Die Gewandmeisterin ändert eine Naht an einem Herrensakko für die erste Anprobe. Foto: Nannette Hoffmann
Die Gewandmeisterin ändert eine Naht an einem Herrensakko für die erste Anprobe. Foto: Nannette Hoffmann

Das goldene Kronenbrokat-Muster des roten Gewands fängt das Sonnenlicht und wird zum strahlenden Blickfang. Maika Schörbel setzt das Maßband an. Der Halsausschnitt an dem Kleid muss ­ausgemessen werden, um den dazugehörigen Spitzenkragen einarbeiten zu können.

Mit diesem Arbeitsschritt hat die Gewandmeisterin ihre aktuelle Auftragsarbeit fast erledigt. Anschließend gilt es, die letzten Einzelteile ­zusammenzunähen und fertig ist das Damengewand der Renaissance.

Stoffe aus natürlichen Materialien

Maika Schörbel liebt Stoffe. „Schon während meiner Ausbildung habe ich mir die Hochwertigsten für meine ­Stücke auswählt, weil sie sich einfach so gut anfühlten“, schwärmt die heute 43-Jährige.

Maika Schörbel misst am Kostüm den Halsausschnitt aus, um an-schließend den Spitzenkragen passgenau anfertigen zu können. Foto: Nannette Hoffmann
Maika Schörbel misst am Kostüm den Halsausschnitt aus, um an-
schließend den Spitzenkragen passgenau anfertigen zu können. Foto: Nannette Hoffmann

Angetan haben es ihr Stoffe aus natürlichen Materialien, wie Seide, Wolle, Leinen und Baumwolle. „Es sind vielseitige Stoffe, mit denen du ganz viel machen kannst. Sie sind atmungsaktiv, kühlend oder wärmend, fühlen sich auf dem Körper angenehm an und sehen einfach wertig aus“, zählt sie die Vorteile auf.

Die Lust am Nähen

Maika Schörbel näht von Kindesbeinen an. „Mit 11 Jahren habe ich die Nähmaschine meiner Mama für mich entdeckt“, berichtet sie. Waren es anfangs Kissenbezüge und Kleider für ihre Puppen, hat sie später Kleidungsstücke für sich genäht.

Zuerst sollte es ein Hobby bleiben. „Denn eigentlich wollte ich Kindergärtnerin werden. Aber davon hat mir meine Mama abgeraten, da der Arbeitsmarkt zu jener Zeit für Erzieher nicht so rosig war.“ Vielleicht sah sie auch die Talente ihrer Tochter im Nähen. Vor allem das Interesse war vorhanden. Letzteres sei in den Augen von Maika Schörbel besonders wichtig, „sonst verlierst du irgendwann die Lust dazu. Denn dieser Beruf verlangt viel Geduld“.

Diese Lust und die Leidenschaft, die Maika Schörbel an den Tag legte, überzeugte sie davon, das Hobby zum Beruf zu machen. Nach dem Realschulabschluss folge das Fachabitur für Gestaltung. 2000 begann sie eine Ausbildung zur Damenmaßschneiderin.

Etwas Greifbares erschaffen

Nach erfolgreichem Abschluss war die Frage, wie es weitergehen könnte. „Gesellin wollte ich nicht bleiben. Von einem befreundeten Regisseur bekam ich den Tipp, doch Kostümbildnerin oder Gewandmeisterin zu werden.“ Doch designen wollte sie nicht, sondern lieber Ideen praktisch in die Tat umsetzen, etwas Greifbares erschaffen. Damit war die Entscheidung gefallen, Gewandmeisterin zu werden. In Dresden studierte sie anschließend an der Hochschule für Bildende Künste den Studiengang Theaterausstattung – Bereich Kostümdesign.

Das Damenkleid trugen damals die Frauen der Ratsherren in Leipzig. Foto: Nannette Hoffmann
Das Damenkleid trugen damals die Frauen der Ratsherren in Leipzig. Foto: Nannette Hoffmann

„Für mich genau die richtige Entscheidung. Nun können die Kunden mit ihren Ideen zu mir kommen und ich kann diese – von einem Bild oder Skizze ausgehend – an den Kunden anpassen, erstelle die Schnitte, verfeinere die Passform und nähe die vielen Teile des Kostüms zusammen“, erklärt sie kurz ihr Berufsbild. Und somit entwickelt sich in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden, sein oder ihr Wunschgewand, ein Unikat eben.

Nach dem Studium machte sich Maika Schörbel selbstständig. Von 2015 bis 2020 war sie Mitgründerin und Inhaberin des Leipziger Kostüm Allerlei. 2020 eröffnete sie ihr eigenes Atelier in der Anton-Zickmantel-Straße 41. Seit diesem Jahr unterstützen sie dort zwei Angestellte.

