Bekannte und weniger bekannte, jedenfalls unzählige Interviewpartner haben bereits bei Traudel Thalheim am Küchentisch Platz genommen. Diesmal – allerdings in der Rolle des Fragestellers – Leipzigs Kulturbürgermeister a. D. und Verleger Michael Faber. Foto: JFM

Heute „Tratscht Traudel“ letztmalig in der Leipziger Rundschau. Viele ihrer Gesprächspartner – sowohl prominente als auch Leute wie du und ich – interviewte Traudel Thalheim in ihrer gemütlichen Wohnung am großen, stets reichlich gedeckten Küchentisch. Anlässlich des letzten Erscheinungstages ihrer Kolumne übernahm diesmal der mit ihr befreundete Verleger, Leipzigs Kulturbürgermeister a. D. Michael Faber, die Rolle des Interviewers.

Michael Faber:  Liebe Traudel, eine Zeit der Leipziger Rundschau ohne Dich ist kaum vorstellbar, dennoch gibst Du nach etwas mehr als 21 Jahren Dein „Amt“ als Kolumnistin ab. Mannomann. In Deinem Falle müsste man ja eher ausrufen: Frau, o Frau! Ich kannte Dich schon gut zehn Jahre als Buchverleger, ehe ich Kulturbürgermeister in Leipzig wurde. Ich kann Dich quasi in zweierlei Rollen beurteilen, sofern man einen Menschen wie Dich überhaupt beurteilen sollte. Ich weiß nicht, wie viele Interviews Du in Deinem Leben geführt hast. Aber eines ist sicher: viel zu selten warst Du diejenige, die über sich Auskunft gab. Ich denke, das empfinden die Leser der LR ebenso.

Du hast mir einmal erzählt, dass Du als ganz junge Journalistin gleich den Auftrag erhalten hattest, Bertolt Brecht am Rande eines Gastspiels des Berliner Ensembles in den Leipziger Kammerspielen zu interviewen. Was ist Dir aus diesem Gespräch besonders in Erinnerung geblieben?
Traudel Thalheim: Seine Freundlichkeit. Und: Er wollte doch tatsächlich den Text, den ich geschrieben hatte, nicht noch einmal vor Drucklegung sehen! Was für ein Vertrauen in mich junge Frau.

Ehe Du Journalistin wurdest, musstest Du – wie viele andere Deiner Generation – schlimme Zeiten durchleben …
Meine Mutter starb im März 1945. Ich war die älteste von fünf Geschwistern, und unser Vater als Soldat noch im Krieg. Eine familiäre Katastrophe kann nicht größer sein. Später war es mein Vater, der mit Beharrlichkeit, aber auch Strenge, dafür sorgte, dass aus uns Kindern allesamt „etwas wurde“.

Gibt es ein berufliches Credo, das Du Deinen vielen Lesern oder auch jungen angehenden Journalistinnen mit auf den Weg geben möchtest?
Die Achtung vor dem einzelnen Menschen, mit dem man spricht oder über den man berichtet … und: Möchtest Du die Sätze, die Du über sie veröffentlichst, auch über Dich lesen? Die Intimität der Personen sollte stets geachtet bleiben. Also: nicht alles, was ich zum Teil in den Gesprächen erfahren habe, sollte auch öffentlich mitgeteilt werden.

Sollte sich eine Journalistin stets um Objektivität bemühen, oder ist nicht eher der hohe Grad der Emotionalität ein wünschenswertes Ziel?
Ja, beides. Um Objektivität sollte man sich bemühen. Ich habe aber auch schon Interviews nicht in Druck gegeben, weil ich das Gefühl hatte, die Personen, um die es ging, damit eher zu beschädigen.

Die Reihe der Künstler, denen Du in Deinem langen Berufsleben begegnet bist, ist sehr lang. Von Johannes Heesters über James Last, Hildegard Knef bis zu Maximilian Schell. Auch mit vielen Leipzigern hast Du kontinuierlich Kontakt gehalten, und nicht selten sind daraus Freundschaften entstanden: Egbert Herfurth, Adel Karasholi, Helmut Richter, um nur einige wenige zu nennen. Was haben Dir diese Begegnungen bedeutet?
Sie haben mein Leben bereichert. Sie waren mir auch oft Ratgeber; es ist ja nicht so, dass man immer um das Bessere weiß. Und ich hatte stets die Gewissheit, dass die Ratschläge freundschaftlich und wahrhaftig gemeint waren. Das ist etwas sehr Schönes, wenn man das für sein Leben behaupten kann.

Welches Ereignis hat Dich tief beeindruckt?
Als ich das erste Mal von einem Kreuzfahrtschiff aus die Weite des Meeres erblickte und merkte, wie das der Seele guttut. Ich wusste sofort: Das ist für mich die schönste Urlaubsform. Am Heck des Schiffes zu stehen und auf das Kielwasser zu schauen – das ist immer wieder unbeschreiblich schön.

An einer ehemaligen Leipziger Verlegervilla, die heute als Ärztehaus dient, steht der bemerkenswerte Satz „Difficilis optimi perfectio“, was so viel heißt wie: Schwierig ist die Vollendung des Besten. Was würdest Du mit diesem Satz verbinden?
Es stimmt schon, dass man ein Leben lang auf der Suche nach Perfektion ist. Aber mal ehrlich: Liegt nicht gerade im Imperfekten gerade das Schöne im Leben? Das Vollendete ist am Ende auch langweilig.

Was gedenkst Du so ganz ohne berufliche Pflichten in den nächsten Jahren zu tun?
Ich könnte mir gut vorstellen, nach meinen beiden Reiseerzählungen „Götter, Wodka und Piraten“ und „Zulus, Napoleon und Reise zum Mond“ ein weiteres Mal zur Feder zu greifen. Mit meinem Lebenspartner, Werner Heiduczek, den ich 2001 kennenlernen durfte, hatte mein Leben neuen Schub bekommen. Womöglich schreibe ich ein Buch über die gemeinsame Zeit mit W. und, in Rückblenden, ein bisschen über mein Leben.

Es fragte Michael Faber

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