Luise Wonneberger in ihrem Atelier in Leipzig. Foto: André Kempner
Luise Wonneberger in ihrem Atelier in Leipzig. Foto: André Kempner

In der Werkstatt liegt ein großer Stoffvorhang auf einem Tisch, an den Wänden hängen Garne in verschiedenen Farben, daneben steht eine alte Nähmaschine, auf einem Regal stapeln sich Siebdruckplatten. Luise Wonneberger sitzt auf einen Hocker mitten in ihrem kleines chao­tischen Reich und zeigt mit den Händen mal in diese, mal in die andere Richtung.

Seit einem knappen Jahr hat die Textilkünstlerin im Leipziger Osten ein neues Domizil gefunden. Der kleine Raum mit Kachelofen reicht ihr, um kreativ zu sein und neue Projekte zu entwickeln. Vor allem handgefertigte Puppen stehen derzeit im Fokus der ­36-Jährigen.

Nachhaltigkeitspreis der Verbraucherzentrale

Für ihr selbst gebasteltes ­Puppentheater bekam sie jüngst den Nachhaltigkeitspreis der Verbraucherzentrale in Leipzig. Für die Puppen nutzt Luise ­Wonneberger alles, was ihr in die Hände fällt: alte Klamotten, Stoffreste, ausrangierte Matratzen.

„Es geht darum, dass man Recyclingmaterial benutzt, um etwas Lustiges damit zu machen.”

Die Stangen, mit denen die Hände der Puppen angehoben werden können, stammen von einem ­alten Flugdrachen. Für die ­Augen verwendet sie häufig ­bemaltes Pappmaché. Kurz­waren wie Garn oder Stoffreste bekommt Wonneberger oft über Haushaltsauflösungen. „Es geht darum, dass man Recyclingmaterial benutzt, um etwas Lustiges damit zu machen”, sagt sie und betont: „Man kann ein schönes Event organisieren, ­ohne dafür viele Ressourcen zu verbrauchen.”

Idee stammt vom Ostlichterfestival

Die Idee für ihre „Pupp’n’ Roll Show” hatte sie im Herbst auf dem Leipziger Ostlicher-Festival, an dem sie sich beteiligte. Bei der Aktion sollten die Leute Puppen aus Schaumgummi und Stoff selbst basteln. Vor allem Kinder tobten sich kreativ aus – und ließen ihre Puppen im Anschluss ihre Lieblingslieder auf der kleinen Bühne selbst performen. ­Wonneberger merkte, dass sich ­Erwachsene damit eher schwer taten. „Die meisten sind da sehr zurückhaltend, aber die Kinder legten einfach los.”

Mit ihrer Schreibmaschine vom Flohmarkt näht Luise Wonneberger in ihrem Atelier Kleidung für die handgemachten Puppen. Foto: André Kempner
Mit ihrer Schreibmaschine vom Flohmarkt näht Luise Wonneberger in ihrem Atelier Kleidung für die handgemachten Puppen. Foto: André Kempner

Deshalb will die Designerin mit ihren Puppenbastel-Workshops künftig durch Kindergärten oder Schulen tingeln – und dort gemeinsam mit den jungen Teilnehmern neue ­Figuren gestalten. Die Themen der Puppenshow seien breit gefächert: Kürzlich haben alle Kinder Roboter gebastelt, weil das sehr leicht sei. „Da musst du nur Quader aus Schaumstoff ausschneiden.” Dazu sangen die Kids Robotersongs.

Bühnenbild für befreundete Puppentheaterspieler

In ihrer Werkstatt arbeitet Wonneberger an eigenen Projekten, aber auch an Aufträgen. Derzeit näht sie ein Bühnenbild für befreundete Puppentheaterspieler. Ab April ist sie nachmittags wieder viel auf dem Bauspielplatz im Leipziger Osten anzutreffen. 40 Stunden im Monat ist sie dafür während des Sommers beim Jugendamt der Stadt angestellt, um den Spielplatz zu betreuen. Auf dem können sich Kinder ab sechs Jahren handwerklich austoben, können Hütten oder Schilder bauen oder einfach nur zusammen abhängen. „Ich bin so ein bisschen die Hausmeisterin auf dem Platz”, sagt sie. Wonneberger räumt auf, repariert und besorgt neues Baumaterial.

