Prof. Dr. Eszter Fontana – eine Musikwissenschaftlerin und Musikvermittlerin aus Leidenschaft. Und obendrein jemand, der ganz viel Werbung für ehrenamtliches Engagement macht. Foto: Winfried Kurtzke

Leipzig. Gerade zur Weihnachtszeit macht sich der ein oder andere ja so seine Gedanken – über das oft so flüchtige Glück im Leben zum Beispiel. Da hat Eszter Fontana eine guten, weil selbst gelebten Rat: „Mein Aufruf: Geht ins Ehrenamt! Engagiert Euch! Ich kann nur aus eigener Erfahrung berichten: Es macht mich wirklich glücklich. Eigentlich ist mein persönliches Glücks-Geheimnis so schnell erklärt: Alles muss im Gleichgewicht sein – Familie, Beruf, Interessen und Ehrenamt.“

Und mit einem Lächeln erzählt die gebürtige Budapesterin und Musikwissenschaftlerin, die in der Messestadt als Direktorin des Musikinstrumentenmuseums der Universität Leipzig ihre Spuren hinterlassen hat, von jener geradezu strategischen Planung in Sachen Ehrenamt: Entsprechend engagiert war sie schon immer, mit dem 60. Lebensjahr habe sie sehr bewusst damit begonnen, diese Vereinsarbeit auch zu steuern. „Als ich dann 2013 in den Ruhestand gegangen bin und es dazu eine große Feier gab, wurde mir prophezeit, dass ich nun in ein großes Loch fallen werden“, erzählt Eszter Fontana: „Aber ich kenne dieses Loch einfach nicht.“ Das Lächeln wird noch ein wenig intensiver: „Ich hatte mich ja vorbereitet.“ Mit dem Engagement in der Leipziger Notenspur zum Beispiel oder im Verein Mitteldeutsche Barockmusik in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, aber auch in der Mitarbeit in der Stiftung Bürger für Leipzig, „hier fühlte und fühle ich mich menschlich und fachlich richtig gut aufgehoben“.

Dabei ist es eine bemerkenswerte Geschichte, wie die ungarische Musikwissenschaftlerin ihr „Comeback“ in Leipzig feierte. In jener Stadt, in der sie einst ihr Handwerk – und dies im wahrsten Sinne des Wortes, dazu später mehr – als Restauratorin von Musikinstrumenten gelernt hatte. Es passiert schließlich nicht alle Tage, dass man regelrecht gerufen wird und dies sogar von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eines Museums selbst. Rückblende ins Jahr 1995, in eine Zeit, die für Leipzig keine einfache war – gezeichnet von der Angst, die Messestadt könne in die komplette Bedeutungslosigkeit abrutschen. Und eine Zeit, in der kulturelle Themen nicht ganz oben auf der Agenda standen. Genau in dieser Zeit suchte man am Musikinstrumentenmuseum einen neuen Direktor. „Ich hatte die Wahl: In Ungarn hatte ich eine gute Stelle, in der ich wirklich gern gearbeitet habe“, erzählt Eszter Fontana – aber diesem dringenden Ruf nach Leipzig musste sie dann doch folgen: „Also habe ich die erste Bewerbung meines Lebens geschrieben.“

Naja, die Gründe lagen für sie auf der Hand: „Die Sammlung kannte ich ja schon und sie ist wirklich toll.“ Zur Einordnung: Das Leipziger Musikinstrumentenmuseum ist mit seinen rund 5500 Bestandseinheiten (so der offizielle Begriff) immerhin das zweitgrößte seiner Art in der ganzen Welt. Und weil Eszter Fontana eben auch die Qualität der Sammlung bestens kannte, „war es den Versuch unbedingt wert. Sicher, die Verantwortung war groß, aber es lohnte sich, diesen Schatz einer breiten öffentlichen Beachtung zuzuführen“. Denn genau dies war die Herausforderung: Das Musikinstrumentenmuseum zu wecken aus einem Dornröschenschlaf (oder welche Leipzigerin, welcher Leipziger kannte anno 1995 diese Einrichtung?) und richtig einzuordnen in das weltweite Bild einer Stadt, die sich in der Folge mehr und mehr als Musikstadt definieren sollte.

