Christiane und Dieter Mertens bummeln gern durch den Leipziger Duft- und Tastgarten, den die Leipziger Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenverbandes einst mit eröffnete. Foto: PICTURE POINT/Kerstin Dölitzsch

Sie weiß, wie rote Tomaten aussehen, wie gelb der Mais leuchtet. Knapp 40 Jahre konnte Christiane Mertens (55) ganz normal sehen. Nach einer Augenthrombose wurde sie über Nacht blind. Aber die Leipzigerin spürt mit allen anderen Sinnen die Farben des Alltags. An ihrer Seite: Dieter (59), in den sie sich blind verliebte.

Wenn der Lavendel blüht, geht es Christiane Mertens richtig gut. Sie mag den Duft des Südens und genießt ihn, sooft es geht. Immer der Nase nach ist ihr Motto, nachdem die Augen sie im Stich ließen. Damals, als sie gerade von einer Paris-Reise zurückkehrte. Sehenden Auges machte sie sich selbst ein Bild von der Romantikhauptstadt. Niemals hätte sie im Frühjahr 2002 geahnt, dass die Eindrücke vom Eiffelturm und dem Triumphbogen mit zu ihren letzten intensiven Seh-Erlebnissen zählen werden. Wenige Tage später erlitt die Postangestellte eine Augenthrombose.

„Ich fühlte mich am Abend zuvor müde und schlapp“, erinnert sich Christiane Mertens. „Am nächsten Morgen sah ich kaum noch etwas.“ Die Ärzte diagnostizierten in der Netzhaut der Augen eine Blutgefäßverstopfung, einen Gefäßverschluss. Trotz sofortiger Operation konnten die Mediziner das Augenlicht nicht mehr retten. „Von einem Tag auf den anderen wurde es stockdunkel um mich herum“, sinniert Christiane Mertens. Doch die alleinerziehende Mutter musste im Alltag funktionieren. Ihre Kinder waren zu dem Zeitpunkt zwölf und 15 Jahre alt.

Innerhalb weniger Wochen orientierte sie sich in der Wohnung neu, innerhalb weniger Monate in der Stadt. Hilfe bekam die Praktikerin dabei vom Blinden- und Sehbehindertenverband Sachsen. Sie war dafür so dankbar, dass sie sich selbst dort engagiert und seit 2006 die Leipziger Vorsitzende ist. Bei dieser Arbeit lernte sie ihren Dieter kennen.

Auch er konnte früher sehen, bis er durch eine Netzhautablösung mit 15 Jahren erblindete. Er setzt sich ebenfalls ehrenamtlich für Betroffene ein, organisiert beispielsweise Dunkelcafés, in denen Sehende ein Gefühl für die Welt der Blinden bekommen. Christiane Mertens gefiel vor allem die Stimme des ehemaligen Telefonisten vom Typ großer Teddybär.

„Die Chemie stimmte sofort zwischen uns, so dass sich schnell ein Vertrauensverhältnis entwickeln konnte“, schwärmt die Sächsin. Sie verliebte sich in den (Hobby-) DJ, der ihr auch blind die schönsten Liebeslieder vorspielen kann. Im Sommer 2013 wurde geheiratet. Seitdem lebt das Paar glücklich zusammen auf einem Dreiseitenhof im Grünen. Viele Hilfsmittel, wie beispielsweise ein Farberkennungsgerät oder ein sprechender Wecker, erleichtern den Alltag. Im großen Garten bauen die naturverbundenen Mertens viel Gemüse an. Und im Ziergarten blüht natürlich Lavendel.

Kontakt: www.bsv-sachsen.de

Thomas Gillmeister

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