Musikpädagogin Katja Lorse spielt in der Reihe „Fröhlich singen“ Akkordeon und sorgt für Stimmung unter den Sängerinnen und Sängern. Foto: Dirk Knofe

Leipzig. Früher Freitagabend im soziokulturellen Zentrum „Mühlstraße 14” in Leipzig: Zwölf Frauen und ein Mann schmettern gemeinsam „Lebt denn der alte Holzmichl noch?”. Dann erklingt „Polonäse, Blankenese” und „Anton aus Tirol”. Die Stimmung ist bestens. Beim „Schneewalzer” wird sogar getanzt. Der Text landet via Beamer an der Wand; zwei Stunden lang wird gemeinsam geträllert. „Fröhlich singen” nennt sich diese Veranstaltung, zu der einmal im Monat jeder eingeladen ist, der Lust hat, in geselliger Runde Lieder zu singen. Angeleitet wird das unterhaltsame Event von Katja Lorse, die den Laienchor auf dem Akkordeon begleitet. Ihre Kollegin, eine Schlagzeugerin, trommelt auf der Kistentrommel den Takt. Am Schluss werden noch Liedwünsche entgegengenommen, fürs nächste Mal.

Volkslieder, Schlager und Popmusik

Bei dem gemeinsamen Gesangstreffen, das die Musikschule Fröhlich organisiert, schmettern die Teilnehmer das, worauf sie Lust haben: Volkslieder, Schlager, aber auch deutschsprachige Popmusik stehen hoch im Kurs. Das Publikum ist schon älteren Semesters. „Nicht jeder hat eine Engelsstimme, aber darum geht es nicht”, betont Katja Lorse. „Es geht darum, irgendwie mitzusingen.” Deshalb erklingen alle Lieder einstimmig. Manchmal singt die Musikerin einzelne Textpassagen vor und dann stimmen alle mit ein. Die Idee für die Veranstaltung erinnert an Karaoke, kommt aber vom sogenannten Rudelsingen.

„Da stehen vorn zwei, drei Musiker und der ganze Saal schmettert mit”, erzählt Lorse. „Wenn 100, 200 Leute mitsingen, ist das akustisch ein völlig anderes Feeling.” Dieter Fröhlich, der Gründer der gleichnamigen Musikschule, hatte etwas ähnliches auf Reisen durch Osteuropa kennengelernt. In den Kneipen kamen die Menschen dort zusammen, um gemeinsam zu singen. 2012 fragte er Katja Lorse, ob sie so etwas auch in Leipzig etablieren könnte. Ein Jahr später gab die Musikpädagogin den Startschuss für „Fröhlich singen”.

Die Musikpädagogin nimmt auch Wünsche ihrer Teilnehmerinnen
und Teilnehmer entgegen. Foto: Dirk Knofe

Mittlerweile gibt es das Format auch in Leisnig im Landkreis Mittelsachsen. Dort wird aktuell alle zwei Wochen montags gesungen – und dort wird außerdem gemeinsam getrommelt. „Das ist sehr entspannend.”

Trommel hin oder her: Das Lieblingsinstrument der 31-Jährigen bleibt das Akkordeon. Sie probierte schon vieles aus. Gitarre, Schlagzeug, Keyboard. Doch Lorse kehrte wegen seiner Vielseitigkeit immer wieder zum Akkordeon zurück. Klassische Lieder, Rock, Popsongs – alles sei möglich, sagt sie. „Ich bin ein kleines Orchester.”

Musiklehrerin kommt in die Schulklasse

Ihre Liebe zur Musik entdeckt die gebürtige Leipzigerin schon als Kind. Als Katja Lorse eingeschult wird, zieht die Familie in den kleinen Ort Kroptewitz in die Nähe von Leisnig. Das Haus, in dem sie aufwächst, kann man von der A14 aus sehen, erzählt sie. Eines Tages steht eine Lehrerin der Musikschule Fröhlich im Klassenzimmer.

Viele ihrer Freunde lernen plötzlich ein Instrument, die meisten starten mit der Melodica. Katja Lorse will auch mitmachen, sie steigt gleich mit Akkordeon ein, da ist sie sieben Jahre alt. Während die meisten Freunde irgendwann aufhören, bleibt sie dabei, verbessert sich und unterstützt bald das Orchester der Musikschule. „Die Lehrerin hat mich weiter gefördert”, sagt sie rückblickend. Mit dem Musikschulorchester fährt die Schülerin zu Auftritten, ins Probenlager und zum Tag der Sachsen. „Ich war voll mit dabei, es war eine schöne Gemeinschaft.”

Die Eltern unterstützen die Leidenschaft

Ihre Eltern unterstützen ihre Leidenschaft. „Dafür musste ich dann immer mal auf Geburtstagen ein Ständchen bringen.” Irgendwann fängt Katja Lorse an, die erste Stimme mancher Songs auf Kassette aufzunehmen und die zweite Stimme dazu zu spielen. Zur Jugendweihe bekommt sie ein Achtstimmengerät geschenkt, damit nimmt sie jede Stimme des Orchesters auf – und schenkt ihren Verwandten jedes Jahr eine selbst produzierte CD.

Mit 16 kommen Konzerte als Alleinunterhalterin dazu. „Mein erster Auftritt war irgendwo im Wald”, erinnert sie sich. Sie soll für eine Wandergruppe während der Rast Akkordeon spielen. Ihre Eltern begleiten sie zu dem Auftritt und sprechen ihr Mut zu.

