Ein Frühstück bei Tonelli sieht so aus: großer (!) Kaffee oder Ingwertee und sonst eher herzhaft. Los geht’s allgemein erst mittags, denn die Samstagnächte sind lang. Foto: JF

Leipzigs einzige Live-Musikkneipe bietet an sechs Tagen die Woche handgemachte Musik –an dieser aussterbenden Front kämpft mit Tonelli ein echtes Leipziger Unikat einen einsamen Kampf. Wer seinen Eintritt an der Kasse löhnt, ahnt nicht, welch bewegte Geschichte der Mann hinterm Tresen bereits hinter sich hat.

Frank Metz, wie er bürgerlich heißt, macht seit 1991 „in Gastronomie“. Einst managte er den legendären „Chopper“, später das „Pinnball“, dann das „Tuvalu“ im Haus Leipzig. Mit „Tonelli‘s Bluesbar“ im heutigen „Telegraph“ stand auch erstmals sein eigener Name über der Tür, was sich ab 2000 im Kulturbund im „Tonelli‘s“ fortsetzte. Seit 2012 nun stehen den Musikliebhabern die Türen im „Tonelli‘s“ im Städtischen Kaufhaus offen – und zwar täglich außer Sonntag mit Livemusik!

Für das Programm zeichnet Tonelli, selber ein
ausgezeichneter Sänger, höchstselbst verantwortlich. Erst seit 1997, als sich das Feelmen-Soulorchester gründete, steht er am Mikrofon. Sein neuestes Projekt nennt sich „The last Deal“, mit dem er dem verstorbenen Leipzig-Blueser „Kautzer“ ein Denkmal setzt. Zur Musik kam er, der bis heute keine einzige Note kann, durch Blueslegende Jürgen Kerth. Dessen Schlagzeuger „Amsel“ brachte ihm mit sechs Jahren das Schlagzeugspielen bei.

Dabei verfolgte Tonelli zunächst eine ganz andere Karriere. Sein Vater war berühmter Zirkusartist, wagte als Hochseilartist den „Todessprung“ und war der artistische Hauptdarsteller im Bavaria-Bestseller „Tonelli“, der 1943 in den Kinos lief. Sein Künstlername wurde ihm von den Filmstudios verliehen, weil er die tollsten und wagemutigsten Stunts entwickelte, welche die damalige Zeit kannte. Auch Mutter Metz war eine Bekanntheit – sie sang „volkstümliche Melodien“ und jodelte als „Geschwister Kalin“, später u. a. mit dem Vater von Stefanie Hertel. Frank trat in seines Vaters Fußstapfen – gegen dessen Willen –
lernte zwar Verkaufsstellenleiter, übte nebenbei aber jonglieren. Er wurde so gut mit seiner Mischung aus Jonglage und Clownerie, dass er in allen großen Zirkussen jener Zeit auftrat, Gastspiele in aller Welt gab und auch im „Kessel Buntes“ auftrat. „Ich war in den USA, in Russland, in Westdeutschland. In Japan auch, da ist der Generaldirektor mit der Kasse abgehauen“, erinnert sich Metz lachend. Nach der Wende gab es noch eine große Tour durch alle großen Hallen der Bundesrepublik mit dem Staatszirkus der DDR. Nach zehn Jahren beendete Tonelli seine Zirkus-Karriere. Als ihn danach „Codse“ von „Mama Basuto“, noch so eine Leipziger Legende, einfach auf die Bühne zerrte, um ein Liedchen zu singen, fing Tonelli Feuer und konzentrierte sich auf die Musik. Und die Gastronomie.

Und er erlebte auch in seiner zweiten Karriere so einiges. Neben Lokalmatadoren wie Tino Standhaft, den Four Roses und Feelmen, spielen auch Jürgen Kerth und andere Ostlegenden in seiner Kneipe. Auch Xavier Naidoo war schon da, allerdings als Gast, und spielte alsbald spontan einfach mit. Sunrise Avenue war auch da als Gast, aber da Frontmann Samu fehlte, erkannte Tonelli sie zunächst nicht. Wenn Tonelli etwas anfasst, will er der Beste sein. Als Kind sprang er für fünf Mark aus dem Schulfenster, heute haut er sich noch genau so rein, wenn auch nicht mehr ganz so dramatisch. Feste Genres werden unter der Woche musikalisch angeboten, und jeden zweiten Donnerstag im Monat kann jeder singen, der Lust hat: „Das ist wie Karaoke, nur mit Liveband. Das läuft seit 13 Jahren sehr gut. Man muss sich nur vorher anmelden“, erläutert Tonelli. Ganz neu ist auch der Mittagstisch, den man zwischen 11.30 und 14.30 Uhr anbietet – da gibt’s ausnahmsweise mal keine Musik dazu. Jens Fuge

 

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