Schulgeschichte zum Anfassen: In seinem Haus kann Dr. Thomas Töpfer sogar voll ausgestattete Klassenzimmer vorweisen – wie etwa dieses aus einer Volksschule um 1900. Fotos: J. Wagner

LEIPZIG. „Man glaubt gar nicht, welche Gespräche sich manchmal entwickeln zwischen Kindern, Eltern und Großeltern“, erzählt Dr. Thomas Töpfer mit einem Lächeln. Er erlebt diese bemerkenswerten Situationen tagtäglich – als Direktor im Leipziger Schulmuseum.

Manchmal ist man selbst als gestandener Leipziger durchaus erstaunt darüber, was diese Stadt so alles zu bieten hat: Ein Schulmuseum, echt? Ja, das gibt es und dies sogar im Herzen der Messestadt, am Goerdelerring gleich neben dem markanten Eingang zum Stasi-Museum an der Runden Ecke.Und Dr. Thomas Töpfer freut sich mit seinem Team herzlich und aufrichtig über jeden Besucher, der „seinen“ Museumseingang findet und eintaucht in ein spannendes Kapitel Stadtgeschichte. „Unser Thema ist ja ziemlich anschlussfähig“, überlegt der Museumschef: „Immerhin ist ja jeder in die Schule gegangen.“ Und damit habe man nun mal nicht das Problem, den Gegenstand der Ausstellung erst groß und breit erklären zu müssen …

Man kann diesen ganz besonderen Reiz, der oft zu eingangs erwähnten Situationen führt, schnell entdecken – wenn man beispielsweise in jenem Raum steht, der ziemlich spartanisch nach der klassischen Art von DDR-Klassenzimmern eingerichtet ist, mit Polylux, Kartenständer und dem unvermeidlichen Erich-Honecker-Bild. Oder im „Karzer“, dem nachgestalteten Schulgefängnis aus längst vergangenen Zeiten. Oder wenn man viele Blicke wirft, auf die große Sammlung von Dingen rund ums Lernen, zusammengetragen aus vielen Jahrzehnten und Jahrhunderten. Denn genau dies definiert Dr. Thomas Töpfer als eine der ganz wichtigen Aufgaben seines Hauses: „Wir zeigen, wie unterschiedlich Schule sein kann – bis hin zu der Tatsache, dass Schule auch ein Instrument der Ideologie sein kann.“

Für den studierten Bildungshistoriker ist seine Arbeit eine wahre Erfüllung – und er bringt den hohen Anspruch mit, dass das Schulmuseum nicht einfach ein Ort von nostalgischen Erinnerungen ist. „Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Geschichte von Bildung und Schule ist in Deutschland erst seit ein paar Jahrzehnten ein echtes Thema“, überlegt er: „In anderen europäischen Ländern wie etwa in Frankreich war man da schon wesentlich weiter.“ Deshalb wagt das Schulmuseum einen spannenden Spagat – als ein Werkstatt-Museum, das anschaulich Schulgeschichte vermitteln will. Zum Anfassen, zum Miterleben – dies ist gerade bei Besuchen von Schulklassen in vielen Bereichen ausdrücklich gewünscht. Und eben auch als Ort der Wissenschaft, an dem intensiv geforscht wird. Spuren findet man auch bei einem Gang durch die Räume, in der kleinen Bibliothek, in der Studenten Dokumente und Zeitzeugnisse sichten und auswerten …

Die Sammlung des Hauses ist tatsächlich bemerkenswert und lässt erst einmal staunen – runde 50000 Objekte sind in der Datenbank erfasst, wie der Museumschef erzählt. Zehntausende Schulbücher, aber auch Hefte, Zeugnisse, Erinnerungen, Urkunden, die nicht selten aus Schenkungen stammen: „Die Sammlung lebt letztlich davon, dass uns Privatpersonen verschiedene Dinge überlassen.“ Und Dr. Thomas Töpfer berichtet mit einem Lächeln davon, wie wunderbar es ist, bei dieser Gelegenheit in gelebte Schulgeschichte einzutauchen. Und zu erleben, wie aus Geschichte Geschichten werden, die wiederum Großes offenbaren können. „Wenn man sich fragt, wie Schule funktioniert, landet man auch schnell bei der Frage, wie eine Gesellschaft funktioniert“, überlegt er.

Da erstaunt es auch nur auf den ersten Blick, wenn Dr. Thomas Töpfer davon erzählt, dass es viele internationale Gäste sind, die in sein Haus kommen. Klar, da ist sie wieder, die Feststellung, dass letztlich alle zur Schule gegangen sind. Aber andererseits gibt es eben auch Besucher aus Südkorea, die das Museum aus der Sicht eines nach wie vor geteilten Landes sehen. Oder Gäste, die angeregt davon berichten, wie unterschiedlich Schule in den verschiedenen Ländern dieser Erde sein kann.

Eine Vielschichtigkeit, die in jeglicher Hinsicht willkommen ist im Leipziger Schulmuseum. „Natürlich wollen wir, dass beispielsweise Schulklassen in unterschiedliche Rollen schlüpfen – gern auch einmal in die Rolle des Lehrers“, überlegt Dr. Thomas Töpfer. Und nach einer Pause ergänzt er: „Manchmal kann man es ja richtig spüren, wie aktuell die Auseinandersetzung mit Schulgeschichte, mit der Schule ist. Zum Beispiel beim aktuellen Bildungsstreik: Da geht es letztlich auch um die interessante Frage, wie viel Demokratie es eigentlich an unseren Schulen gibt.“

Es sind solche spannenden Fragen, auf die man bei einem Gang durch die zwei Etagen des Schulmuseums immer wieder stößt. Und auf die man auch immer wieder gern gestoßen wird vom Museumsleiter – Dr. Thomas Töpfer sieht sein Haus unbedingt mittendrin in der Leipziger Stadtgesellschaft. „Wir sind mit unserer Arbeit noch lange nicht fertig“, überlegt er: „Auch deshalb erheben wir als städtisches Museum keinen Eintritt und bieten auch außerhalb von Öffnungszeiten nach Anfrage Führungen an.“ Damit diese unbezahlbaren, wunderbaren Momente bleiben, „wenn ein Schüler seine Eltern zu uns ins Museum mitbringt“. J. Wagner

Weitere Infos findet man unter www.schulmuseum.leipzig.de.

 

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