Er trainiert mit seinem Bobteam für die Olympiasaison: Gerd Leopold (r.). Foto: privat

Riesa. Wer sich mit Gerd Leopold über Sport im Allgemeinen und den Bobsport im Speziellen unterhält, spürt sofort: Hier ist der 63-Jährige voll in seinem Element. Der Satz „Sport ist mein Leben“ ist bei ihm nicht einfach nur eine Floskel. Und wer sich mit dem Riesaer zu einem Gespräch trifft, muss Zeit mitbringen. Schließlich hat er einiges zu erzählen. Bereits seit 1982 ist er als Trainer im Bobsport aktiv – und das äußerst erfolgreich.

Seit einigen Jahren führt Gerd Leopold als Co-Bundestrainer unter anderem den aktuell besten Bobpiloten der Welt, Francesco Friedrich und sein Team, von einem Erfolg zum anderen. Seit 2017 ist das Friedrich-Team bei allen großen Meisterschaften ungeschlagen – sowohl im Zweier- als auch im Viererbob. Doch Gerd Leopold ist trotz aller Erfolge bodenständig geblieben – ebenso wie sein prominentester Schützling selbst. Das „Team“ spielt bei ihm ohnehin eine wichtige Rolle. „Der Bobsport ist ein Mannschaftssport. Allein ist man hier nichts – das weiß auch Francesco“, lobt der Trainer. Getreu dem Motto „Die vergangenen Erfolge sind schön, in der Gegenwart geht aber alles wieder bei null los“ ist Gerd Leopold immer wieder auf der Suche nach Verbesserungen: „Wir setzen bewusst immer wieder neue Reize. Wenn ich die Sportlerinnen und Sportler dabei nicht nerve, gibt es auch keine Weiterentwicklung. Die anderen schlafen auch nicht, sie werden uns jagen. Der Kampf um Titel wird immer härter. Man muss immer die Augen offenhalten, um auf Weltspitzenniveau zu bleiben.“ Während der Corona-Pandemie habe man im Gegensatz zur internationalen Konkurrenz den Luxus gehabt, jederzeit trainieren zu können. Deshalb wolle er die Leistungen der letzten Saison auch nicht so hochheben. Stattdessen sei Dankbarkeit und Demut angesagt. Ganz unbeschadet ist das Bobteam allerdings nicht durch die Corona-Pandemie gekommen. Im Trainingslager im März in Frankreich hat es die ganze Mannschaft erwischt. Dann ging es für alle in Quarantäne. „Wir haben die Infektion aber gut überstanden, da ist glücklicherweise nichts zurückgeblieben“, so Gerd Leopold.

Ganz fest im Blick haben Gerd Leopold und sein Team derzeit vor allem die Olympischen Winterspiele in Peking im kommenden Februar. Hier will Francesco Friedrich seine Titel im Zweier- (14. und 15. Februar) und Viererbob (19. und 20. Februar) verteidigen. Dafür wird bereits seit Mai trainiert, unter anderem einmal in der Woche in der Bobanschubbahn in Riesa, die zu den steilsten Bobanschubbahnen der Welt gehört, direkt neben dem Olympia Sport- & Freizeitzentrum. Das betreibt Gerd Leopold seit 1996 gemeinsam mit dem ehemaligen Bob-Olympiasieger Harald Czuday.

Am 18. September startet die heiße Phase der Saisonvorbereitung mit einer Testwoche auf der Bobbahn in Winterberg. Am 5. Oktober geht es für reichlich drei Wochen nach Peking, um ausgiebig auf der Olympiabahn zu trainieren – eine Bahn, die es laut Gerd Leopold „richtig in sich hat“. „Mit 1600 Metern ist die Bahn sehr lang. Wichtig ist, dass wir die Bahn richtig kennenlernen.“ Auf der langen Bahn könne man die Materialvorteile ausspielen. Doch darauf ausruhen dürfe man sich natürlich nicht. Wichtig sei es, jeden Tag hart zu trainieren und hochkonzentriert zur Sache zu gehen. Gerd Leopold blickt mit einem guten Gefühl auf die bevorstehende Saison, die am 15. November mit dem ersten Weltcup in Innsbruck startet. „Wir haben gut trainiert und sind gut drauf. Wir freuen uns sehr, dass es bald wieder los geht.“ Seit Mai hat sich das Team ausgiebig vorbereitet und dabei unter anderem vier Trainingslager in Kienbaum absolviert.

