Reinhild Melcher konnte jeden sechsten Naunhofer davon überzeugen die Petition „Lass brummen“ zu unterschreiben. Foto: rd

NAUNHOF. Reinhild Melcher ist das, was man eine streitbare Frau nennt. Doch die Imkerin geht bei ihrem Einsatz für die Natur im Allgemeinen und die Biene im Besonderen nicht auf Konfrontationskurs. 
Ein wenig neidisch blickt Reinhild Melcher nach Bayern. Dort ließ Anfang des Jahres ein Volksbegehren namens „Rettet die Artenvielfalt“ aufhorchen, das 18,4 Prozent der Wahlberechtigten in dem südlichen Freistaat unterschrieben und damit 8,4 Prozent mehr als nötig gewesen wären, um einen Volksentscheid auf den Weg zu bringen. Im Land der Lederhose und Weißwurst sind die Belange der Biene somit mittlerweile in der Staatsregierung angekommen. Sachsen ist diesbezüglich noch nicht so weit. Dies wurde Reinhild Melcher dieser Tage wieder bewusst, als ein Schreiben zum Thema, das sie unter anderem an das Büro des Ministerpräsidenten Michael Kretschmer adressiert hatte, unbeantwortet blieb.
Immerhin antwortete ihr die Grünen-Fraktion im sächsischen Landtag, die die 73-Jährige umgehend zu einer Podiumsdiskussion nach Naunhof einlud, die am 22. August im Bürgersaal der Parthekommune stattfinden wird. Dass die ausgebildete Diplom-Ingenieurin für Labortechnik und Diagnostik, die seit neun Jahren im Ruhestand ist, Einladungsschreiben auch an den Landrat des Landkreises Leipzig, Henry Graichen, sowie den Muldentaler Regionalbauernverband und die Agrar GmbH im Naunhofer Ortsteil Fuchshain verschickt hat, ist kein Zufall. „Ich bin nicht auf Konfrontation aus, setzte vielmehr auf Kooperation, um Positives für die Gesundheit der Menschen zu erreichen. Man muss auch beim Thema Bienen alle einbinden und darf niemanden vergessen“, erklärt Reinhild Melcher ihre Streit-Philosophie.
Selbige beinhaltet auch die kleinen Schritte. Für eine Petition mit dem Titel „Lass brummen“, mit der der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) fordert, dem Insektensterben Einhalt zu gebieten, zog die Ruheständlerin im Unruhestand unlängst mit Unterschriften-Listen durch die städtischen Kindereinrichtungen, Arztpraxen, Apotheken, Geschäfte und Kreditinstitute, um von ihrem Erfolg – jeder sechste Einwohner der Parthestadt unterzeichnete – selbst ein wenig überrascht zu sein. „Manche Kindertagesstätte hat die Listen eigenständig weitergeleitet, Schüler der Oberschule brachten die ihren sogar im Rahmen einer Klassenfahrt persönlich nach Berlin“, so das Mitglied des Imkervereins Naunhof, dessen Engagement im Rahmen besagter Petition mit einem dicken Lob seitens der BUND-Pressestelle honoriert wurde.
Um ihr persönliches Ego allerdings geht es Reinhild Melcher am allerwenigsten, vielmehr streitet sie allein dafür, dass der Natur wieder mehr Raum zur Entfaltung gegeben wird. Die Veränderungen in den vergangenen Jahren erlebt die 73-jährige Hobbyimkerin hautnah an der hinter ihrem Grundstück entlang fließenden Parthe. Wobei das Wort „fließen“ das übrig gebliebene Rinnsal nicht wirklich realitätsnah beschreibt. „Hier gibt es kein Leben mehr, wohingegen die Parthe früher ein Dorado für Libellen und Schmetterlinge war“, beschreibt Reinhild Melcher die Situation, die sie nicht tatenlos hinzunehmen gedenkt. „Ich lass’ mich nicht so schnell unterkriegen, denn wenn man aufgibt, ist auch niemandem geholfen.“
Nicht aufzugeben, beabsichtigt Reinhild Melcher auch beim Thema Unkrautbekämpfungsmittel Glyphosat, dessen Einsatz mittlerweile in Österreich verboten ist. Erst dieser Tage hat sie dem renommierten Leipziger Onkologen Dietger Niederwieser ihre gesammelten Recherchen zu diesem Thema zukommen lassen. „Dass die umstrittene Chemikalie nach all dem, was man heute weiß, noch immer zugelassen ist, ist für mich nicht nachvollziehbar“, so die streitbare Seniorin, die auch nicht müde wird, unter dem Nachwuchs die Werbetrommel für die Natur und die Biene zu rühren. „170 Schüler und Hortkinder habe ich in diesem Jahr zu mir nach Hause eingeladen, und ich registriere ein allgemein großes Interesse an dem Thema Biene.“ Wie die Fridays-for-Future-Proteste zeigten, hätte die junge Generation begriffen, dass es um ihre Zukunft geht und zwingend etwas für den Erhalt einer intakten Natur getan werden müsse. „Es ist schlimm, dass sie die Erwachsenen erst auf diese Problematik aufmerksam machen müssen.“

Roger Dietze

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