Leipzig: Ein Bäcker aus Leidenschaft

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Schuften bis in die Morgenstunden: Bäckermeister Steffen Dünkel macht das gern. Seine Tochter Manon Köhler arbeitet im Verkauf. Fotos: André Kempner

Leipzig. Elf Stufen sind es hinunter in die Backstube. Warm ist es hier an diesem Morgen gegen 9 Uhr, obwohl der Ofen bereits aus ist. In den frühen Morgenstunden herrscht hier Hochbetrieb: Mitten in der Nacht werden Teiglinge geformt, der Ofen bullert. 30 Grad herrschen nachts locker in der Backstube, im Sommer mehr.

„Stört mich überhaupt nicht“, sagt Steffen Dünkel, seines Zeichens Bäckermeister und Chef der gleichnamigen Bäckerei in der Leipziger Kochstraße. Der 56-Jährige sitzt im bequemen Kapuzenpullover im Café, das zur Bäckerei gehört. Neben ihm seine Tochter, die im Verkauf arbeitet.

Bäcker Dünkel liegt zwischen zwei Schulen

Der Schulbäcker – wie er hier im Viertel genannt wird – liegt in unmittelbarer Nähe des Kant-Gymnasiums und der Freien Rahn-Oberschule. Hier wird noch alles frisch gebacken, der Teig selbst hergestellt. Am Wochenende stehen die Kundinnen und Kunden Schlange für Dünkels Brötchen, Brot und seinen Kuchen. Der Laden hat auch sonntags geöffnet.

Und er läuft gut. 1200 dunkle Brötchen verkauft der Bäcker an einem guten Samstag, dazu 600 kleine Brötchen und 150 Brote, zählt Steffen Dünkel auf. Auch der selbst gebackene Kuchen findet seinen Absatz. Eierschecke, Prasselkuchen und Schweineohren wandern über die Ladentheke.

Die Schüler fallen 9.30 Uhr und 12.30 Uhr in ihren großen Pausen beim Bäcker ein – und kaufen bevorzugt belegte Brötchen und Muffins. Etwa 100 Stück des süßen Gebäcks muss der Bäckermeister pro Tag vorhalten – es sei denn, es sind Ferien. Die Kinder klopfen am liebsten an das Kellerfenster, das in die Backstube führt. Am Wochenende reichen die Bäcker den Jüngsten hier Mini-Croissants gratis heraus. „Wir sind eben kinderlieb“, sagt der Chef.

Um seine Kundschaft täglich mit frischen Brötchen zu versorgen, steht Dünkel mitten in der Nacht auf: Gegen Mitternacht radelt er von seinem Haus in Markkleeberg in die Leipziger Südvorstadt. 0.45 Uhr ist Dienstbeginn. Dann heißt es „wörschen, wörschen, wörschen“ wie der Chef es nennt.

Bis 9 Uhr morgens wird im Akkord gebacken. Ein Automat hilft bei der Arbeit: Er schockfrostet die Teiglinge zunächst und taut sie nach Bedarf wieder auf, sodass sie bei Dienstbeginn bereit für den Ofen sind. „Eine Wahnsinnserleichterung“, findet Steffen Dünkel. „Sonst müsste ich noch früher aufstehen.“

Auch mal ein bisschen „Luft schnappen“

Gegen sieben Uhr kommt Dünkels Kollege und übernimmt die Tagschicht, einer von etwa 15 Mitarbeitern, die in der Backstube und im Verkauf arbeiten. Der Bäckermeister hat nun Feierabend. Meistens geht er nach der Arbeit erstmal Kaffee trinken, frühstücken oder ein bisschen „Luft schnappen“. Dann geht es mit dem Rad zurück nach Hause. Nach einem Mittagessen mit seiner Frau legt Steffen Dünkel sich gegen 14 Uhr eine Weile aufs Ohr, im Sommer auch gern am eigenen Pool, wie er betont. 18 Uhr fährt Dünkel meistens nochmal ins Büro, Papierkram erledigen, ehe es gegen 21 Uhr wieder ins Bett geht.

„Mit 13 hatte ich mir schon viel bei meinem Vater abgeguckt.“

In Etappen schlafen, mitten in der Nacht aufstehen, die harte Arbeit in der Backstube – stört das Steffen Dünkel gar nicht? Er schüttelt den Kopf. Seit 40 Jahren ist das sein Alltag, er kann sich nichts anderes vorstellen. „Ich liebe das“, sagt der Bäcker und man glaubt ihm. Er sagt, er wolle vor allem im Sommer nicht bis 18 Uhr hinter der Theke stehen. „Ich hab dann doch viel mehr vom Tag.“

Aufgewachsen in einer echten Bäckerdynastie

Und: Steffen Dünkel kennt es nicht anders. Sein Vater war Bäckermeister, genau wie der Großvater. Die Familie gehört zu einer echten Bäckerdynastie. Um 1900 soll einer der Vorfahren hier die erste Bäckerei eröffnet haben. Es gab Geschäfte in Lindenau, Großzschocher, Reudnitz, Markkleeberg und nun in der Südvorstadt. Dünkels haben eine zweite Filiale in der Hardenbergstraße. Dort wird aber nur ab und an am Wochenende gebacken.

Steffen Dünkel war bereits als Kind ständig in der väterlichen Backstube zugange. „Mit 13 hatte ich mir schon viel bei meinem Vater abgeguckt“, sagt er. Ein anderer Beruf als Bäcker kam aus familiären Gründen für ihn ohnehin nicht in Frage. „Ich wollte nichts anderes machen“, sagt er rückblickend. „Und ich kann auch nichts anderes.“

Familientradition geht zu Ende

Doch mit dem 56-Jährigen endet die Familientradition. Dünkels Kinder sind zwar beide im Geschäft tätig, aber im Verkauf, sie stehen nicht mehr in der Backstube. „Bäcker ist einfach ein Männerjob“, sagt Tochter Manon Köhler klipp und klar. Schwere Mehlsäcke schleppen und nachts arbeiten – das ist für die zweifache Mutter nicht attraktiv.

Und die Arbeitszeiten seien mit der Familie nur schlecht zu vereinbaren. Ihr Mann arbeitet im Drei-Schicht-System. Köhler richtet ihre Arbeitszeiten nach seinen Diensten aus. Oftmals ist die 33-Jährige schon fünf Uhr morgens im Geschäft und räumt die Theke ein. Die Verkäuferin schwatzt gern mit den vielen Stammkunden, mag den Kontakt zu den Menschen. Doch die Inflation macht auch der Bäckerfamilie zu schaffen.

Mehl, Zucker, Strom – alles sei teurer geworden. So erhöhte der Bäcker die Preise zuletzt um 20 Prozent. Trotz des vergleichsweise hohen Umsatzes bleibe am Ende des Tages für die Familie heute kaum noch etwas übrig. Steffen Dünkel beschwert sich über hohe Abgaben ans Finanzamt und den Papierkram, der immer mehr zunehme. Dennoch will er in naher Zukunft nochmal in neue Technik investieren – zum wahrscheinlich letzten Mal.

Ein Nachfolger aus der Familie ist nämlich nicht in Sicht. Vielleicht verkauft er das Geschäft irgendwann, aber wohl nur an jemanden, der genauso leidenschaftlich bei der Sache ist wie er selbst. Bis dahin aber schwingt sich Steffen Dünkel noch einige Jahre aufs Rad, um in die Backstube zu kommen. Etwas bequemer hat er es seit Kurzem. Er hat sich ein E-Bike zugelegt. Gina Apitz

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