Vorbereitungsarbeiten für die anstehende Digitalisierung: Mareike Möller prüft jedes einzelne Blatt der Grafischen Sammlung auf seinen Zustand. Foto: Ralf Miehle

Altenburg. Auch wenn das Lindenau-Museum an der Gabelentzstraße derzeit leergeräumt ist und dort die planerischen Vorbereitungen für eine umfassende Sanierung, einen teilweisen Umbau und die komplette Neugestaltung der Ausstellungsbereiche laufen und demzufolge an diesem Standort derzeit keine neuen Expositionen vorbereitet werden, bedeutet dies für den Mitarbeiterstamm keinesfalls, dass beschauliche Ruhe herrschen würde. Ganz im Gegenteil.

Reges Treiben ist auch in diesen Tagen im momentanen Ausweichdomizil in der Kunstgasse zu beobachten. Gerade erst haben im Dezember weitere Umbauarbeiten und ein nachfolgender Umzug in einen weiteren Büro-Trakt des Altenburger City Centers stattgefunden – auch, um den neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entsprechende Arbeitsplätze zur Verfügung stellen zu können.

Inzwischen ist das einst kleine Team des Museums, dem gerade einmal 9,9 Planstellen – und damit viel zu wenige für ein Haus dieser Größenordnung und Gewichtigkeit – zur Verfügung standen, um mehr als das Doppelte gewachsen. Möglich machte dies das Programm „Lindenau21plus“, für das der Bund – zunächst befristet bis 2027 – jährlich zwei Millionen Euro zur Verfügung stellt.

Nicht frei verfügbar für eine denkbare Wunscherfüllung nach eigenem Gutdünken oder für den Ankauf von Kunst, sondern verbunden mit ganz klaren Vorgaben und Förderzielen, die dem national bedeutsamen Haus größere Entfaltungsmöglichkeiten geben sollen. Dementsprechend müssen die Projektmittel des Bundes für die Bereiche Digitalisierung, Provenienzforschung, kulturelle Vermittlung und länderübergreifende kulturtouristische Ziele ausgeben werden, um Altenburg als Reiseziel bekannter zu machen.

Im Zuge der avisierten Realisierung dieser Aufgabenstellungen wurde auch der Bereich der Restaurierung personell verstärkt. Seit dem 1. September des vergangenen Jahres wirkt hinter den Kulissen des Lindenau-Museums eine neue Papierrestauratorin: Mareike Möller, die hier am Haus eine Halbtagsstelle inne hat. Sie betreut als Teil des Restauratorenteams den umfangreichen Bestand an Papierarbeiten sowie die historische Kunstbibliothek Lindenaus restauratorisch wie konservatorisch, sodass die Kunstwerke und Schrifterzeugnisse auch in Zukunft für Interessierte zugänglich gemacht werden können.

Mareike Möller war mit ihrem Amtsantritt im Spätsommer 2021 eine der beiden ersten neuen Mitarbeiter, die das Haus gewinnen konnte – nach den ersten reichlich vier Monaten zieht sie für sich eine durchweg positive Bilanz. „Ich finde Altenburg wirklich schön“, resümiert sie beispielsweise ihre ersten Eindrücke nach dem Erleben jener Stadt, die für sie nun zum Arbeitsort geworden ist – und auch die Aufnahme ins Team des Lindenau-Museums, in dessen Stamm einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teils schon 40 Jahre wirken, sei vollkommen unkompliziert gewesen. Vieles lernen könne man aus diesen reichen Erfahrungen und sich selbst zudem mit eigenen Ideen und Vorstellungen einbringen. Denn alle im Haus, jeder Mitarbeitende, sei neben seinen eigentlichen Aufgaben intensivst in die derzeit laufenden Planungen zur Neugestaltung des Lindenau-Museums und des Marstalls eingebunden.

Mareike Möller, im Jahr 1992 in Schleswig-Holstein geboren, wuchs im rund 45 000 Einwohner zählenden Neustadt am Rübenberge in der Nähe von Hannover auf und absolvierte dort ihre Schulzeit. Als die Zeit des Abiturs näher rückte und sie sich fragte, welchen beruflichen Weg sie einschlagen könnte, kristallisierte sich allmählich heraus, dass sie „etwas mit Kunst machen, mit den Händen arbeiten“ wollte.

„Doch nicht, indem ich künstlerisch selbst tätig werden würde, dafür reichten meine Fähigkeiten wohl nicht aus, um damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen“, merkt sie mit einem Schmunzeln an. Bei all ihren Überlegungen kam der dann wohl entscheidende Tipp von ihrer Schwester, die sie mit einem Restaurator bekannt machte. „Er hat mich beraten zu seinem Berufsbild, empfahl mir Internetseiten für eine weitere detailreichere Information und mein Interesse wuchs. Allerdings dachte ich da zunächst an eine Perspektive als Möbelrestauratorin.“ Vor eine solche entsprechende Ausbildung ist jedoch zwingend die Pflicht zu einem einjährigen Vorpraktikum gesetzt.

Dieses führte sie an das Niedersächsische Landesarchiv Bückeburg – und brachte letztlich die entscheidende Wende der Orientierung zur Papierrestaurierung. Rein zufällig. Denn bei ihrer Suche nach Vorpraktikumsmöglichkeiten hielt Mareike Möller vor allem nach Orten und Institutionen Ausschau, die von ihrem Wohnort aus günstig erreichbar waren. Im Bückeburger Landesarchiv allerdings gefiel es ihr in diesen zwölf Monaten, in denen sie mannigfache Einblicke ins Berufsbild erhielt, so gut, dass sie sich just für jene Fachrichtung bewarb.