Eine große Aufgabe und Herausforderung. Und eine, die im Rückblick aus dem Jahr 2021 schon als gemeistert gesehen werden kann: Es ist vor allem eine Strahlkraft weit über die Stadtgrenzen von Leipzig hinaus, die das Musikinstrumentenmuseum auszeichnet – rund die Hälfte der Besucherinnen und Besucher kommen aus dem Ausland. Musik, da ist sich Eszter Fontana sicher, ist ja an sich ein für Menschen hochinteressantes Thema, „aber in diesem speziellen Fall war es schon schwierig, die Balance mit dem Bewahren und Erweitern des Fachwissens hinzubekommen“. Nach einer kleinen Pause ergänzt sie: „Es geht um eine Kombination von Fachwissen und Herz. Bei der Entwicklung der Konzepte hat mir sicherlich geholfen, dass ich faktisch im Museum aufgewachsen bin. Und da habe ich mir schon früh Gedanken über Museumsbesuche gemacht. Und wenn ich eine Gesellschaft komplett in einem Haus abbilden will, dann muss man auch die entsprechenden Angebote machen.“ Denn es sind vor allem die Menschen, die Eszter Fontana interessieren. Und dies schon immer – auch wenn dies zunächst erstaunlich klingt angesichts der Leidenschaft für Musikinstrumente. Aber sie hat eine naheliegende Erklärung: „Instrumente ohne Menschen sind ja nichts.“

Den Blick auf Musikinstrumente im Besonderen und auf Museen im Allgemeinen hatte Eszter Fontana schon in Budapest in die Wiege gelegt bekommen: Die Mutter arbeitete im Museum für Bildende Kunst, der Vater hatte gar ein Buch über Musikinstrumente geschrieben. „Die anderen Kinder haben Briefmarken gesammelt oder Streichholzschachteln. Aber das hatte mich nicht interessiert – ich habe lieber Reproduktionen von Kunstwerken gesammelt“, erinnert sie sich. Da lag es auf der Hand, gern mal selbst im Museum unterwegs zu sein im zarten Alter von 14 Jahren. Der große Aha-Moment folgte dann zwei Jahre später, daran erinnert sie sich noch ganz genau – an den Besuch der Leipziger Instrumentenbauerin Renate Ammer.

Nun, genau genommen war es eine Dienstreise, die die Leipzigerin ins Gästezimmer ihrer Familie führte. „Sie sollte ein Musikinstrument im Nationalmuseum restaurieren und dabei habe ich natürlich zugesehen“, mit einem wahrlich bemerkenswerten Ergebnis, denn da war die lebenslange Leidenschaft gefunden: „Diese Verbindung aus Handwerk und Kunst hat mich sofort fasziniert.“ Da ist es wieder, das Handwerk. Jenes Handwerk, das sie von der Pieke auf gelernt hat als Restauratorin von Musikinstrumenten. Ein echter Vorteil, weiß sie zu berichten: „Durch diese Ausbildung habe ich ein großes Verständnis der musealen Objekte im Haus – ich kann zum Beispiel auf den ersten Blick die jeweiligen Holzarten unterscheiden. Und die Kenntnis über die Technologie ist schon wichtig, wenn ich mir eine alte Geige anschaue.“ Ach ja – die Lust am Handwerk hat sich Eszter Fontana bis zum heutigen Tag erhalten …

Mein Leipzig lob‘ ich mir – dieser Spruch aus der Feder vom Dichterfürsten Johann Wolfgang Goethe kommt einen öfter in den Sinn im Gespräch mit der gebürtigen Budapesterin. Etwa, wenn Eszter Fontana mit Nachdruck erklärt: „Wenn man ein gutes Museum machen will, muss man sich auch mit der Stadt auseinandersetzen, in der das Museum steht.“ Und dann ergänzt: „Mir war die Musikstadt Leipzig immer wichtig. Und deshalb hatte ich schon früh erkannt, dass alle entsprechenden Einrichtungen in der Stadt nur zusammen etwas erreichen können.“ Die Idee lag auf der Band: Kein Mensch, der sich auf den Weg nach Leipzig macht, hat nur den Besuch einer Einrichtung im Sinn – es gehe da doch immer um das gesamte musikhistorische Paket.

