Die Wäscheberge türmen sich, die Staubmäuse wehen durchs Wohnzimmer und das dreckige Geschirr stapelt sich in der Spüle – bei vielen Menschen ruft Hausarbeit eine große Abneigung hervor. Doch es gibt eine Frau, die solche Aversionen abschaffen will. Doris Bormann-Mayer bietet seit Januar Kurse zum Thema Haushaltsführung an. Die 59-Jährige ist gelernte Hauswirtschafterin, also vom Fach und hat zudem in Grimma über viele Jahre ihren eigenen Haushalt mit drei Kindern geschmissen. Sie kann viel Wissen und eigene Erfahrungen weitergeben.
Das Interessante ist: Es geht ihr nicht in erster Linie darum, praktische Anleitungen und Tipps zu vermitteln, sondern vielmehr die innere Einstellung ihrer Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Putzen zu verändern. „Wenn ich zufrieden und gesund bin, kriege ich meinen Haushalt ganz gut in den Griff”, sagt Doris Bormann-Mayer und lächelt. Überhaupt lächelt sie viel während des Gesprächs. Die Grimmaerin – buntes Shirt, graue lange Haare, Lesebrille – ist ein Mensch, der eine durchweg positive Ausstrahlung vermittelt.
Bedeutung des eigenen Haushalts
Die wichtigste Frage in ihrem Workshop lautet deshalb: Welche Bedeutung bekommt der Haushalt? „Es geht mir darum, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine innere, wertschätzende Haltung sich selbst gegenüber entwickeln und stärken”, sagt sie in ihrer Funktion als Haushalts-Coach. Aus dieser Haltung heraus soll das eigene Zuhause als Energietankstelle gesehen werden, als ein Ort, wo man Kraft tankt, sich wohlfühlt und entspannen kann. Teil ihres Programms sind verschiedene Körperübungen, Partnerarbeiten und Atemtechniken. Auch Austausch und Reflexion seien ein wichtiger Bestandteil der Kurse, die sich im Übrigen an Frauen und Männer richten.
Dass viele Menschen nur ungern Putzen, habe oftmals mit der eigenen Kindheit zu tun, sagt Bormann-Mayer. Hausarbeit wurde von den Eltern oft zur Bestrafung eingesetzt. „War Hausarbeit mit Strafe verknüpft, dann habe ich auch als Erwachsener eher eine Abneigung dagegen”, glaubt sie. Genau deshalb sei es wichtig, einen neuen Blick darauf zu gewinnen.
Tätigkeit als Hausfrau ohne Wert
Auch Doris Bormann-Mayer musste dieses Bewusstsein erst entwickeln, gibt sie zu. Vor Jahren wurden ihr beim Fenster putzen plötzlich klar, „dass ich gar nicht positiv über die Hausarbeit gedacht habe. Da war ich sehr erschrocken.” Sie maß ihrer Tätigkeit als Hausfrau keine Wertschätzung bei. „Nur eine Berufstätigkeit draußen hat eine Bedeutung”, so ihr Credo. „Als ich das gedreht habe, wurde es sehr viel leichter”, sagt sie. Seitdem habe sie einen Anfang gesetzt und sich das Thema neu erschlossen. Sie schreibt sich heute mehr Anerkennung zu für das, was sie zu Hause leistet.
„War Hausarbeit mit Strafe verknüpft, dann habe ich auch als Erwachsener eher eine Abneigung dagegen.”
„Nicht nur ich allein, auch wir als Familie”, betont sie und plädiert dafür, die Kinder altersgemäß in den Haushalt einzubeziehen. Ihr jüngster Sohn durfte den Hausflur zum Beispiel mal auf Inlineskates saugen. „Er hatte Spaß daran. Da konnte ich noch was lernen.” Und dann kommen doch einige praktische Tipps, wie die Arbeiten leichter von der Hand gehen. Musik hören, eine Tageszeit wählen, wo es einem leichter fällt, zu putzen, zählt die Expertin auf.
Eine Struktur sei hilfreich
Putzpläne aufstellen? Bormann-Mayer wiegt den Kopf hin und her. „Eine Struktur ist hilfreich.” Ob es eines Plans bedarf, das sei sehr individuell. Sinnvoll sei es jedoch, einmal aufzuschreiben, was es alles zu tun gibt – und aufzuteilen, wer welche Aufgaben übernimmt, möglichst nach Vorlieben der Familienmitglieder. Allen Berufstätigen empfiehlt die Fachfrau zudem, sich Entlastung zu holen und im Zweifel eine Haushaltshilfe zu beschäftigen. „Man muss nicht alles allein schaffen. Wichtiger ist es, eine gute Selbstfürsorge zu betreiben.”
Auch das ist ein Punkt, den Doris Bormann-Mayer erst selbst lernen musste. Heute blickt die Mutter von zwei erwachsenen Söhnen und einer erwachsenen Stieftochter gelassener auf das Thema und vielleicht auch auf das Leben insgesamt. Das hängt auch damit zusammen, dass es in ihrer Biografie mehrere Wendepunkte gibt – und auch dramatische Ereignisse. „Heute weiß ich, was im Leben wichtig ist”, sagt die 59-Jährige.
Hauswirtschafterin auf einem Bauernhof
Die gebürtige Stuttgarterin wächst in Nordrein-Westfalen auf und lässt sich nach der Schule auf einem Biobauernhof zwei Jahre lang zur Hauswirtschafterin ausbilden. Daher stammt wohl ihr großer Naturbezug, sagt sie rückblickend. Im Anschluss arbeitet sie eine Zeit lang als professionelle Hauswirtschafterin in einer Tagungsstätte in Hessen. „Aus dieser Zeit nehme ich die Fürsorge für Menschen mit.” Vier Monate lang ist sie zwischenzeitlich Sennerin auf einer Almwirtschaft und erfüllt sich damit einen Kindheitstraum. In den Schweizer Bergen lebt sie auf 1600 Metern Höhe mit 15 Kühen, einigen Schweinen und Hühnern zusammen – und lernt, wie man aus der Kuhmilch Käse herstellt. „In so ein ursprüngliches Leben einzutauchen, das prägt mich bis heute.”
