Cookie-Cos und seine Partnerin Suga beim Fotoshooting am Rand von Döben im Muldental. Foto: Thomas Kube
Cookie-Cos und seine Partnerin Suga beim Fotoshooting am Rand von Döben im Muldental. Foto: Thomas Kube

Sie posieren auf einer Bank am Feldrand von Döben bei Grimma, seine Flügel müssen festgehalten werden, der Wind zerzaust immer wieder ihre Haare. Cookie-Cos und seine Freundin Suga haben sich heute zum Fotoshooting verabredet. Die beiden jungen Leute wollen nur ihre Künstlernamen nennen. Unter denen sind sie bekannt in der Szene der Cosplayer. Jene Community von Menschen, die Figuren aus – in der Regel ­japanischen – ­Zeichentrickserien nachspielen, auch Anime genannt.

Die Cosplayer tragen dafür aufwendige Kostüme und spielen die Charaktere der Serien teils auch nach. „Cosplay ist ein Ventil, um aus dem Alltags­leben herauszukommen”, sagt Cookie-Cos, der in der echten Welt Jaxx heißt. Zumindest seinen Vornamen gibt der 22-Jährige preis. Er stellt heute den Barkeeper Husk aus der Serie „Hazbin Hotel” dar, einen geflügelten Katzendämon. Welche Figur er nachahmen will, sucht sich Jaxx meist spontan aus. In einer Serie sticht ihm dann ein bestimmter Charakter ins Auge. „Den will ich dann unbedingt cosplayen.”

Haarreif mit beweglichen Ohren

Für den Dämon hat er eine Langhaarperücke umgestylt und sich grün-blaue Kontaktlinsen bestellt, die ihm echte Katzenaugen verleihen. Auf seinem Kopf trägt er einen Haarreif mit beweglichen Ohren, die per App gesteuert werden. 300 Euro hat das Gimmick gekostet. Cosplay ist ein teures Hobby. Und ein zeitaufwendiges. Allein für sein Make-Up brauchte Jaxx heute eine ganze Stunde. Auf die Flügel sprühte er mit Spraydose und Airbrush einen Farbverlauf von rot zu schwarz. Ein Stachelhalsband und Handschuhe runden das Outfit ab. Zweieinhalb Stunden dauerte es, sich so in Schale zu werfen.

Jaxx als Figur Valentino aus der Serie „Hazbin Hotel“.Foto: aerith_cos
Jaxx als Figur Valentino aus der Serie „Hazbin Hotel“.
Foto: aerith_cos

Eintauchen in eine andere Welt

Diesen Aufwand steckt der Döbener nur allzu gern in sein Hobby. Obwohl „Hobby” als Begriff fast zu schwach ist. Um ­Cosplay dreht sich in Jaxx Leben nämlich fast alles. Es ist eine zweite Welt, in die er abtaucht und in der er so sein kann, wie er möchte. Seine Freunde sind ebenfalls in der Szene verhaftet – genau wie Jaxx Freundin Suga. „Wir werden oft als Nerds bezeichnet”, sagt er, aber das störe ihn nicht. Er ist Teil einer Community, die genauso tickt. Die Szene trifft sich auf Conventions wie der Leipziger Buchmesse. Dort zeigen die Cosplayer ihre aufwendigen Kostüme und tauschen sich aus.

Suga mit dem Outfit der Figur "Ai hoshino". Foto: privat
Suga mit dem Outfit der Figur „Ai hoshino“. Foto: privat

Regelmäßig fährt Jaxx außerdem zu Gruppenevents nach Leipzig. Dort treffen sich die Anime-Fans in Jugendzentren oder im Park – zum Quatschen, aber auch, um Videos und Fotos zu machen. „Es ist ja ein Riesenaufwand, ins Cosplay hineinzukommen”, sagt Jaxx. Da muss das Ganze auch noch für die Nachwelt festgehalten werden. Jaxx ist in diversen sozialen Netzwerken aktiv. Auf TikTok folgen ihm 32 000 Menschen. Der Cosplayer will seine Fangemeinde gern vergrößern. Es soll aber ein Spaß bleiben. „Wenn ich jemanden damit zum Lächeln bringen kann, ist das schön.”

Fest steht: Das Verkleiden ist ein teures Hobby. „Mein Lohn geht vor allem dafür drauf.” Etwa 10 000 Euro hat Jaxx bisher in seine Outfits investiert. Mehr als 80 Kostüme hängen in seinem Kleiderschrank. Das Teuerste ist die Figur Luzifer, ebenfalls aus Hazbin Hotel. 1000 Euro gab er für das Outfit mit den drei Meter langen Flügeln aus. Hinzu kommen Werbeartikel wie Mangas, Figuren und Poster – auch dafür gibt der 22-Jährige hunderte Euro aus.

