Fast kaum wahrnehmbar: Wohlbehütet und gut gewärmt schläft das erst wenige Wochen alte Töchterlein, während ihre Mama Michaela Dazian bei einem Spaziergang rund um den Kleinen Teich den soeben erhaltenen Theater-Oskar zeigt. Foto: Ralf Miehle

Seit vielen Jahren bereits küren Zuschauer und die Theatervereine Altenburg und Gera gegen Ende einer jeden Spielzeit ihre Publikumslieblinge der zurückliegenden Saison. Diesmal fand die Überreichung der begehrten Theater-Oskars coronabedingt erst im Herbst statt – im Rahmen einer Gala im Konzertsaal der Bühnen der Stadt Gera.

Für den Bereich Schauspiel des Fünf-Sparten-Theaters Altenburg-Gera ging die Auszeichnung an Michaela Dazian, die seit Sommer 2017 zum Ensemble gehört – in Würdigung ihrer Leistungen und in Anerkennung ihrer vielschichtigen Gestaltungskünste. Eine Frau, „die besonders in komischen Rollen glänzt und auf packende Art unterhält“, hieß es unter anderem in der Laudatio für jene hochtalentierte Aktrice, die in Altenburg beispielsweise als Königin im 2019er-Weihnachtsmärchen „Schneewittchen“ wohl in Langzeiterinnerung bleiben wird.

Im „wahren“ Leben aber ist die nunmehr Oskargekrönte Schauspielerin derzeit in einer gänzlich anderen und völlig neuen Aufgabe zu erleben: als frischgebackene Mutter, in deren Alltag momentan die zehn Woche alte Tochter Lila die Hauptrolle übernommen hat. Was ihrer gewiss großen Anhängerschar unter den Theaterbesuchern bislang vielleicht noch gar nicht so recht aufgefallen ist, denn ihre laufenden Produktionen standen seit der coronabedingten Theaterschließung im März und wegen des später geltenden Sonderspielplans schon lange nicht mehr auf dem Programm. Doch zum Beginn der Spielzeit 2021/2022 will Michaela Dazian wieder auf jenen Brettern stehen, die auch ihr die Welt bedeuten.

Der Theater-Oskar 2020 – eine Überraschung für die sympathische Vollblutschauspielerin? „Ich wusste, dass ich nominiert war, aber eine Nominierung hatte ich bereits in den Vorjahren erhalten, solange ich hier bin. Daher habe ich jetzt nicht daran geglaubt, dass ich den Preis nun diesmal wirklich bekommen würde“, entgegnet Michaela Dazian auf eine entsprechende Frage. Als sie dann von der Auszeichnung erfuhr, da rangen zwei Seiten in ihr.

„Zum einen habe ich mich unglaublich gefreut, zum anderen aber war ich sehr betrübt, dass ich zur Auszeichnungsgala nicht dabei sein konnte, weil das Baby krank war und ich mich daher nicht bedanken konnte für den Preis – bei der Jury und bei den Zuschauern. Vor allem aber auch nicht, und das wäre mir ganz besonders wichtig gewesen, bei all den Menschen, die hinter diesen Aufführungen und Erfolgen stehen und die so ungemein wichtig und unverzichtbar sind. Mit ihrem handwerklich-praktischen Können, aber auch mit ihrem Da-Sein und ihrem menschlichen Potenzial.“

Diejenigen meint die Schauspielerin, „die einen mal in den Arm nehmen oder über den Kopf streicheln (was jetzt ja leider wegen Corona alles leider nicht mehr geht)“, wie sie mit einem Schmunzeln anfügt, und diejenigen, die bei jeder Vorstellung in der Gasse stehen und auch bei der zehnten oder 15. Aufführung noch mitfiebern und mitleiden und, obgleich sie die Geschichten schon ausgiebig kennen, noch immer an denselben Stellen mitlachen und sich freuen. „Das alles hätte ich endlich mal in so einem festlichen Galarahmen loswerden wollen und Danksagen wollen für das ganze Umfeld, das Theater überhaupt erst möglich macht und uns, die auf der Bühne stehen, trägt.“

