Am Lipsius-Bau der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) – in den Jahren 1922 bis 1926 als Verwaltungsgebäude der Oberpostdirektion Leipzig gebaut – lassen sich an der klar gestalteten und schnörkellosen Außenfassade auch Gestaltungselemente des Bauhaus-Stils erkennen. Foto: Swen Reichhold/HTWK

Leipzig feiert gemeinsam mit weiteren deutschen Städten das 100-jährige Jubiläum des Bauhauses.

„Leipzig bietet überraschende Spuren des Bauhauses. Die Ideenschmiede hat die Stadt stark beeinflusst – etwa im grafischen Gewerbe und der Architektur“, weiß Kulturbürgermeisterin Dr. Skadi Jennicke. „Auch bot die Messestadt ein wichtiges Podium für neue gestalterische Konzepte.“

Das Bauhaus und Leipzig

Ein „Bauhaus Leipzig“ hätte es tatsächlich geben können, denn bevor die Kunstschule von Dessau nach Berlin übersiedeln musste, wurde auch über einen Wechsel in die Messestadt verhandelt – letztlich erfolglos. Doch Leipzig war seit 1923/24 für das Bauhaus enorm wichtig. Sowohl auf den Grassimessen als auch in den Hallen der Mustermesse fanden Bauhäusler ein Podium für ihre neuen Gestaltungsideen. Und auch über Leipzig hinaus erwies sich die sächsische Industrie als potenter Partner für das Bauhaus, erinnert sei an den Leuchtenbau und die Textilindustrie. In der modernen Architektur Sachsens hinterließ das Bauhaus prägnante Spuren.

Die Ausstellung „Bauhaus_Sachsen“ im GRASSI Museum für Angewandte Kunst zeigt diese Zusammenhänge ab dem 18. April und richtet ihren Fokus auf die bis heute andauernde Inspiration des Bauhauses auf zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler. Ihre Lebensläufe zeigen die Vielfalt der Ausbildungswege am Bauhaus und zugleich die Chancen und die Tragik der Geschichte. Einen dieser Wege erzählt das Museum der bildenden Künste Leipzig mit der Ausstellung zum Bauhaus-Künstler Karl Hermann Trinkhaus ab dem 15. November. Der 1904 in Leipzig geborene Künstler begann seine Laufbahn 1926 am Bauhaus Dessau; er wurde dabei unter anderem von Josef Albers, Paul Klee und Wassily Kandinsky unterrichtet. In den frühen 1930er Jahren betätigte er sich als Schöpfer zeitkritischer Collagen. 1935 gab er die Kunst auf, arbeitete im Flugzeugbau bei den Junkers Flugzeug- und Motorenwerken in Dessau als Diplomingenieur. 1965 nahm er sich das Leben. Der vollständige künstlerische Nachlass von Karl Hermann Trinkaus befindet sich gegenwärtig im Museum der bildenden Künste Leipzig zur wissenschaftlichen Aufarbeitung und Vorbereitung der Ausstellung, die in Kooperation mit dem Getty Museum in Los Angeles entsteht.

Grafisches Gewerbe und „Neue Typografie“

Leipzig knüpfte nach dem Ersten Weltkrieg in den 1920er-Jahren an seine Tradition als Hotspot für das grafische Gewerbe an. In vielen Bereichen wie der Typografie, der Buchgestaltung und der Werbung gab es neue Ansätze. Die Vorläufer des Bauhauses im grafischen Gewerbe thematisiert die Ausstellung „Druckkunst 1919″ im Museum für Druckkunst Leipzig ab dem 30. Juni. Obwohl selbst nie am Bauhaus tätig gewesen, gilt der in Leipzig geborene Typograf und Buchgestalter Jan Tschichold (1902–1974) als einer der wichtigsten Vertreter der Neuen Typografie. Seine Entwürfe sind Klassiker des Grafikdesigns und begeistern bis heute. Internationale Bekanntheit erlangte er durch seine avantgardistischen Arbeiten und vor allem durch sein Buch „Die Neue Typographie“ (1928). Die Ausstellung „Jan Tschichold – ein Jahrhunderttypograf“ im Deutschen Buch- und Schriftmuseum Leipzig zeichnet die künstlerische Biografie eines der wichtigsten Typografen des 20. Jahrhunderts nach. Zu sehen ist die Schau ab dem 18. März.

„Art déco“ und „Neues Bauen“ in Leipzig

Auch Leipzigs Architekten setzten die Ideen des Bauhauses in ihrer künstlerischen Arbeit um. Stadtbaurat James Bühring (1871–1936) nahm sich die Klinkerarchitektur als Vorbild für seine architektonischen Vorhaben in Leipzig. Daraus entstand gemeinsam mit den expressiven Konturen des Art déco eine Stilfusion, die im Volksmund „Zackenstil“ genannt wurde. Der Leipziger Stadtbaurat Hubert Ritter (1886–1967) bezog diesen Stil in seine Entwürfe für den Bau des Grassimuseums und die Gestaltung der eindrucksvollen „Pfeilerhalle“ ein – heute ein Ort auf der „Grand Tour der Moderne“. Später orientierte sich das kommunale Bauen zunehmend in Richtung des sogenannten Neuen Bauens. Die Versöhnungskirche und die Krochsiedlung im Norden, der Rundling (Nibelungensiedlung) im Süden, der Bauhaus-Lesesaal der Deutschen Nationalbibliothek im Osten bis hin zur Niemeyer Sphere der Kirow-Werke im Westen Leipzigs – die Bauhausarchitektur hat in Leipzig viele Spuren hinterlassen und inspiriert bis heute. Im Jubiläumsjahr sind Gebäude begehbar (etwa der Bauhaus-Lesesaal der Deutschen Nationalbibliothek oder das Westbad Leipzig) oder in Ausstellungen zu erleben (etwa zum Kulturdenkmal Haus Rabe oder zu den Architekten Otto Fischbeck, Wilhelm Zeév Haller und Johannes Koppe). red.

Eine Liste wichtiger Bauhaus-Bauwerke sowie der geplanten Veranstaltungen im Jubiläumsjahr 2019 sind zu finden unter: www.leipzig.de/bauhaus100

 

 

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