen lernen“ sei eine Schule für das Leben. „Wir sind unheimlich froh, dass die Nachfrage aktuell so groß ist.“

Ab September in Leipzig wieder Wettkämpfe

Nach dem langen Lockdown gibt es auch in Leipzig in den kommenden Monaten endlich wieder hochkarätigen Judosport zu sehen. Am 11. September starten die Männer des JCL in der heimischen Sporthalle Brüderstraße in die neue Bundesligasaison. Nur wenige Tage später, am 18. September, findet an gleicher Stelle das Finale der 2. Judo-Bundesliga der Frauen statt. Hier wollen die JCL-Frauen die Rückkehr in die Bundesliga schaffen. Am 9. und 10. Oktober messen hier die besten Nachwuchs-Judoka des Landes bei den Deutschen U18-Meisterschaften ihre Kräfte. Auch hier sind natürlich einige Sportlerinnen und Sportler des JCL dabei – und hoffentlich auch viele begeisterte Zuschauer.

Andreas Neustadt