„Ein entsprechendes Studium kann in Deutschland nur an drei Orten absolviert werden“, erzählt unsere Gesprächspartnerin: In Stuttgart, Köln oder Hildesheim. Die junge Frau wählte die Hildesheimer Hochschule, begann ihr Bachelorstudium Präventive Konservierung im Jahr 2012 und beendete ihre Ausbildung 2018 mit dem Master der Konservierungs- und Restaurierungswissenschaft mit der Fachrichtung Schriftgut, Buch und Grafik. „Nun galt es für mich und meinen Lebenspartner, auch mit Blick auf unseren inzwischen fünfjährigen Sohn, einen geeigneten Ort zu finden für unser weiteres Leben, der mit vertretbaren Kompromissen geeignet war für unser aller weitere Entwicklung.“

Mareike Möller absolvierte zu jener Zeit ab 2018 ein einjähriges Volontariat im Zentrum für Bucherhaltung ZFB in Leipzig. Und dorthin, in die Nähe, verschlug es die junge Familie dann letztlich auch – in ein kleines Dorf zwischen Leipzig und Wurzen, von wo aus die Papierrestauratorin nun dreimal pro Woche nach Altenburg aufbricht, um sich hier ihren Aufgaben am Lindenau-Museum zu widmen. Froh darüber, dass sie im vergangenen Jahr jene Stellenausschreibung, die mit ihrem 20-Stunden-Umfang ganz zu ihren Vorstellungen passte, gefunden hatte und sie hier mit ihrer Bewerbung überzeugen konnte.

„Meine Hauptaufgabe besteht darin, die Grafische Sammlung für die anstehende Digitalisierung vorzubereiten“, beschreibt sie einen Teil ihres Arbeitsalltages. Immerhin umfasst jene Sammlung mehr als 40 000 Blätter, es handelt sich also um eine Mammutaufgabe, diesen enormen Bestand in den kommenden Jahren vollständig digital zu erfassen und aufzuarbeiten. Denn letztlich soll zu jedem Werk neben den rein technischen Angaben zu Künstlern, Entstehungsjahren etc., ein von Kunsthistorikern verfasster Text zur Verfügung gestellt werden.

Ziel der Museumsleitung ist es, perspektivisch möglichst den Gesamtbestand sichtbar zu machen. „Und das nicht langweilig, altmodisch, sondern spannend, indem wir Geschichten rund um einzelne Kunstwerke erzählen und die Leute auf diese Weise ins Museum locken, weil sie nach dem ersten Kennenlernen unseres Bestandes neugierig geworden sind, mehr zu erfahren“, wie Museumsdirektor Dr. Roland Krischke es kürzlich im OsterlandSonntag formulierte.

Im ersten Schritt auf dem Weg zur Digitalisierung der Grafischen Sammlung widmet sich Mareike Möller zunächst der sogenannten Zustandskartierung. Während eine Kollegin die technischen Daten wie Größe, Objektnummer und Bildbeschreibung in eine Datenbank eingibt, begutachtet die Papierrestauratorin jede Mappe und jedes einzelne Blatt auf seinen aktuellen Zustand. „Ich mache von jedem Objekt auch Fotos, auf denen ich dann die eventuellen Schäden skizziere, damit sie später gezielt behoben werden können.“ Weitere Schritte folgen in den nächsten Wochen und Monaten, nachdem inzwischen die entsprechende Werkstattausstattung komplettiert wurde und der Umzug in die größeren Räume erfolgt ist. Erwartet wird in Kürze auch der Großformatscanner, der dann die entsprechenden hochauflösenden Aufnahmen machen kann.

Eingebunden war Mareike Möller seit ihrem Arbeitsbeginn zudem in Ausstellungsvorbereitungen, „denn bei einem solchen Aufbau wird jede Hand gebraucht“. Und das erst recht bei einer Präsentation, wie die zu Ehren der Gerhard-Altenbourg-Preisträgerin 2021, Ruth Wolf-Rehfeldt, in der ausnahmslos Papierarbeiten offeriert wurden. Und allwöchentlich treffen sich zudem die verschiedenen Arbeitsgruppen, die – wie eingangs bereits angerissen – kontinuierlich die Gestaltung des „neuen“ Lindenau-Museums diskutieren, planen und nach und nach konkretisieren.

„Ich selbst gehöre zu zwei Arbeitsgruppen, die sich unter anderem dem Schlossberg-Areal, dem Marstall und den künftigen Depots sowie dem gesamten künftigen Museum zuwenden“, verweist die Papierrestauratorin auf ihre speziellen Fachbereiche, in denen sie sich nun einbringt. „Da werden wir alle ganz stark mit einbezogen, jeder Vorschlag ist willkommen und es geht sehr demokratisch zu“, freut sie sich über die angenehme Atmosphäre und den Kreativität anregenden Austausch mit ihren Kolleginnen und Kollegen.

Fährt Mareike Möller dann wieder nach Hause, in ihr kleines Dorf mit seinen rund 100 Einwohnern, in dem ein fast familiäres Flair herrscht und sie sich entsprechend „angekommen“ fühlt, dann widmet sie sich zum Ausgleich von ihren Arbeitstagen gerne ihrem „schönen Garten“, wie sie ihn beschreibt. Oder man trifft sie ab und an auch beim Fertigen von Linolschnitten. Für sich selbst oder als Geschenke. „Und wenn ich zufrieden bin, dann werden sie in unserer Wohnung auch aufgehängt.“ Ralf Miehle

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