Über Vampire zu Anime und Cosplay

Die Welt der Animes entdeckte Jaxx, als er Jugendlicher war. „Als Schüler, so mit 14, 15 hab ich Vampire gemocht”, erinnert er sich. Darüber fand er einen Zugang zur Anime-Szene und schließlich auch zum Cosplay. Er überredete seine Mutter, ihm ein bestimmtes Kostüm zu kaufen und ging 2018 das erste Mal auf die Leipziger Buchmesse – in Montur. Er merkte: Hier sind super viele Leute verkleidet, es gibt noch mehr mit diesem Interesse. „Mir sind die Augen aus dem Kopf gefallen.”

Jaxx fing an, erste Videos auf TikTok hochzuladen – und lernte so seine jetzige Freundin kennen. Sie schrieb ihm unter einen Post: „Ich bin dein größter Fan. “ Seit zwei Jahren sind die beiden ein Paar. Die 24-jährige Suga ist schon seit elf Jahren in der Szene aktiv.

Heute stellt die Leipzigerin die japanische Anime-Figur Ruby Hoshino aus der Serie „Oshi no Ko“ dar – in rosa-schwarzem Kleidchen und blonder Perücke. Ihre Haare hat Jaxx gestylt. Er kann – dank einiger Frisörpraktika – gut mit Schere und Kamm umgehen. „Jede Perücke, die ich besitze, ist selbst gemacht”, sagt er stolz. Außerdem malt er leidenschaftlich gern.

Individuelle Kostüme selbst hergestellt

Entsprechend individuell sind auch die Kostüme, die er trägt. An seinen Outfits tüftelt er vor allem nachts. Dann sei er besonders produktiv. „Ich bin zur Nachteule geworden.” Manche Cosplayer verurteilen Veränderungen am Aussehen der Figuren, wollen möglichst nah am Original sein. Auf den Conventions bekam er schon mal einen Spruch zugerufen, weil jemandem sein Kostüm nicht passte. „Leider ist auch sehr viel Hate und Toxisches in dieser Community”, sagt er.

In seinem ersten Leben ist Jaxx studierter Gamedesigner. Er hat sein Diplom an der deutschen Popakademie in Leipzig gemacht. Im Moment wohnt er bei seinen Eltern in Döben und macht seinen Führerschein, um künftig mobil sein zu können. Das sei die Voraussetzung für den Beruf, sagt er. Derzeit jobbt Jaxx als Verkäufer in einem Einkaufscenter. Sobald er die Fahrerlaubnis in der Tasche hat, will er sich nach einer Stelle als Gamedesigner umsehen, am liebsten in Leipzig. Mit Suga ist Jaxx inzwischen verlobt. Beide planen ein gemeinsames Leben auf dem Land.

Hier cosplayt Jaxx die Figur Adam, ebenfalls aus der Serie "Hazbin Hotel". Foto: aerith_cos
Hier cosplayt Jaxx die Figur Adam, ebenfalls aus der Serie „Hazbin Hotel“. Foto: aerith_cos

Die Menschen in Döben kennen den jungen Mann eher in seinen Alltagsklamotten. Hier auf dem Dorf ist er aufgewachsen – und kämpfte schon als Kind mit seiner Identität. Geboren wird Jaxx nämlich als Sarah. Doch er merkt schon bald, er fühlt sich als Junge. „Mein Hauptding war, herauszufinden, warum ich anders bin als andere”, sagt er heute. Im Kindergarten spielt er lieber mit Autos als mit Puppen. Sein Vater wünscht sich eine Prinzessin, doch er ist eher ein kleiner Raufbold.

Suche nach der eigenen Identität

Heute hat seine Familie seine Transsexualität weitgehend akzeptiert. Seine Mutter spricht ihn mit dem Namen an, den er sich selbst gegeben hat und der mittlerweile in seinem Ausweis steht. Jaxx ist die Kurzform von Jackson. Er bekommt Testosteron gespritzt. Durch die Hormonbehandlung ist seine Stimme dunkler geworden und ihm wächst ein Bart. Sein Körper

verändert sich und passt nun immer mehr zu dem Geschlecht, zu dem er sich zugehörig fühlt. Und das Cosplay? Ist noch einmal eine andere Art, sich auszudrücken, ein weiterer Teil von Jaxx Identität. Gina Apitz

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