Als Minnie in der Puccini-Oper „La fanciulla del West“ kehrt die US-amerikanische Sopranistin Meagan Miller an die vertraute Oper Leipzig zurück. Foto: J. Wagner

LEIPZIG. Doch doch, diese Rolle der Minnie ist für Meagan Miller schon etwas Besonderes. „Ihr Herz ist größer als das der anderen in dieser Oper von Giacomo Puccini“, überlegt die US-amerikanische Sopranistin und erzählt mit einem Lächeln: „Ja, ich liebe diese Rolle.“

Nun, da musste sie auch nicht wirklich lange überlegen, als ihr eben diese Rolle der Minnie in „La fanciulla del West“ („Das Mädchen aus dem goldenen Westen“) in der Inszenierung an der Leipziger Oper angetragen wurde. Da ist ja zum einen die Liebe für das Stück, für die Musik, für die Rolle – und zum anderen die Vertrautheit mit dem Haus, mit dem Ensemble. Immerhin hat sie schon in der Rolle der Sieglinde in Richard Wagners „Walküre“ in Leipzig gesungen. Oder als Eva in „Die Meistersinger von Nürnberg“. Eigentlich, erzählt sie, sei es nur um das Organisatorische gegangen, mit der Familie beispielsweise. Und nun sitzt sie im Leipziger Operncafé und strahlt trotz harter Probewochen: „Ich freue mich riesig auf die Premiere!“

Dies hat gleich mehrere Ursachen – ja, eine ganz wichtige ist in der Musik von Giacomo Puccini zu finden. Eine Musik, „die einfach zum Singen einlädt“, wie Meagan Miller überlegt. Und die damit ihrem Naturell entgegen kommt: Weil die Sopranistin zum einen die wunderbare Emotionalität und andererseits die Herausforderungen des Stückes schätzt – und obendrein auch bestens kennt. „Ich habe die Minnie ja erst 2017 in Detroit gesungen“, erzählt sie und ergänzt: „Dadurch war ich in der Lage, diese Rolle in Leipzig sehr kurzfristig zu übernehmen.“ Denn immerhin steht es ja erst seit Ende August fest, dass die amerikanische Sopranistin in die Messestadt zurückkehren wird.
Aber wie schon gesagt – es ist eine Rückkehr in ein vertrautes, auch ein geschätztes Umfeld. „Ich habe Freunde in Leipzig – das hilft ja immer. Und außerdem kenne ich ja das Team in der Oper Leipzig, ich kenne Prof. Ulf Schirmer. Und ich kenne die sehr gute Akustik in dem Haus“, bei diesen Worten wird schnell klar, wie groß die Freude auf diese Premiere tatsächlich ist, ganz ehrlich und ungespielt.
Was dann immer wieder auf diese Rolle der Minnie zurückführt. Und auf diese Geschichte des Wilden Westens, die Giacomo Puccini da erzählt („ohne dass er diesen Wilden Westen jemals gesehen hat“, überlegt Meagan Miller). Eine Geschichte, die eben auch viel mit dem Traum von Freiheit zu tun hat. „Und in dieser Männerwelt muss Minnie als Barbesitzerin so viel Stärke zeigen“, überlegt sie: „Sie hat diese Kraft durch ihre Emotionalität.“ Diese Stärke, diese Emotionalität auch authentisch – nein, sie hat überhaupt keine Angst vor diesem Begriff der Authentizität – auch auf die Opernbühne zu bringen, ist für sie Herausforderung und Erfüllung zugleich. „Eine Debütantenrolle ist die Minnie nun wahrlich nicht“, meint sie mit einem Lächeln.