Vor dem Singen wird gemeinsam geturnt: Aufwärmübungen gehören bei Katja Lorse zum Programm
dazu. Foto: Dirk Knofe

In den Ferien besucht sie regelmäßig ihre Oma in Leipzig. Die schlägt vor, dass sich die Enkelin als Straßenmusikerin in die Fußgängerzone stellen soll. Lorse probiert es aus – und bekommt in einer halben Stunde 20 Euro in den Hut geworfen. „Aus dieser Zeit weiß ich, welche Titel gut ankommen und was die Leute mögen.” Noch heute besucht sie regelmäßig Bewohner eines Altersheims mit ihrem Akkordeon, singt gemeinsam mit den alten Menschen. „Selbst Demenzkranke kennen oft die Texte der Volkslieder, die ich spiele.”

Tontechnik-Studium in Leipzig

Nach dem Abitur studiert Katja Lorse ab 2009 Tontechnik an der privaten SAE, der School of Audio Engineering, und schließt das Studium nach drei Jahren mit einem Bachelor ab. Zwischenzeitlich arbeitet sie an der Musikalischen Komödie als Tonhelferin. „Ich war die, die den Solisten die Mikros aufgesetzt hat.” Manchmal geht etwas schief und während des Auftritts versagt die Technik. Dann muss Lorse innerhalb von 30 Sekunden nach dem Fehler suchen, bevor der Sänger oder die Sängerin wieder auf die Bühne soll. „Das war manchmal echt anstrengend”, sagt sie rückblickend.

Nach dem Studium trifft die ausgebildete Tontechnikerin durch Zufall auf Dieter Fröhlich, den Musikschulchef – und wird sofort angestellt. Seit Herbst vergangenen Jahres unterrichtet Lorse außerdem Kleinkinder in musikalischer Früherziehung. Mit den Eineinhalb- bis Dreijährigen übt sie Bewegungs- und Fingerspiele mit Rasseln und Glöckchen. Die Drei- bis Sechsjährigen lernen spielerisch verschiedene Instrumente kennen und üben, mit Klanghölzern einen Takt zu schlagen. Lorse gibt zu: „Ich wollte eigentlich nie mit Kindern arbeiten.”

Aufwendige Vorbereitungen

Zum einen sei die Vorbereitung der Stunde aufwendig. Zum anderen müsse sie bei Erwachsenen nicht so sehr auf Disziplin achten. Doch das änderte sich, als sie selbst Kinder bekam. Inzwischen ist Katja Lorse Mutter einer fünfjährigen Tochter und eines anderthalbjährigen Sohns und sagt: „Ich wachse mit meinen Kindern mit.” Zu ihren Kursen nimmt sie die beiden in der Regel mit, obwohl es nicht immer leicht sei, sich gerade bei den eigenen Kindern durchzusetzen. Lorses Alltag ist genau durchgetaktet: Von Montag bis Mittwoch unterrichtet sie in Ostrau bei Döbeln musikalische Früherziehung. Donnerstag ist der Tag für Außentermine und Verwaltungstätigkeiten. Am Freitag finden die Auftritte im Altersheim statt oder das gemeinsame „Fröhlich singen”. Die übrige Zeit verbringen Katja Lorse und ihr Mann mit dem Umbau eines alten Hauses in Hartha, das sie gekauft haben. Wände wegreißen und das Innere auf Vordermann bringen – das frisst viel Zeit und Nerven. „Es ist gerade ein ziemlicher Spagat zwischen Arbeit, Kindern und Haus”, sagt die Musikerin.

Und aufgespielt: Katja Lorse animiert gern zum Mitsingen. Foto: Dirk Knofe

Zeit für sich selbst habe sie kaum. Doch es gibt eine Sache, die sie nicht schleifen lässt: Lorse spielt noch immer im Orchester der Musikschule, gehört dort längst zu den alten Hasen. „Das ist die Stunde nur für mich.” Das Orchester spielt derzeit Lieder aus „Phantom der Oper” und ein Medley aus der Filmmusik von „Fluch der Karibik.” Ein wenig Zeit zum Träumen.

Kaum Zeit für künstlerisches Interesse

Und ja, eigentlich gibt es neben ihrer musikalischen auch eine künstlerische Ader. Doch die musste in den vergangenen Jahren sehr zurücktreten. Dabei zeichnet Katja Lorse leidenschaftlich gern, am liebsten fotorealistische Porträts. Als Kind faszinierten sie vor allem Tiere als Motiv. Heute hält sie mit Bleistift und Sepiakohle auch Menschen auf Papier fest. Zuletzt entstand ein Bild von ihrem Mann mit ihrer Tochter.

Beruflich soll es in nächster Zeit weitergehen mit den musikalischen Angeboten. Lorse würde die Früherziehung gern ausbauen und hofft, dass sich der Zuspruch für „Fröhlich singen” in Leisnig steigern lässt. „Ich würde mich freuen, wenn ein paar mehr Leute kommen”, sagt sie. Am liebsten würde Lorse das Repertoire an ein etwas jüngeres Publikum anpassen und mehr englischsprachige Lieder singen. Denn Rocksongs, sagt sie, lassen sich gemeinsam auch wunderbar schmettern. Gina Apitz

Mehr Infos gibt es im Internet unter: musikschule-froehlich.com/lorse

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