Ein einmaliges Paket auch deshalb, weil diese Musik im alltäglichen Leben der Stadt nach wie vor mitschwingt. Dazu hat Eszter Fontana – die selbst in einem Laienorchester in Leipzig spielt – auch eine schöne Erzählung: „Wenn ich mit meinem Cello in der Straßenbahn zur Probe fahre, dann sind immer mindestens zwei weitere Menschen mit Instrumenten unterwegs – und die spielen nicht in meinem Ensemble. Es gibt hier so viele wunderbare Beispiele für gelebte Musik, etwa das Projekt Klänge der Hoffnung.“ Und dann ist man auch ganz schnell bei der Leipziger Notenspur und da vor allem der Notenspur-Nacht, die ihr ganz besonders am Herzen liegt. „Da war ich immer mit Begeisterung dabei – eben auch, weil ich die Menschen bei der Musik beobachten konnte.“

Womit man wieder beim Ehrenamt ist – diese Nacht würde es ohne das entsprechende Engagement nicht geben. Und es ist ein Punkt, bei dem Eszter Fontana durchaus nachdenklich und auch grundsätzlich wird: „Es ist doch dieses Ehrenamtliche, das die Gesellschaft voranbringt. Und ja, manchmal ist man in diesen Tagen schon verzweifelt, wenn man sich die Gesellschaft heute anschaut.“ Dies tut jemanden, dem das menschliche Miteinander als lebenslange Leidenschaft stets am Herzen lag, ganz besonders weh. Jemanden, der sich seinen Leitspruch aus der Schulzeit in Ungarn aus den 50er-Jahren mitgenommen hatte. „Tu jeden Tag etwas Gutes – das stand da, frei übersetzt. Und ich habe gemerkt, dass dies genau zu mir passt“, erzählt sie. Nicht zuletzt, weil dieser Leitspruch sich auch in Leipzig erfüllte – in dieser Offenheit einer Messestadt, die nicht zuletzt durch die Buchmesse geprägt wurde. „Ich möchte, dass diese positive Grundstimmung bleibt“, sagt Eszter Fontana mit Überzeugung und ergänzt: „Und ich möchte, dass sich die Menschen für ihre Stadt interessieren und dann aus diesem Interesse auch etwas machen. Bitte nicht aufgeben – auch in den Zeiten von Corona nicht.“

Ach ja – über eines muss noch gesprochen werden, weil dies eine bemerkenswerte Verbindung ist zwischen Ungarn und Leipzig. „Ich bin eine echte Kaffeetante“, sagt Eszter Fontana mit einem Lächeln: „Als Ungarin habe ich selbstverständlich eine Espressomaschine – das haben wir von Italien übernommen. Stark muss der Kaffee sein und nicht zu süß, dafür aber gern mit Milch.“ Und dann – das gehört nun mal dazu – das Genießen in manchmal kleiner Runde am Frühstückstisch oder mit vielen Menschen beim Gespräch. Hauptsache zusammen mit anderen.

Und zum Thema Weihnachten hat sie noch eine wunderbare Geschichte: „Etwa 20 Jahre lang habe ich in der Adventszeit immer junge Menschen – die meisten waren hiesige Musikstudenten aus Ungarn – zum Plätzchen backen eingeladen. Etwa 8 bis 10 Personen sind da gekommen, wir haben nach der „Arbeit“ zusammen gegessen und uns unterhalten. Die Plätzchen wurden dann in Tütchen mitgegeben. Seit der Pandemie haben wir es nicht machen können.“ Das Schöne daran: Es sind diese Geschichten, die zeigen, wie eng sich Eszter Fontana mit Menschen verbunden fühlt – auch in dieser ganz besonderen Form der Jugendarbeit. „Einmal hat mich eine junge Frau aus dieser Truppe angerufen: sie war frisch verheiratet, bereits hoch schwanger. Ihr Problem: sie konnte nicht kochen. Was soll sie machen?“, erzählte sie: „Ich habe ihr angeboten, dass ich ihr die Grundgriffe beibringe. Sie hat mich drei-vier Mal besucht, und wir haben gemeinsam gekocht. Ein halbes Jahr später war das Baby schon da und ich bin zu ihr eingeladen worden. Ich sah eine glückliche Familie, mir wurden Kaffe und selbst gebackene Kekse angeboten.“ Dann sagt sie mit einem Lächeln: „Oft reicht es, anderen zuzuhören und ein offenes Herz zu haben.“ Jens Wagner

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here