Sachsen. Die Kreativwirtschaft gehört zu den Verlierern der Corona-Pandemie. Aufgrund der nach wie vor nicht möglichen Veranstaltungen brechen vor allem Künstlerinnen und Künstler große Teile ihrer Einnahmen weg. Wir sprachen mit Christian Rost, dem Leiter des Sächsischen Zentrums für Kultur- und Kreativwirtschaft – „KREATIVES SACHSEN“, das 350 Kreativ-Unternehmen im Freistaat betreut – von der Solo-Sängerin bis zum Medienhaus.
Wie ist nach über einem Jahr Corona-Pandemie die Situation der sächsischen Kreativwirtschaft?
Christian Rost: „Es sieht nicht gut aus. Wir gehen aktuell davon aus, dass ein Großteil der sächsischen Kreativen große Einbußen erlitten hat und immer noch erleidet. In einer Umfrage wurde deutlich, dass etwa 80 Prozent von ihnen negativ von der Pandemie betroffen sind. Wenn man sich direkt mit den Betroffenen unterhält, wird deutlich, dass sich diese Pandemie nachhaltig auch in den kommenden Jahren auswirken wird – unter anderem im Bereich der Tantiemen für Musiker. Wir haben ein sehr breit aufgestelltes Klientel, dass normalerweise gut über die Runden kommt. Wenn aber alle Einnahmen wegbrechen, stehen sie mit einem Bein im ALG II. Viele Kreative haben sich in den vergangenen Monaten bereits Nebenjobs gesucht, um über die Runden zu kommen. Da gibt es allerdings ein weiteres Problem: Viele aus der Kreativwirtschaft sind über die Künstlersozialkasse versichert. Hier ist aber die Voraussetzung, dass man den überwiegenden Teil seiner Einnahmen durch die Kunst verdient. Wenn das nicht mehr gegeben ist, besteht die Gefahr, dass sie ihren Versicherungsschutz verlieren. Viele Kreative leben aktuell von ihrem Ersparten und von den Rücklagen für das Alter.“
Welche Möglichkeiten zur Hilfe gibt es?
„Die aktuelle Überbrückungshilfe wird von unseren Kreativen nicht besonders gut nachgefragt – und das hat auch seine Gründe. Hier ist ein unheimliches bürokratisches Monster geschaffen worden, dass sich viel einfach nicht antuen wollen. Die Möglichkeit der Kurzarbeit wird in vielen Kreativbetrieben stark genutzt. Die Leute sind einfach müde und wollen nicht am Tropf des Staates hängen, sie wollen einfach arbeiten. Andererseits spüren wir bei den Kreativen auch großes Verständnis für die Corona-Maßnahmen. Sie sagen sich, je schneller diese Maßnahmen greifen, desto schneller können sie wieder auf der Bühne stehen und ihrer Leidenschaft nachgehen. Aber es sind durchaus auch positive Effekte zu spüren.“
Welche Effekte sind das genau?
„Einige Unternehmen profitieren unter anderem von der Digitalisierung, auch im Eventbereich. Vieles musste aufgrund der umfangreichen Einschränkungen in den digitalen Raum verlegt werden. Wer sich bereits in der Vergangenheit mit der Digitalisierung beschäftigt hatte, war natürlich relativ schnell am Start. Ich bin mir sicher, dieser Digitalisierungsschub wird auch nach der Pandemie bleiben. Selbst von den Kunsthandwerkern, denen alle Märkte weggebrochen sind, haben mit Hilfe von Onlineshops und sozialen Netzwerken neue Wege gefunden, ihre Waren zu verkaufen, und haben damit ebenfalls aus der Not eine Tugend gemacht. Außerdem bemerken wir zunehmend, dass sich die Leute Zeit für Kooperationen nehmen. Viele gehen sehr kreativ mit der Zwangspause um. Die Leute sind voller Energie, es gibt kaum Akteure, die jammern.“
Wie ist aktuell die Stimmung bei den Kreativen?
„Die überwiegende Stimmung lautet ‚Jetzt erst recht‘. Natürlich gibt es auch viel Kreative, denen das Wasser bis zum Hals steht und bei denen deshalb die Köpfe nach unten hängen. Bei vielen Unternehmen, die normalerweise Aufträge für die verschiedensten Kreativ-Abteilungen hätten, halten das Geld momentan eher zusammen. Der Großteil der Leute glaubt allerdings nicht daran, dass vor 2022 wieder Normalität einkehrt.“
Was kann ‚KREATIVES SACHSEN‘ aktuell konkret für die sächsischen Kreativen tun?
„Wir bieten seit März 2020 eine Corona-Beratung. Betroffene können sich hier mit ihren Fragen an uns wenden und bekommen praxisnahe Tipps. Dieses Angebot wird gut genutzt. Außerdem haben wir versucht, den Kreativschaffenden ein Gesicht zu geben – unter anderem über verschiedene Social-Media-Kanäle und unseren Newsletter. Auch die unterschiedlichsten Onlineshop-Angebote werden gebündelt. Dadurch wurde auch uns erst einmal so richtig bewusst, was es im Freistaat für tolle Dienstleistungen gibt. Insgesamt sind wir die Schnittstelle zwischen der kreativen Szene und der Verwaltung. Wir konnten in den vergangenen Monaten viele Dinge aus der Szene direkt an die Landes- und Bundespolitik spiegeln.“
Andreas Neustadt