Beim Lokaltermin am Eingang der Trauerhalle am Neuen Israelitischen Friedhof Leipzigs: Historiker Steffen Held, HTWK-Architektur-Professor Ronald Scherzer-Heidenberger, Gemeindemitglied Eta Zachäus und Geotechnik-Professor Ralf Thiele (v.l.).
Beim Lokaltermin am Eingang der Trauerhalle am Neuen Israelitischen Friedhof Leipzigs: Historiker Steffen Held, HTWK-Architektur-Professor Ronald Scherzer-Heidenberger, Gemeindemitglied Eta Zachäus und Geotechnik-Professor Ralf Thiele (v.l.).

Man findet ihn im Norden Leipzig, gleich gegenüber vom Klinikum St. Georg: Seit 1928 gibt es hier den Neuen Israelitische Friedhof. Die Israelitische Religionsgemeinde Leipzigs hat es sich zur Aufgabe gemacht, den in die Jahre gekommenen Friedhof zu erforschen, zu pflegen und zu erweitern. Und dabei helfen nun auch Forscher der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) mit.

Eta Zachäus, 75-jährige Leipziger Jüdin und Nachkommin von Holocaust-Opfern, ist es gelungen, dafür viele helfende Hände zu akquirieren. Das Ziel: Den etwas in Vergessenheit geratenen Friedhof aus dem Dornröschenschlaf wecken und ihn als besonderen Erinnerungsort etablieren. Zu diesen helfenden Händen zählt nun auch ein HTWK-Team unter der Leitung von Geotechnik-Professor Ralf Thiele: Dieses erfasst die bisherige Gestaltungsgeometrie des Friedhofs und glichen diese mit den ehemaligen Bauplänen ab.

Schlecht dokumentierte Bestattungen und Urnenbeisetzungen

„Im Laufe der wechselvollen Geschichte des Ortes fanden während der NS-Zeit schlecht dokumentierte Bestattungen und Urnenbeisetzungen statt, die nun aufgearbeitet und in die Neugestaltung des Ortes sensibel integriert werden müssen“, erläutert Eta Zachäus die Herausforderung.

Dazu zählen mutmaßlich auch Kinderbestattungen und ein Gräberfeld mit geschändeten Grabsteinen des ersten jüdischen Friedhofs. Mittels Bodenradarmessungen ist es den HTWK-Forschern gelungen, einen Blick in den Untergrund zu werfen, ohne den Boden umzuschichten. Die Geräte geben Auskunft über die oberflächennahe Struktur des Bodens, woraus geschlussfolgert werden kann, ob sich an den vermuteten Stellen tatsächlich Urnen oder Gebeine befinden könnten.

Pläne für eine Um- und Neugestaltung des Neuen Israelitischen Friedhofs

Nach dem Einmessen und den geophysikalischen Untersuchungen erarbeitet Architekt Ronald Scherzer-Heidenberger, HTWK-Professor für Regionalplanung und Städtebau, nun Pläne für eine Um- und Neugestaltung des Neuen Israelitischen Friedhofs. „Wir wollen die historische Gestaltung mit den beiden prägenden Hauptachsen und Alleen wiederherstellen und die Raumqualität auf den großflächigen Erweiterungsteil im Osten des Friedhofs übertragen.

Die in jüngerer Zeit frei angelegten Grabfelder sollen sich in ein schlüssiges Gesamtkonzept integrieren. Zudem werden Gräber mit besonderer historischer Bedeutung für Besuchende besser erkenntlich und zugänglich“, erläutert Ronald Scherzer-Heidenberger die Pläne. Gemeinsam mit seinem Kollegen Ralf Thiele engagiert auch er sich aus Überzeugung dafür, dass der Erinnerungsort in neuem Glanz erstrahlen kann und sowohl Leipzigerinnen und Leipziger als auch Nachkommen aus aller Welt anzieht.

„Hochschulen haben neben Lehre und Forschung die so genannte dritte Mission, sich aktiv in der Stadtgesellschaft einzubringen“, erläutert Ralf Thiele das HTWK-Engagement: „Daher freut es mich sehr, dass wir bei der Erforschung und Neugestaltung dieses besonderen Ortes mitwirken dürfen. Und Eta Zachäus ergänzt: „Für die sehr gute und unbürokratische Zusammenarbeit mit der HTWK Leipzig sind wir sehr dankbar. Es ist für unsere Gemeinde und die Nachkommen von ungeheurer Bedeutung, wenn vermutete Gräber bestätigt werden. Davon gehen wir aus, wenn die geowissenschaftlichen Erkenntnisse sich mit den Informationen decken, die Historiker Steffen Held in akribischer Archivarbeit zusammengetragen hat.“

Dritte Ruhestätte der Leipziger Jüdinnen und Juden

Zum historischen Hintergrund: Am 6. Mai 1928 geweiht, ist der Neue Israelitische Friedhof die dritte Ruhestätte der Leipziger Jüdinnen und Juden. Die imposante Trauerhalle, ein von Wilhelm Haller gebauter Kuppelbau samt Flügelbauten, wurde 1938 während des November-Pogroms niedergebrannt und erhaltene Reste 1939 auf Betreiben der Stadt gesprengt.

Zu DDR-Zeiten ersetzte die Stadt den monumentalen Bau durch eine kleinere Trauerhalle. Der Leitspruch „Stärker als der Tod ist die Liebe“ thront über dem Eingang. Der Neue Israelitische Friedhof ist ein Beweis für die Existenz einer jüdischen Großgemeinde in Leipzig während der Weimarer Republik und für deren Vernichtung im Nationalsozialismus. Auch zeigt er jüdisches Leben während der DDR und ein Anwachsen der Gemeinde nach der Friedlichen Revolution durch Jüdinnen und Juden aus der ehemaligen Sowjetunion.

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