Schon seit der Kindheit ist das Leben von Gerd Leopold vom Sport geprägt. Der gebürtige Nossener war in der Leichtathletik im Mittel- und Langstreckensport zu Hause. Beim SC Einheit Dresden absolvierte er zahlreiche Wettkämpfe, auch bei nationalen und internationalen Nachwuchsmeisterschaften. Später trug er sich als Marathonläufer mit einer Zeit von 2:32 Stunden in die Dresdner Stadtrangliste ein. Seine aktive sportliche Karriere musste er wegen gesundheitlicher Probleme allerdings frühzeitig beenden. „Ich wäre aber ohnehin nie der große Sportler geworden, weil ich immer Angst vor großen Wettkämpfen hatte. Im Sport entscheidet am Ende immer der Kopf über Sieg oder Niederlage“, erinnert er sich. Stattdessen absolvierte er ein Sportstudium in Dresden, um eine Trainer-Laufbahn einzuschlagen. Den Weg zum Bobsport fand er aber eher zufällig. „Ich war damals bei einem Trainer-Lehrgang in Altenberg. Da hat mich Eberhard Rösch (die Red.: dreimaliger Biathlon-Weltmeister) gefragt, ob ich nicht Lust habe, beim Bob anzufangen. Die haben damals jemanden gesucht, der einen zweiten Stützpunkt neben Oberhof aufbaut. Da habe ich dann angefangen“, erinnert er sich an seine Bob-Anfänge im Jahr 1982: „Ich bin nie Bob gefahren. Ich hab mir alles angelesen, um die Sportart zu verstehen und mich richtig reingekniet.“ 1990 schaffte er den Durchbruch, als er Harald Czuday bei den Weltmeisterschaften in St. Moritz zweimal zur Silbermedaille führte. Vier Jahre später wurde Czuday Olympiasieger im Viererbob. 1996 fasste er gemeinsam mit Harald Czuday den Entschluss, das „Sportzentrum Olympia Fitness“ zu eröffnen und gab dafür sogar seinen Posten als Bundestrainer auf. 2001 zog Gerd Leopold von Meißen nach Riesa. Bereits einige Jahre zuvor hatte er sich als Stadtrat für die Elbe-Stadt engagiert. Der Bobsport ließ ihn dennoch nicht los. Nachdem er als Nationaltrainer in Jamaika und Frankreich gearbeitet hatte, zog es ihn 2002 wieder zurück zum Deutschen Bob- und Rennschlittenverband, wo er unter anderem die Piloten Matthias Höpfner, Thomas Florschütz, Nico Walther und nun eben Francesco Friedrich zu internationalen Medaillen führte. Und der 63-Jährige ist noch kein bisschen müde – im Gegenteil. „Ich fühle mich fit für die Olympischen Spiele 2026 in Mailand“, sagt er lächelnd: „Wenn Francesco gesund bleibt, wollen wir unsere Zusammenarbeit auch nach Peking fortsetzen. Unsere Vision heißt ‚Mailand.‘ Es macht uns einfach unheimlich viel Spaß zusammen.“

Auf der Suche nach den richtigen Trainingsmethoden und passenden Geräten schaut sich Gerd Leopold immer wieder in der ganzen Welt um und entdeckt dabei immer wieder Neues. Schließlich müsse man immer die Augen offenhalten, um auf Weltspitzenniveau zu bleiben. „Diese ständige Neugier ist sicher auch eines der Geheimnisse unseres Erfolges. Außerdem kommt es auf die richtige Regeneration an.“ Auf der Jagd nach schnellen Startzeiten und der perfekten Fahrt auf den Bobbahnen dieser Welt setzt Gerd Leopold bei seinen Schützlingen aber nicht nur auf Muskeln und starke Nerven. „Das Wichtigste ist, dass sich die Sportlerinnen und Sportler wohlfühlen und es in der Familie stimmt. Nur dann können sie unbelastet die Bahn runterfahren“, erklärt der vierfache Familienvater. Deshalb ist der Satz „kümmert euch um eure Familien“ ein wichtiger Bestandteil des Trainingsplans. Gerade im Winter, wenn man ein halbes Jahr in der ganzen Welt unterwegs sei, seien die Familien fast auf sich allein gestellt. Da müsse man im Sommer auch etwas zurückgeben. Deshalb dauern die Trainingslager im Sommer prinzipiell nur von Sonntagabend bis Freitagnachmittag. „Die Wochenenden im Sommer gehören der Familie“, ist seine Maxime. „Ich selbst habe immer alles dem Sport untergeordnet. Da sind Kinder und Familie zu kurz gekommen“, erinnert er sich selbstkritisch. Aber in den vergangenen Jahren habe er viel dazugelernt. Andreas Neustadt

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