Outfits für Herren, Damen und Kinder

Vom Mittelalter bis zur Neuzeit fertigt Maika Schörbel alles, was man anziehen kann – für Herren, Damen und Kinder. Vor allem Privatpersonen geben bei ihr ­Bestellungen auf – sie machen 50 Prozent der Aufträge aus. „So habe ich zum Beispiel für einen Postkutschreisenden zeitgenössische Kleidung des frühen 19. Jahrhunderts hergestellt. Das eingangs erwähnte rot-goldene Brokatkleid entsteht für eine Kundin, die damit bei freydanz – einem Tanzverein aus Connewitz – auftritt. Aber auch individuelle Hochzeitsgewänder für historische Feiern, Schwangerschaft, Stillzeit sowie Cosplay-Kostüme nähe ich.“

Die andere Hälfte kommt von Vereinen oder Verbänden. „Für verschiedene Vereine, die an der Darstellung der Völkerschlacht teilnehmen, habe ich Uniformen von 1813 genäht. Für den Mihlaer Kirmesverein eine Husarenuniform mit aufgesteppten weißen Kordeln und passender Säbeltasche. Karnevalsvereine wünschen sich oft neue Outfits für die Tanzgarde oder den Elferrat.“

Replikat von Schillers Weste

Für das Schillerhaus in Leipzig hat Maika Schörbel 2022 ein Replikat von Schillers Weste aus goldfarbener Seide hergestellt und für das Alte Rathaus ein Ratsherrenpaar, welches in der Vitrine über der Garderobe ausgestellt ist. „Das Ratsherrenpaar hat viel Spaß gemacht, weil ich zum Beispiel das Wams in Lederoptik mit Schlitzen gemustert habe, um dies dann mit farbigem Taft zu unterlegen.“

Die Husarenuniform stammt aus der Werkstatt von Maika Schörbel. Foto: Nannette Hoffmann
Die Husarenuniform stammt aus der Werkstatt von Maika Schörbel. Foto: Nannette Hoffmann

Bei einem weiteren Auftrag letztes Jahr hat sie für das Kindermuseum acht Kostüme für Kinder genäht. „Hier war es wichtig, dass diese über die eigene Kleidung passen, also schnell und unkompliziert anzuziehen sind“, erklärt sie. Also habe sie aus Einzelteilen ein ganzes Kostüm genäht. Das heißt Bluse, Mieder und Rock ergeben zum Beispiel das Outfit einer bäuerlichen Marktverkäuferin und der Gehrock mit angedeuteter Weste und Hemd das Bild eines reichen männlichen Bürgers.

Eintauchen in die Epochen der Zeit

Die Kunden kommen mit vielfältigen Wünschen in ihr Atelier. Um die historischen Gewänder originalgetreu nachbilden zu können, taucht sie erst mal ab in die Recherche. „Ich befasse mich mit der Geschichte der Zeit und welche Farben, Muster, Stoffe früher verwendet wurden“, erzählt sie.

Ich befasse mich mit der Geschichte der Zeit und welche Farben, Muster, Stoffe früher verwendet wurden.

Besonders mag sie die Epoche der Renaissance. Es sei eine spannende Zeit mit einer großen Vielfalt. Da gäbe es opulente Brokat-Kleider sowie aufbauschende Herrengewänder, einfache Bauerntrachten oder die Landsknechtmode – wo die Kleidung geschlitzt wurde.

Bei Maika Schörbel muss das Zusammenspiel stimmen: der Stoff, die Farbe, das Muster, die akkurate Naht, jede Falte. Schließlich soll das Kleidungsstück gut am Körper anliegen. „Wenn der Kunde sich wohlfühlt, habe ich alles richtig gemacht“, weiß Maika Schörbel.

Ballkleider oder Gewänder der Gründerzeit

Zurzeit sind es vor allem Männer, die ihre Kleidung bei Maika Schörbel in Auftrag geben – „viele Frauen nähen ihre Gewänder für historische Feste oft selbst“, erklärt sie. Doch ihre eigenen Wünsche gehen weiter: Ballkleider mit außergewöhnlichen Schnitten, Gewänder der Gründerzeit oder individuelle Outfits für das Wave-Gotik-Treffen würden sie besonders reizen.

Vielleicht wartet genau das nächste besondere Projekt schon bei jemandem, der bisher nur mit dem Gedanken gespielt hat, sich ein Kostüm oder Kleidungsstück anfertigen zu lassen. In Maika Schörbels Atelier jedenfalls findet jede Idee den Raum, Gestalt anzunehmen. Nannette Hoffmann

Mehr Infos unter www.gewandmeisterei-leipzig.de

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