Marco Runge in seiner „Sommerresidenz“: Seit gut einem Dutzend Jahren bringt er im Gohliser Schlösschen Sommertheater auf die Bühne. Foto: JW

LEIPZIG. Dieses richtig knackige „Rock ’n’ Roll“ ist natürlich ein Muss, ja, klar, die Musik, aber auch das Lebensgefühl: Da ist es gleich, ob Marco Runge zur Gitarre greift oder zum Ritterkostüm – wie er es in diesen Tagen im Stück „Ritter Unkenstein“ im Gohliser Schlösschen tun wird.

Da ist die Begeisterung für Karl Valentin, den „deutschen Charlie Chaplin“, die ihn in diesem Jahr ganz besonders angetrieben hat. „Weil Texte von ihm seit dem 1. Januar genutzt werden können“, erzählt Marco Runge schmunzelnd: „Denn der Karl Valentin steht bei mir seit 25 Jahren im Bücherschrank. Diese Sprache, dieser manchmal auch richtig bittere Humor – genau mein Ding.“ Und so kam eines zum anderen – im Fundus gab es beispielsweise noch die passenden Ritterkostüme.Deshalb gibt es diesmal zum traditionellen Sommertheater im Gohliser Schlösschen, das für ihn seit einem Dutzend Jahren zum festen Jahresprogramm zählt, mal etwas Außergewöhnliches – ein Stück aus der Feder eines anderen Autoren. Normalerweise, überlegt der Blondschopf, schreibe er seine Stücke ja selbst.

Willkommen in der Welt von Marco Runge: In einer Welt, in der Rock-’n’- Roll-Leidenschaft gleich neben der Lust am Kindertheater zu Hause ist. In der sich die Rolling Stones und Wolfgang Amadeus Mozart voller Zuneigung die Hände reichen und in der vor allem eines gilt: Man muss die Dinge ausprobieren. Und der eigenen Leidenschaft folgen. „Es hat ja tatsächlich mal eine Zeit gegeben, in der ich mal keine Band hatte – aber beispielsweise diese wunderbaren Probenraum-Situationen haben mir richtig gefehlt“, erzählt er und berichtet vom puren Zufall, der via WG-Bekanntschaft in sein Leben trat: „Das war meine erste Verbindung zum Schauspiel – auch wenn ich natürlich den ‚Faust‘ kannte und die Sprache von Shakespeare mochte.“

Und so machte er sich zur Jahrtausendwende einfach mal auf zu den Connewitzer Kammerspielen, Zum Casting, getrieben von der Neugier: „Seitdem habe ich das Theater faktisch nicht mehr verlassen“, erzählt Marco Runge lachend. Und davon, wie sich sein Leben seither verändert, gar erweitert hat: „Ich wusste damals ja nicht, dass ich schreiben kann. Dass ich inszenieren kann. Heute schreibe ich drei, vier Stücke pro Jahr.“ Und bringt sie selbst als Regisseur und Darsteller auf die Bühne – wie eben nun im Gohliser Schlösschen.
Für ihn ein wahrer Luxus, immerhin verbringe er damit Jahr für Jahr seinen Sommer in dem wunderschönen Garten. „Man hat hier jeden Tag auch ruhige Momente. Und ich genieße diese Momente“, was wieder eine durchaus überraschende Seite von Marco Runge zum Vorschein bringt – der Mann, der die Natur liebt. Der vor vielen Jahren mal losgezogen ist in die Leipziger Auwälder, um den verschiedenen Vogelstimmen zu lauschen. „Als Musiker hat man ja das entsprechende Gehör. Und das Bestimmen von Vogelarten konnte ich mal richtig gut“, erzählt er mit einem breiten Lächeln.

Da wird erneut der Blick frei auf die Philosophie eines Mannes, der das Prinzip „Learning by doing“ zutiefst verinnerlicht hat. Der von seiner jugendlichen Ungeduld im Umgang mit der Gitarre spricht („Ich bin genau dreimal zum Gitarrenlehrer gegangen.“), aber auch davon, in den letzten Jahren ein und dasselbe Motiv vielleicht 40-, 50-mal gemalt zu haben. „Ich glaube, am liebsten wäre ich ein Maler – ich liebe diesen Blick auf den Blick und diesen Prozess, bei dem ein Bild entsteht. Und ja, ich habe mir die Technik tatsächlich in den letzten fünf, sechs Jahren so beigebracht, indem ich ein Motiv wieder und wieder gemalt habe“, blickt er auf ein ganzes neues Feld der kreativen Arbeit. Dabei ist dieses Wörtchen „Kreativität“ eines, über das Marco Runge lange sprechen und nachdenken kann. Über die Flüchtigkeit beispielsweise. Und darüber, dass man sich zum „Kreativ-Sein“ eben nicht zwingen kann. „Ich kann mich nicht von 8 bis 11 Uhr hinsetzen und die Ideenmaschine spielen“, überlegt er und erzählt auch davon, manchmal Angst gehabt zu haben, dass eines Tages die Ideen ausbleiben könnten. „Da bin ich ruhiger geworden: Wenn keine Idee kommt, kommt eben keine.“ Dahinter steckt die gute Erfahrung – es ist eben nur eine Momentaufnahme.
Manchmal, so denkt er, müsse man sich eben auch mal komplett leer machen. Damit Platz ist für Neues. Neues, das er findet in der Musik („Ich wollte ja schon mal Rockstar werden. Gut, das hat nicht geklappt, aber das mit der Musik geht trotzdem nicht weg.“), in Büchern und Geschichten, im ganz normalen Alltag. Dann ist es da auch wieder, dieses Lebensgefühl des richtig knackigen „Rock ’n’ Roll“: „Ja, ich möchte mich im positiven Sinne treiben lassen – ohne mich im Treiben zu verlieren.“

In einem Punkt wird er dann aber doch sehr ernst. Sehr nachdrücklich. Denn da gibt es doch etwas, das Marco Runge mitgeben möchte – gerade auch jenen Kids, mit denen er Theaterstücke auf die Bühne stellt. „Ich möchte nicht in einer Welt ohne Kunst und Kultur leben. Und da möchte ich den Kindern und Jugendlichen schon ein kleines bisschen mitgeben, ehe sie hinausgehen in die Welt“, überlegt er und ergänzt: „Schließlich besteht ja auch diese Welt vor allem aus Geschichten.“ Und es sind genau diese Geschichten, die Marco Runge erzählen möchte – auf dem Papier, auf der Bühne, an der Gitarre, mit dem Pinsel. „Ich finde, die Bühne ist ein heiliger Boden – mal abgesehen davon, dass sie für mich der privateste Ort überhaupt ist, weil da keiner anrufen kann. Aber ich denke, man sollte eine Bühne nicht missbrauchen – ein Theater ist keine Lehranstalt.“ Spricht es, lacht und lässt – na klar – ein richtig knackiges „Rock ’n’ Roll“ folgen. J. Wagner

Das Stück „Ritter Unkenstein“ nach Karl Valentin in der Inszenierung von Marco Runge wird vom 14. bis 28. Juli jeweils um 20 Uhr aufgeführt.

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