Für einen Freund entwarf die Leipziger Designerin vor einer Weilediese bunte Affenmaske. Foto: André Kempner
Für einen Freund entwarf die Leipziger Designerin vor einer Weile diese bunte Affenmaske. Foto: André Kempner

Die Kinder bekommen gegen einen Pfand Werkzeuge wie Hammer und Säge und können dann einfach loslegen. Nägel werden nur in Maßen verteilt, erklärt Wonneberger. „Sie sind so ein bisschen die Währung auf dem Platz”, sagt sie. „Man muss sich neue verdienen, indem man alte irgendwo herauszieht.” Auch hier steht der Recycling­gedanke im Vordergrund. „Wir wollen den Kindern vermitteln, dass man Holz nicht verbrennt, nur weil da ein paar Nägel drinstecken, sondern dass man das wieder auseinanderbauen kann.”

Wonneberger und ihre Kollegen sind als Ansprechpartner vor Ort, unterstützen die Kids bei ihren Vorhaben. Am Anfang beginnen die meisten damit, mal eine Leiter an dem riesigen ­Gerüst zu reparieren, das schon vorhanden ist. „Da können die Kinder üben, die richtige Länge für eine Sprosse zu finden und zu hämmern.” Andere bauen zu Beginn ein eigenes Schild, das sie bemalen können. „Es kommen aber auch total viele Kinder einfach nur zum Rumhängen”, sagt Luise Wonneberger.

Kinder seien sehr vorsichtig beim Umgang mit den Werkzeugen

Es komme auch mal vor, dass sich ein Kind mit einem Hammer auf die Hand haut, das sei aber eher selten. Häufiger sind es Splitter, die Wonneberger und ihre Mitstreiter aus den Kinderfingern ziehen . „Es ist super selten, dass sie sich ernsthaft wehtun.” Die meisten Kinder seien sehr vorsichtig beim Umgang mit den Werkzeugen. Mit einem Pflaster aus dem Medikit sei in den meisten Verletzungsfällen schon geholfen.

Die Arbeit auf dem Bauspielplatz ist ein Standbein der Designerin. Das Puppentheater soll nun langfristig das zweite werden. Wonneberger hat schon vieles ausprobiert und manches wieder verworfen, wenn sich eine Idee als weniger lukrativ ­herausstellte. Eine Zeit lang nähte sie Puppen und versuchte diese auf Märkten und in kleinen Geschäften zu verkaufen. Inzwischen hat sie dieses Geschäft an den Nagel gehängt. „Von Markt zu Markt zu tingeln, das hat sich irgendwann nicht mehr sinnvoll angefühlt, weil die Nachfrage zu gering war.” Doch für eine Firma als Textildesignerin zu arbeiten, das kam für Luise Wonneberger nie in Frage.

Geboren in Zwenkau, aufgewachsen in Leipzig

Geboren wird sie 1988 in Zwenkau, weil ihr Vater damals nur dort im Krankenhaus bei der Geburt dabei sein durfte, erzählt sie. Zu DDR-Zeiten sind Väter im Kreißsaal normalerweise nicht erlaubt. Wonneberger hat einen älteren Bruder, die Familie lebt lange in einer Wohnung in der Nikolaistraße im Leipziger Zentrum („als man da noch wohnen konnte”). Eine kreative Ader zeigt sich bei ihr schon früh. ­„Ich habe schon immer gerne Musik gemacht und auch gern gebastelt.” Sie entwirft Bücher und andere Utensilien für ihre ­Kuscheltiere, näht sich später selbst ihre Klamotten.

Nach dem Abitur zieht Luise Wonneberger nach Halle und beginnt an der Burg Giebichen­stein ein Studium in Textildesign. Die Wahl des Studiengangs hängt wohl auch mit ihrer Mutter zusammen, überlegt sie. Diese wollte zu DDR-Zeiten Lehrerin werden, durfte das aber nicht, weil ihre Mutter in den Westen abgehauen war. So studierte sie Textilökonomie, war aber mit der wirtschaftswissenschaft­lichen Ausrichtung des Studiums unzufrieden. „Sie hätte lieber weben und nähen gelernt.”

