Auf der Covid-Intensivstation der Helios Klinik Leisnig kämpft man täglich um das Leben der Patienten. Foto: Sven Gückel

Leisnig. Die Zeit der Erholung währte nur kurz. Und mit ihr schwand auch in der Helios Klinik Leisnig die Hoffnung auf ein absehbares Ende der Corona-Pandemie. Dabei wussten Experten längst, dass das Absinken der Fallzahlen im Sommer nur ein trügerisches Bild vermittelte. Mehr denn je kämpfen Ärzte und Pflegepersonal aktuell wieder um das Leben an mit Covid-19 infizierten Patienten.

Einen „normalen” Klinikalltag gibt es im Krankenhaus in Leisnig zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht. „Normal” gibt es in einem Krankenhaus eigentlich nie, jeder Tag hat seine eigenen Gesetze, die Betreuung der Patienten kennt keine Routine. Doch so, wie sich die Arbeit der Ärzte und des Pflegepersonals im Augenblick darstellt, kannten es selbst die erfahrensten Mitarbeitenden des Hauses nicht. Seit mehreren Wochen schon fährt die Klinik an der Grenze des Machbaren. Grund dafür ist einzig die Versorgung von Patienten, die eine Corona-Infektion mit schwerem Verlauf aufweisen. Deren Zahl, sagt Dr. Jan-Jakob Meyer, Chefarzt für Anästhesie, Intensivmedizin, Schmerztherapie und Palliativmedizin, reiße einfach nicht ab. Im Regelfall weise die Helios Klinik Leisnig auf seiner Intensivstation zwölf Betten vor. Patienten die einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall hatten, die an Herzschwäche leiden, aber auch Patienten nach großen Operationen oder schweren Verletzungen, werden hier üblicherweise aufgenommen. Im Augenblick ist das aber nur noch bedingt möglich. Vielmehr muss die Klinik nun einen Großteil ihrer ITS-Betten für die Covid-Patienten bereitstellen. „Sie zu betreuen ist enorm zeit- und personalintensiv. Zudem ist es kräfteraubend. Ärzte, Gesundheits- und Krankenpfleger:innen, die auf einer solchen Station arbeiten, tragen spezielle Schutzkleidung, die den Bewegungsradius erheblich einschränkt und wenig atmungsaktiv ist. Wer hier seine Schicht absolviert, ist zum Feierabend körperlich am Ende”, verdeutlicht Dr. Meyer die Dramatik. Bis zu fünf Personen sind nötig, um die auf einer Intensivstation liegenden Covid-Patienten in ihrem Bett zu drehen. Angeschlossen an ein Beatmungsgerät, unzählige Schläuche und nicht selten auch an Maschinen, die die Funktion der Nieren ersetzen, gilt es die Patienten 16 Stunden des Tages auf den Bauch zu legen. Ein medizinisch notwendiger Schritt, da in Bauchlage die Sauerstoffaufnahme der Lunge zumeist besser ist. Das zwischenzeitliche Wenden in die Rückenlage, ohne dabei die Schläuche zu entfernen, ist selbst im Teamwork ein Kraftakt. „Ein schlafender Körper, von dem keine Eigeninitiative oder Unterstützung ausgeht, wiegt gefühlt das Doppelte”, gibt der Mediziner Einblick in das Geschehen. In Leisnig wurden aus einer Intensivstation zwei Stationen gemacht – eine nur für die Behandlung von Covid-Patienten und eine für Patienten ohne Covid-Infektion. Mehr sei nicht zu leisten. Wird eines der Betten frei, hält dieser Zustand allerdings nur wenige Stunden an. „Im Regierungsbezirk Chemnitz, zu dem Leisnig gehört, gibt es 215 ITS-Plätze für Covid-Patienten. Im Augenblick”, sagt Dr. Meyer, seinen Blick auf den Computer gerichtet, „sind gerade einmal zehn frei.” Sollten ITS-Betten für Covid-Patienten frei sein, legt eine Koordinierungsstelle fest, welcher Patient in diesem Bett behandelt wird. „Die Belastung soll so gleichmäßig über alle Krankenhäuser des Regierungsbezirks verteilt werden“ erklärt Dr. Meyer. Von Leisnig aus wurden einige Akutpatienten bereits nach Kiel und Lübeck gebracht.

„Mit jeder neuen Welle”, fährt der Chefarzt fort, „erschweren sich die Bedingungen.” Während in den Wellen eins bis drei das Alter der Patienten bei 70 plus und deren Verweildauer auf der ITS bei einer Woche lag, fällt das Durchschnittsalter mittlerweile auf 55. Dafür wächst die Dauer des Aufenthalts auf drei bis vier Wochen an. Alle Patienten, die in Leisnig auf der Intensivstation aktuell um ihr Leben kämpfen, sind ungeimpft. Sofern sie eines Tages als geheilt entlassen werden, wird ein normales, gesundes Leben für sie aber kaum möglich sein. „Lungenschäden lassen sich nicht mehr beheben. Die Patienten müssen daher häufig für den Rest ihres Lebens mit den Auswirkungen der Krankheit leben”, betont Dr. Meyer. Einige Schwestern, Pfleger und Ärzte der Klinik Leisnig hätten sich im Verlauf der ersten und zweiten Welle, als es noch keinen Impfstoff gab, selbst infiziert und die Krankheit glücklicherweise mit einem leichten Verlauf überstanden. Doch manche von ihnen merken auch nach einem Jahr noch Nachwirkungen. Etwa die Hälfte derer, die seit Anfang 2020 aufgrund einer Covid-Erkrankung in der Helios KlinikLeisnig auf der Intensivstation beatmet werden mussten, sind an der Infektion oder deren Folgen verstorben. Ihren Kampf mit ansehen zu müssen, fiel auch den Ärzten und Pflegekräften schwer. „Atemnot ist ein hässliches Leiden. Der Patient atmet mit aller Kraft und schafft es doch nicht, ausreichend Luft zu bekommen. Häufig kommen dann Beatmungsgeräte zum Einsatz, die bei der Atmung zu helfen. Ebenso oft werden Patienten aber auch in ein künstliches Koma versetzt, damit der Stress der Behandlung für sie nicht zu belastend wird. Das beobachten zu müssen, den Tod nicht verhindern zu können und dabei selbst an das eigene Leistungslimit zu gelangen, ist gegenwärtig das Los vieler Ärzte und Pflegekräfte auf Intensivstation”, sagt Jan-Jakob Meyer nachdenklich. Angesichts vorherrschender Personalnot sei von Entspannung mittelfristig keine Rede. Stattdessen kündigt der neue Gesundheitsminister Karl Lauterbach bereits eine fünfte, noch heftigere Welle an.

Diese zu verhindern oder wenigstens zu minimieren, ist das Ziel des Impfens. Vom Nutzen der Impfung ist Dr. Jan-Jakob Meyer fest überzeugt. Aus diesem Grund begrüßt er die Entscheidung der Klinikleitung, ab Januar 2022 auf dem Areal der Klinik Leisnig ein Impfzentrum zu errichten. Das Genehmigungsverfahren hierzu laufe bereits, sagt er. Die dafür nötigen Ressourcen und das Personal stelle das Krankenhaus.

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