Bockwindmühle Lumpzig Proben zu Krabat laufen - Mystery-Musical nach einer sorbischen Volkssage Text von Manuel Kressin -- Krabat Sebastian Schlicht, Müller Thomas C. Zinke, Tonda Adrien Papritz Foto: Mario Jahn
Bockwindmühle Lumpzig Proben zu Krabat laufen - Mystery-Musical nach einer sorbischen Volkssage Text von Manuel Kressin -- Krabat Sebastian Schlicht, Müller Thomas C. Zinke, Tonda Adrien Papritz Foto: Mario Jahn

Altenburg. Doch, doch, die Euphorie ist auf jeden Fall zu spüren – ist ja auch eine besondere Situation für Sebastian Schlicht: Endlich mal wieder auf einer (Theater-)Bühne zu stehen und dies dann auch noch unter freiem Himmel im Schatten der Bockwindmühle Lumpzig. „Gerade nachts, wenn sie beleuchtet ist, ist die Atmosphäre großartig“, erzählt der Schauspieler von den ersten Erfahrungen mit jenem Ort, an dem im Juli passenderweise das Mystery-Musical „Krabat“ zu sehen sein wird. Und dann ist da ja auch noch der Stoff, der ihn längst in den Bann gezogen hat.

Es war das Buch von Otfried Preußler – geschrieben nach der sorbischen Sage – das für Begeisterung gesorgt hatte: „Die Figuren haben da alle eine wunderbare Präsenz. Und nicht zuletzt werden hier eben auch die dunklen Seiten so beleuchtet. Wobei der Stoff durch die Sage schon eine gewisse Düsternis mitbringt.“ Als wären diese ganzen Punkte – der Bühnenstart nach so vielen Monaten Pause, das Open-Air-Spielen an einem wunderbaren Ort und ein starker Stoff – nicht schon Anreiz genug für Sebastian Schlicht, in die Titelrolle des Krabat zu schlüpfen, kommt noch ein weiterer Anreiz hinzu: In dem Musical kann er die Verbindung von Gesang und Schauspiel auf die Bühne bringen. Schon ein Traum, wie er mit einem Lächeln bekennt.

Vielseitigkeit und Fitness bei Schauspielern gefragt

Der bekennende Musikliebhaber ist auf den ersten Blick zu erkennen, am T-Shirt von Pink Floyd. Und die Liebe zu Klängen wurde in der Familie („Hier hat jeder einen musikalischen Background.“) gewissermaßen in die Wiege gelegt – der Schauspieler selbst hat nicht nur das Singen, sondern auch das Klavierspielen gelernt. „Diese Verbindung hilft ungemein – Schauspiel ist schließlich auch Rhythmus“, überlegt er. Dann wäre da auch noch der Punkt der gelebten Vielseitigkeit, die Sebastian Schlicht etwa bei Peer Augustinski immer so mochte. Und die in diesen Tagen wieder richtig gefragt ist an den Theatern des Landes: „Je mehr man kann, desto besser – deshalb achtet man inzwischen schon darauf, dass Schauspieler auch singen können.“

Musical-Erfahrung bringt er auch noch mit. Und aus seiner Freude an dem Genre macht er auch keinen großen Hehl – auch wenn das Musical in der Kombination aus Schauspiel, Gesang und jeder Menge Bewegung schon immer wieder eine körperliche Herausforderung ist. „Aber ich mag es, abends im Bett zu liegen und zu spüren, dass man etwas gemacht hat“, sagt er mit einem Lächeln und weist zusätzlich noch einmal darauf hin, als Krabat unter freiem Himmel zu spielen: „Da müssen die Gesten noch einmal ein bisschen größer sein, also ist noch mehr Fitness gefragt.“ Erst recht nach dieser langen (Bühnen-)Pause.