Ein Stichwort, das zurückführt nach Wilmington, Delaware; nach West Chester, Ohio, nach Chadds Ford, Pennsylvania. „Wenn ich mal so zurückdenke, kann ich erkennen, dass mein Leben eigentlich eine perfekte Ausbildung war“, und sie berichtet davon, wie sie in einer „ganz normalen“, aber durchaus musikalischen Familie aufgewachsen ist. Mit Gesang, aber auch mit Tanz, mit der Malerei und dem Schreiben und nicht zuletzt auch mit der deutschen Sprache. „Ich habe beispielsweise die ‚Meistersinger von Nürnberg‘ gelesen“, erzählt Meagan Miller und gibt zu: „Mein größtes Problem in meiner Jugend war eigentlich, dass ich mich nicht so recht entscheiden konnte.“

Letztlich entschied sie sich doch für den Gesang – weil da immer wieder Lehrer und Unterstützer waren, die sie bestärkten. Und weil es dann doch auf der Hand lag, wie Meagan Miller einschätzt: „Ja, ich bin offensichtlich talentiert, was nicht immer gut ist.“ Aber eigentlich ist sie ein perfektes Beispiel dafür, wie viel man aus diesem Talent mit intensiver, harter Arbeit machen kann. Denn hinter jedem Erfolg bei hochkarätigen Gesangswettbewerben (und da räumt sie schon ein, dass sie eigentlich bei jedem Wettbewerb etwas gewonnen hat) steckt eben diese Arbeit. Diese Leidenschaft. Auch diese Emotionalität, die sie im Gesang leben möchte. „Und plötzlich war ich eine Profisängerin und dies mit gerade einmal 19 Jahren“, der Beginn für eine Karriere, die sie nach New York führte, nach Tokio und Wien, nach Riga und eben auch nach Leipzig. „Ich habe viel von dieser Welt gesehen“, meint sie nachdenklich: „Und sie ist so schön. Ich könnte beispielsweise einen ganzen Tag in einem traditionellen Kabuki-Theater verbringen.“

Eines hat sie sich in den Jahren bewahrt – diese unbedingte Hingabe. „Ich bin am meisten ich, wenn ich auf der Bühne jemanden anderes spiele“, gibt sie zu und ergänzt: „In diesen Momenten gibt es keine wirkliche Trennung – dann ist das Meagan als Minnie, die da in Leipzig singt.“ Dies ist wohl auch der Grund, warum sie sich immer so tief hineingräbt in die Rollen. Oder in die Gedanken der Komponisten, immer auf der Suche nach den Antworten. „Ich möchte die Sachen durchdringen und verstehen, die der Komponist aussagen wollte“, überlegt Meagan Miller: „Nun, ich kenne nun einmal keinen anderen Weg, um mich auf eine Rolle vorzubereiten. Und ich finde, ich kann immer nur so reagieren, wie ich es auch verstanden habe.“ Ja, da ist Hingabe mit Sicherheit ein treffliches Wort – gerade, wenn man fasziniert zuhört, wie sie von den Momenten schwärmt, in denen die Musik so unmittelbar berührt.
Das Erstaunliche dabei – Meagan Miller weiß ebenso gut um die handwerkliche, gar um die physikalische Seite von Musik im Allgemeinen und Gesang im Besonderen. Sie schwärmt ebenso davon, auf feinste Details zu achten. Und sie erklärt, dass sich das Aufgehen in der Rolle und die handwerkliche Arbeit einander bedingen: „Ich muss einfach richtig gut vorbereitet sein, erst dann kann ich auf der Bühne wirklich frei sein.“ Und dann jene außerordentlichen Momente zu erreichen, in denen alles funktioniert in einer wunderbaren Leichtigkeit: „Und von so einem Flow kann man richtig abhängig werden“, meint sie mit einem Lächeln.

Eben diesen Flow möchte sie nun auch als Minnie auf der Leipziger Opernbühne finden. Und sie verspricht, es wird eine eine andere Minnie sein als beispielsweise vor acht Jahren in Palermo. „Heute bin ich selbst Mutter und da erklären sie viele Dinge in dem Stück ganz anders“, berichtet sie von ganz neuen Dimensionen, die sie entdeckt hat. Und mit diesem wunderbaren munteren Lächeln macht sie Appetit auf die Inszenierung: „Außerdem ist Cusch Jung schon sehr clever – er hat da so viel Realität rein gebracht.“
J. Wagner

Termine: Die Oper „La fanciulla del West“ von Giacomo Puccini in der Inszenierung von Cusch Jung und unter der musikalischen Leitung von Prof. Ulf Schirmer mit Sopranistin Meagan Miller in der Rolle der Minnie wird am 3. Oktober, 18 Uhr, 6. Oktober, 19 Uhr, und 28. Oktober, 18 Uhr in der Oper Leipzig gezeigt.

 

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