Noch am Abend nach jener denkwürdigen Galaehrung in Gera brachte Schauspieldirektor Manuel Kressin seinem Ensemblemitglied den Oskar nach Hause, „und mein Mann hat mir die Laudatio vorgelesen“, erinnert sich unsere Gesprächspartnerin an sehr emotionale Momente, die ihr sogar noch Tage später, als sie davon erzählt, erneut Freudentränen in die Augen treiben. „Es ist eine Auszeichnung, die zeigt, dass man alles richtig gemacht hat und dass es die Zuschauer freut, was man macht. Das war richtig schön und wohltuend, diese Bestätigung zu erfahren und dieses Gefühl empfinden zu können.“

Michaela Dazian kam im Sommer 2017 ans Theater Altenburg-Gera, mit der großen Hoffnung, hier nicht nur reizvolle und sie fordernde Aufgaben als Schauspielerin zu erhalten, sondern auch ein neues Zuhause, eine neue Heimat zu finden. Dieser Wunschtraum hat sich mittlerweile erfüllt, und die Eheschließung mit ihrem langjährigen Partner und Freund, dem Schauspieler Markus Lingstädt, der ebenfalls zum festen Stamm des hiesigen Theaterensembles gehört, im Sommer 2019 und die Geburt der gemeinsamen Tochter im August diesen Jahres krönen sozusagen jene Erwartungen, die sich mit einem Wechsel nach Altenburg verbanden.

Von Kindesbeinen an auf der Theaterbühne

Die 1988 Geborene stammt aus dem Fränkischen, wuchs bei Nürnberg auf und steht seit ihrem vierten Lebensjahr auf Bühnen da und dort. „Für mich war im Grunde immer schon klar, dass ich Schauspielerin werden will“, sagt sie und verweist darauf, dass bei ihr „auf dem Lande“ intensiv und viel Bauerntheater gespielt worden sei. Auch sie selbst war bei eben diesen „Sandhasen“, wie sich der entsprechende Verein nennt, von Kindesbeinen an dabei: „Und immer war mir klar, dass fürs Schauspiel(en) mein Herz schlägt.“

Nach Beendigung der Schulzeit geht Michaela Dazian an die Berliner Schule für Schauspiel im Friedrichshain. Vier Jahre dauert das eigentliche Studium, ein halbes Jahr Praxiserfahrungen, um den Theaterbetrieb von Grund auf und bis ins Detail kennenzulernen, schließt sich an – in Neustrelitz. Sodann folgt der erste Härtetest: Nunmehr mit dem erfolgreich errungenen Abschluss in der Tasche, findet die Absolventin ihr erstes Engagement am Theater Eisleben, wo sie drei Jahre als festes Mitglied bleibt, ein viertes dann als Gast. 13 Produktionen in einer Saison bescheren ihr zusätzlich zu den Studienexerzitien jetzt Erfahrungen én masse. Und derlei stellt zudem ihre Kondition gehörig auf die Probe, denn die Premieren folgen Schlag auf Schlag.

Während besagten vierten Jahres im Gast-Status, in dem Michaela Dazian noch fünf Rollen in Eisleben weiterspielt, bereitet sie sich intensiv auf Vorsprechen vor – mit Erfolg, wie sich zeigt, als das Theater Altenburg-Gera vehementes Interesse an ihr signalisiert und ihr einen Vertrag anbietet.

Reizvolle Aufgaben, so wie erhofft, hat Michaela Dazian inzwischen so einige übertragen bekommen, und eigentlich mag sie jede ihrer Aufgaben in Stücken unterschiedlichster Art, wie sie gesteht. Aber ein paar emotional bevorzugte gibt es dann doch, so wie jene der Fräulein Kost aus dem Musical „Cabaret“, das ist „eine meiner Herzensrollen“.

