Der Leipziger Karl Liebknecht spaltet die Gemüter. Zu seinem 150. Geburtstag widmet sich das Stadtgeschichtliche Museum dem kontroversen Politiker in einer Sonderschau. Foto: André Kempner

Leipzig. In Leipzig scheint heute nur noch die lebendige Kneipenmeile „Karli“ in der Südvorstadt und die kleine Gedenkstätte in der Braustraße an den bekannten Politiker Karl Liebknecht zu erinnern. Mit seinem Eintreten gegen den Krieg und für eine sozialistische Revolution 1918 war er eine der umstrittensten Persönlichkeiten in Deutschland. Im Rahmen des Themenjahres „Leipzig – Stadt der sozialen Bewegungen“ und anlässlich des 150. Geburtstages von Karl Liebknecht am 13. August präsentiert das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig noch bis 30. Januar 2022 die Ausstellung „Held oder Hassfigur? Der Leipziger Liebknecht“ im Haus Böttchergäßchen. Ein umfangreiches Begleitprogramm im Stadtraum gibt Leipzigerinnen und Leipzigern außerdem die Möglichkeit in den Dialog zu treten.

„Der ambivalente Ausstellungstitel will zeigen, dass Achtung oder Ablehnung der Person Liebknecht immer noch von politischen Ansichten abhängen. Was war er wirklich? Revolutionär oder Zerstörer der bürgerlichen Ordnung und Spalter der Arbeiterbewegung/SPD im Ersten Weltkrieg, Gegner des Militärs oder Anstifter zu einem gewalttätigen kommunistischen Umsturz, nationaler Held in der DDR oder Ikone der SED-Diktatur? Die gespaltene Wahrnehmung verläuft nicht zwischen Ost und West in Deutschland, sondern zwischen politischen Lagern. Unsere Ausstellung setzt sich das Ziel, Karl Liebknecht in seiner Bedeutung und Ambivalenz wiederzuentdecken. Indem wir auch Kritik von Zeitgenossen zeigen, fordern wir die Besucherinnen und Besucher zu einem eigenen Urteil und Dialog auf: Braucht Leipzig mehr Erinnerung an die Arbeiterbewegung?“, sagt Johanna Sänger, Kuratorin für Stadtgeschichte ab 1800 im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig.

Im Zentrum der Studioausstellung stehen biografische Ereignisse und wichtige Lebensetappen von Liebknecht. Er verbrachte mit seiner Familie die ersten 20 Lebensjahre in Leipzig. Daher gibt es kaum authentische Erinnerungsstücke an seine Kindheit und Jugend. Lebensorte können in Fotos gezeigt werden. Sein Vater Wilhelm Liebknecht war nicht nur einer der Führer der deutschen Sozialdemokratie, sondern auch gebildeter Schriftsteller. Er stand als Reichstagsabgeordneter im Zentrum internationaler Aufmerksamkeit – auch als er gemeinsam mit August Bebel und anderen Politikern aus Leipzig ausgewiesen wurde. Karl Liebknechts Elternhaus bildete vor und in der Zeit der Sozialistengesetze 1878 bis 1890 eines der Zentren der deutschen Arbeiterbewegung und der lebendigen Leipziger Arbeiter- und Gegenkultur.

„Die Geschichte gerade auch der Leipziger Arbeiterbewegung war pluraler, widersprüchlicher und relevanter, als es uns allzu parteiliche Geschichtsschreibungen lange glauben machen wollten. Nicht nur Karl Liebknecht hat es verdient, dass wir uns ihrer Leistungen und Errungenschaften ebenso wie ihrer Irrtümer und Vereinnahmungen heute wieder neugierig und vorurteilsfrei annehmen. Die Ausstellung erinnert an diese Familiengeschichte und beleuchtet zugleich die bedeutende Rolle Leipzigs bei der Formierung der modernen politischen Landschaft in Deutschland“, ergänzt Museumsdirektor Anselm Hartinger.

Die Ausstellung zeigt seltene historische Dokumente und Fotos, persönliche Gegenstände aus dem Besitz der Familie, wie Kleidungsstücke und die Brille Karl Liebknechts. Dank eines Restaurierungsprojekts sind historische Flugblätter aus dem Ersten Weltkrieg zugänglich, von denen man sich einige Kopien selbst mit nach Hause nehmen kann. Darunter auch mehrere der Spartakusgruppe, die von Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg oder Franz Mehring mit verfasst wurden.

Die Ausstellung „Held oder Hassfigur? Der Leipziger Liebknecht“ ist noch bis 30. Januar 2022 im Haus Böttchergäßchen zu sehen. Mehr Informationen unter www.stadtmuseum-leipzig.de

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