Publikum spielt eine Rolle

„Wir haben alle ziemlich schnell gespürt, dass wir wieder unsere Routine finden müssen“, erzählt er von den Augenblicken, in denen „man richtig kaputt gewesen ist“, von den Momenten, in denen man auch wieder neu lernen musste, „die Stimme richtig zu benutzen“. Die Pandemie habe schon etwas gemacht mit einem, sagt er nachdenklich und spricht von Dankbarkeit. Zum Beispiel. „Ich habe mitgenommen, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass man diesen Beruf als Teil eines Ensembles ausüben kann. Und dass es komisch ist, wenn wir wie etwa bei der jüngsten Gala nur vor ganz wenigen Leuten auftreten: Man spielt gegen eine Wand und es kommt nichts zurück.“

Denn eines hat er in seinen Jahren auf der Theaterbühne gelernt: „Das Publikum spielt immer eine Rolle, auch wenn es keine Rolle spielt. Die Präsenz von Menschen spürt man immer. Und deshalb machen die Reaktionen aus dem Publikum auch etwas mit einem.“ Was für Sebastian Schlicht das Spannende am Theaterspielen ist – auch wenn die Leidenschaft für das Schauspiel eher durch (amerikanische) Filme entfacht wurde. „Stars Wars“ und „Brokeback Mountain“ sind die Namen, die dann fallen. Aber nahe lag natürlich die Theaterbühne, mit all den Facetten und Vielschichtigkeiten. „Ich habe damals im Theaterverein angefangen und dachte damals: Ah, das ist also Theater“, erzählt er wieder mit einem Lächeln: „Später beim Studium sagte ich mir dann wieder: Aha, das ist also Theater. Und beim ersten Engagement in einem Ensemble kam erneut die Erkenntnis: Ah, DAS ist also Theater.“

Auch im Musical „Spamalot“ konnte Sebastian Schlicht seine Vielseitigkeit unter Beweis stellen. Foto: Ronny Ristok
Auch im Musical „Spamalot“ konnte Sebastian Schlicht seine Vielseitigkeit unter Beweis stellen. Foto: Ronny Ristok

Erstes Engagement in Annaberg-Buchholz

Wobei er mit seinem ersten Engagement am Eduard-von-Winterstein-Theater in Annaberg-Buchholz das Glück auf seiner Seite hatte. 2014 war das, vier Jahre sollte er bleiben in einer Atmosphäre des Förderns und Forderns. „Als junger Schauspieler konnte man viel ausprobieren – auch in großen Rollen“, erzählt Sebastian Schlicht: „Die erste Hauptrolle kam ein halbes Jahr nach dem Engagement und das war schon eine echte Herausforderung: Man muss sich da schon richtig vor dem Ensemble behaupten.“ Inzwischen ist er seit der Spielzeit 2018/2019 am Theater Altenburg Gera und hat trotz seines jungen Alters schon eine Menge Erfahrungen gesammelt – was spannenderweise die Neugier auf Entdeckungen eher befeuert hat: „Inzwischen habe ich mich eher davon wegbewegt, dass ich bestimmte Wunschrollen habe. Es gibt doch so viele Dinge, die man ausprobieren kann.“

Der Krabat zählt da sicher dazu – wobei da wohl auch einiges an Sebastian Schlicht drinsteckt. „Ganz ehrlich? Ich musste mich wirklich nicht groß in diese Rolle reinversetzen“, erzählt er: „Zum einen passt das vom Alter richtig gut. Und außerdem finde ich, dieses Rebellische, dieses Kämpferische, dieser Willen, Dinge zu beeinflussen, das alles steckt doch in jedem von uns drin.“ Wobei er auch ganz gut um die Gefahren weiß, die im Schauspiel stecken. Wenn man in einer Rolle so aufgeht, dass es da keine Trennung mehr gibt. „Natürlich steckt in jeder Rolle auch Sebastian drin – die Idee, in eine andere Rolle schlüpfen zu können ist der Grund, warum ich diesen Beruf mache“, überlegt er: „Aber ich bin kein Fan von Method Acting. Man muss schon schauen, dass sich Rolle und eigene Persönlichkeit nicht zu sehr vermischen.“

Licht und Schatten am Theater

Es ist ein spannender Blick hinter die Theaterkulissen, die er da ermöglicht. Hinter die Kulissen des Schauspiel-Berufs obendrein. Weil er so offenherzig und ehrlich ist. „Man sollte den Beruf des Schauspielers ebenso wenig glorifizieren wie die Arbeit an einem Theater – aber es ist dann doch schon etwas Mystisches. Es gibt da diese Besonderheit der kreativen Arbeit“, sagt er und weist auf Licht und eben auch Schatten hin. „Jeden einzelnen Tag auf der Bühne alles geben – das hält man nicht durch. Dies ist das Schöne an einem großen Ensemble: Es gibt die Ruhepausen, die man einfach braucht, damit es keine Fließbandarbeit wird.“ Und nach einer kleinen Pause zieht er einen durchaus überraschenden Vergleich: „Ein wenig ist es wie ein Beruf in einem Krankenhaus: Man muss auch lernen, die Arbeit im Theater zu lassen.“