Keine leidenschaftliche Textildesignerin

So erfüllt Wonneberger den Wunsch ihrer Mutter, schließt das Studium mit einem Bachelor ab – und realisiert, dass es gar nicht ihr eigener Traum ist. „Ich habe gemerkt, dass ich keine leidenschaftliche Textildesignerin bin.” Klassischerweise konzen­triert man sich in dem Beruf auf Entwürfe für die Industrie – etwa Bezüge für Autofirmen oder Vorhänge für Einrichtungshäuser. „Umgesetzt werden die Ideen dann von Maschinen.” Für Luise Wonneberger viel zu langweilig. „Ich gehe eher in die spielerisch-illustrative Richtung und verknüpfe meine Arbeit lieber mit Aktionen.”

Auf dieser selbst gemachten Minibühne lässt die Küsntlerin ihre Puppen "tanzen". Foto: André Kempner
Auf dieser selbst gemachten Minibühne lässt die Küsntlerin ihre Puppen „tanzen“. Foto: André Kempner

Nach dem Studium macht sie sich selbstständig, mietet sich ein kleines Atelier in Halle und richtet sich dort eine Siebdruckwerkstatt ein. Sie probiert verschiedene Techniken aus, bedruckt Caps und T-Shirts und entdeckt zuletzt ihr Faible fürs ­Figurentheater. Wonneberger liebt die Abwechslung.

„Ich finde es schön, immer wieder etwas Neues auszuprobieren.” Die Begeisterung für Puppen etwa rührt auch aus ihrer Kindheit. „Wir sind ziemlich viel ins Puppentheater gegangen”, erinnert sie sich. Vielleicht hätte sie in dem Bereich Fuß fassen sollen, aber ihr habe das Selbstbewusstsein dafür gefehlt. „Ich hab mich nie getraut, da einzusteigen, weil ich dachte, das sind alles Theaterleute, die das im Blut haben.”

Monatelange Reise durch Europa

Inzwischen hat sie den Mut, sich auch als Puppenspielerin auszuprobieren. Im vergangenen Jahr reiste sie mit ihrem zwölfjährigen Sohn einige Monate durch Europa und hatte ihr Marionettentheater im Gepäck. Für das Sabbatjahr meldeten sich die beiden bei allen Behörden ab und fuhren mit ihrem VW-Bus durch die Lande, wohnten bei Freunden oder auf Öko-Farmen.

Nach einigen Monaten aber vermisste ihr Sohn seine Freunde und wollte zurück in seine Heimatstadt. „Es war eine super Pause, um sich neu zu orientieren, neue Leute und Orte kennenlernen”, resümiert Wonneberger das Sabbatjahr, das ihrem Sohn „ein Reinschnuppern in die Welt” ermöglichte.

Wenn ihr Kind älter ist, würde sie gern wieder länger verreisen, vielleicht künftig einige Monate im Jahr im Ausland leben. Leipzig wird aber stets ihr Stützpunkt bleiben, der Ort, „an dem sie kreativ wird und zur Ruhe kommt”. Vielleicht vertieft sie künftig ihre zweite Leidenschaft – die Musik. Zu Hause hat ­sie eine kleine Musikecke mit Keyboard, Gitarre und Schlagzeug.

Manchmal trifft sie sich mit Freunden zu Jam-Sessions, komponierte schon Songs für die Puppen. Sie könnte sich vorstellen, die Musik in das Puppenspiel einzubauen und damit durch Europa zu touren. Dafür kann sie auch ihren Gewinn aus dem Nachhaltigkeitspreis nutzen. Mit dem Bahngutschein über 700 Euro will sie im Herbst zu einem Theaterfestival nach Frankreich fahren – und auch dort ihre Puppen tanzen lassen. Gina Apitz

Hier geht es zur Website der Künstlerin

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