Sie nennt dabei aber auch beispielsweise die Fee aus dem See aus dem Musical „Monty Python’s Spamalot“, das in Gera zu einem absoluten Hit avancierte und (ebenfalls coronabedingt) in Altenburg leider noch nicht gezeigt werden konnte. Und (natürlich!) ist auch die hier schon erwähnte Schneewittchen-Königin, die vor einem Jahr in der Skatstadt für Furore sorgte, dabei in dieser Aufzählung. „Das sind durchaus meine Lieblingsrollen – und gerade bei ‚Schneewittchen‘ besteht auch die berechtigte Hoffnung, dass das Märchen noch mal eine Wiederaufnahme erleben wird – in besseren als diesen uns jetzt so einschränkenden Corona-Zeiten und wenn ich wieder auf der Bühne stehen werde –, darüber würde ich mich sehr freuen.“

Für Kinder spiele sie ohnehin unheimlich gern – wegen der so besonderen Resonanz, merkt Michaela Dazian an und erinnert sich dabei neben dem „Gestiefelten Kater“ 2017 auch an ihre Aufgabe in „Kalle Blomquist“. „Ich mag den direkten Kontakt zum Publikum, der gerade bei den Jüngsten so intensiv ist und auch nach den Vorstellungen zu wohltuenden Begegnungen führt. Wenn sie noch Fotos machen möchten oder über das Erlebte sprechen.“ Und noch eine Erfahrung berührt sie dabei immer wieder: „Die Kinder nehmen ihre Erlebnisse, so auch aus den Weihnachtsmärchen, für ein ganzes Jahr mit, wie sich in Gesprächen zeigt, und das beweist doch, wie eindrücklich diese Theatererlebnisse für sie sind, wenn sie so lange im Kopf bleiben.“

Jene „Schneewittchen“-Königin habe der Schauspielerin auch deshalb so viel Freude bereitet, „weil sie nicht nur die Böse ist, sondern auch eine humorige Seite hat. Und sie wird am Schluss nicht verdammt, sondern gelangt mit auf die Seite der Guten, trotz ihres Dickkopfes. Sie lässt sich vom musikalischen Schlusstableau mitreißen, erst unwillig, aber dann reiht sie sich ein. Sie erweist sich nur vom Anschein her als böse, aber es gibt auch andere Dinge an ihr und einen Hintergrund, warum sie so ist, wie sie ist“, umreißt die Darstellerin das breite Spektrum, das ihr willkommenes „Futter“ für ihre überzeugende Rolleninterpretation lieferte – und ihr letztlich wohl auch jene zahlreichen Sympathiepunkte bei ihrem jugendlichen Publikum einbrachte.

In die deutlich spürbare, aus jedem ihrer Worte herausklingende Begeisterung für ihren Beruf mischen sich derzeit allerdings auch zahlreiche bittere Wermutstropfen – mit Blick auf ihr Theater Altenburg-Gera und mit Blick auf viele ihrer Berufskollegen und die Kulturlandschaft im Ganzen. Die neuerliche Schließung der Theater im Monat November und eine insgesamt ungewisse Perspektive für die kommenden Monate bereiten ihr Sorgen.
„Aber wir Festengagierten haben ja eine gewisse Sicherheit, und unsere Theaterleitung mit vielen klugen Köpfen wird mit Sicherheit auch für diese neuerliche Herausforderung einen Kurs finden, der uns die Zuversicht gibt: Wir kriegen das hin. Doch für all die zahlreichen freischaffend tätigen Künstler, Ausstatter, Regisseure, Maskenbildner, Techniker, und das ist eine enorme Zahl, geht es unmittelbar an die Substanz, an die Existenz. Das ängstigt mich gerade sehr, trifft es doch vornehmlich jene, die schon vorher nicht viel hatten und keine Rücklagen bilden konnten. Mein Mann und ich unterstützen schon einige unserer Freunde aus diesen Bereichen, aber das ist doch nur ein kleiner Beitrag, den wir leisten können.“

Ralf Miehle

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