Klingt irgendwie nüchtern, aber ist schon überlebensnotwendig, meint Sebastian Schlicht. „Auf lange Sicht gesünder. Gerade in einem Theater, in dem man in so vielen unterschiedlichen Rollen steckt.“ Denn dann gibt es auch kein Ausbrennen, kein Verharren in der erwähnten Fließbandarbeit, sondern immer wieder die Lust auf die neuen Herausforderungen. Vielseitigkeit ist für den Schauspieler schließlich keine Last, sondern Lust. Auch, weil er am Theater Altenburg Gera so viele Mitstreiter hat, die diese Lust befeuern. Manuel Kressin zum Beispiel, der das Stück „Krabat“ in Lumpzig inszeniert, oder Olav Kröger, als Schauspielkapellmeister verantwortlich für die Musik bei dem Open-air-Event. „Olav ist einfach ein Genie am Klavier“, sagt der Schauspieler mit Bewunderung in der Stimme: „Das gibt mir so viel Input … macht einfach Spaß.“

Sebastian Schlicht in einer Szene aus der Schauspielproduktion „Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“. Foto: Ronny Ristok
Sebastian Schlicht in einer Szene aus der Schauspielproduktion „Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“. Foto: Ronny Ristok

Bühnen-Balance finden

Was ebenfalls geblieben ist, ist der Respekt. Dieser Funken Nervosität vor dem Gang auf die Bühne, auch das extra-große Aufgeregtsein vor der Premiere. „Ist auch eher Lust als Last“, sagt Sebastian Schlicht lächelnd: „Und es ist auch gut so, damit man nicht zu locker an die Sache rangeht.“ Das Einfache, das so schwer zu machen ist – diese Bühnen-Balance zu finden zwischen Lockerheit und Anspannung. Auch so ein Punkt, der das Mystische ausmacht am Schauspiel. „Zum Beispiel Fehler – die passieren nun mal, auch am Theater. Und ja, die muss man auch zulassen, was eine wichtige Erkenntnis ist“, erzählt er und ergänzt: „Letztlich hat jeder seine eine Methode, um sich frisch zu halten. Manchmal muss man die Dinge auch mal ganz bewusst anders machen als gewohnt.“

Ganz zum Schluss stellt sich der Schauspieler einer großen Aufgabe – der Suche nach der Antwort auf die Frage, was Theater ist. „Ich hätte gern ein Wort, das es auf den Punkt bringt“, meint er versonnen: „Aber es ist schwierig zu erklären.“ Und nach einer Weile ergänzt er: „Ich persönlich finde, Theater ist eine Anregung zur Diskussion. Ein Blick in die Seele. Und manchmal auch ein Blick in die Abgründe – was ich selbst sehr spannend finde. Denn da gibt es schon einen Wunsch nach den düsteren Seiten der menschlichen Existenz, nach den Dingen, die man nicht so gern wahrnimmt.“

Vielleicht, so blickt er in die Zukunft, möchte er diese Auseinandersetzung sogar noch ein Stückchen weiterführen. Denn Sebastian Schlicht hat gelernt, das jede Beschäftigung mit einer Rolle einen ein wenig weiterbringt. Oder anders gesagt: „Sobald ich eine Figur verstehen kann, habe ich meine Sicht erweitert.“ Was dann ebenso naheliegend wie logischerweise zu dem Gedanken führt, auch mal von der Bühne zu wechseln: „Auch wenn es im Moment nur ein Wunsch ist – Regie würde ich schon gern mal führen.“

Das Mystery-Musical „Krabat“ feiert am Freitag, 2. Juli, 21 Uhr seine Premiere im Schatten der Bockwindmühle Lumpzig; danach kann man es bis Ende Juli sehen. Informationen und Tickets: www.theater-altenburg-gera.de

Jens Wagner