Im Anschluss studiert sie Garten- und Landespflege – und absolviert ein Praxissemester in einem Landschaftsarchitekturbüro in Grimma. Es ist das Jahr 1996. Die Häuser der Muldestadt sind damals noch grau und unsaniert. Doch das stört die junge Frau nicht, denn sie verliebt sich, heiratet und zieht 1998 komplett nach Grimma – „ein großer, mutiger Schritt.“
Für die Familie zu Hause
Ihr verwitweter Mann hat eine kleine Tochter aus erster Ehe. Doris Bormann-Mayer bekommt zwei Söhne und bleibt für die Familie zu Hause. Sie sagt, mit der Mentalität der Grimmaer kommt sie von Anfang an zurecht, auch wenn sie als „Wessi” betrachtet wird. Doch bei Doris heißt es stets: „Ausnahmen bestätigen die Regel.” Doch Vorbehalte gegenüber Menschen aus den alten Bundesländern gibt es und auch Sticheleien. „Ich musste mir einiges anhören, an manchen Punkten war ich leicht geschockt.”
2002 erlebt Bormann-Mayer die Flutkatastrophe hautnah. Ihr zweiter Sohn ist da gerade mal drei Monate alt. Das Haus der Familie liegt direkt an der Mulde. Das Wasser steigt bis in den ersten Stock. „Es hatte keiner mit diesen Wassermassen gerechnet”, sagt sie heute. Per Boot wird die Familie aus dem Haus gerettet und harrt in einem Nachbargebäude aus, bis die Fluten langsam zurückgehen. „Wir haben das gut überlebt”, sagt Bormann-Mayer rückblickend. Aus der Situation habe sie gelernt, was im Leben wirklich wesentlich sei.
„Es hatte keiner mit diesen Wassermassen gerechnet.”
Ihr Zuhause wird durch die Wassermassen komplett zerstört. Zwei Jahre lang können sie das Haus nicht betreten und überlegen, aus Grimma wegzuziehen. Doch am Ende entscheidet sich die Familie zu bleiben. 2013 wird ihr Haus erneut Opfer der Fluten. Diesmal steigt das Wasser knapp bis unter die erste Etage. Doris Bormann-Mayer sagt, sie gehe heute mit kritischen Situationen anders um. In den Flutschutz der Stadt setzt sie nur bedingtes Vertrauen. Eine vollständige Sicherheit gebe es nicht.
Weiterbildung und Lockdown
Nachdem sie neun Jahre lang Hausfrau ist, will Doris Bormann-Mayer 2009 „ihren Horizont wieder erweitern”. Sie macht sich selbstständig, bildet sich weiter, gibt Kurse in innovativem Haushaltsmanagement und schult später für ein Münchner Institut deutschlandweit Betriebsräte in administrativen Fragen. 2020 kommt der Corona-Lockdown, die Seminare werden gestrichen. „Ich hatte Zeit”, sagt Bormann-Mayer und sie merkt: „Es steht eine Veränderung an.” Für ein paar Monate arbeitet sie in einer Bäckerei, steht ab fünf Uhr morgens im Laden, um etwas Geld dazu zu verdienen. Parallel lässt sie sich als Coach ausbilden – und will nun Haushaltskurse anbieten.
Während dieser Zeit erwacht ihr Interesse an Kommunalpolitik. Bormann-Mayer besucht die Stadtratssitzungen in Grimma und bekommt mit, wie Entscheidungen gefällt werden. Sie will mitgestalten und gründet 2021 gemeinsam mit drei weiteren Frauen die Initiative „Baumwege”. Die Frauen machen es sich zum Ziel, die 63 Ortschaften Grimmas wieder mit Baumalleen zu verbinden.
250 Obstbäume gepflanzt
Das Projekt entwickelt sich zu einer Erfolgsgeschichte. 250 Obstbäume wurden bisher in die Erde gebracht. „Was mich so tief erfreut, ist, dass die Menschen sich freiwillig so toll einbringen.” Die Gemeinschaftsaktionen werden über Spenden und Fördermittel finanziert. Einige Agrarwirte unterstützen die Ehrenamtlichen mit ihrem Equipment, etwa beim Gießen der Obstbäume während der vergangenen heißen Sommer. In diesem Jahr will die Initiative 150 neue Bäume pflanzen.
Doris Bormann-Mayer hat durch ihren beruflichen Werdegang und ihr Engagement ihr Selbstvertrauen vergrößert. Sie sagt, sie bringe sich heute gern in die Gesellschaft ein und spreche gern vor Gruppen. Das sei vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen. „Ich bin Schritte gegangen und dadurch haben sich neue Räume geöffnet.”
An die Rente denkt sie überhaupt nicht, obwohl ihr Mann bereits im Ruhestand ist. Doch Ausruhen kommt für die 59-Jährige bisher nicht in Frage. Sie schnürt lieber ihrer Wanderschuhe und läuft direkt von zu Hause aus gern mal 20 Kilometer durch das schöne Muldental. In ihrer Freizeit wandert Bormann-Mayer außerdem gern in den Alpen von Hütte zu Hütte oder geht Eisbaden in den heimischen Kiesgruben. Sie liebt „alles, was draußen ist und einen gewissen Kick gibt”. Kürzlich hat ihr Sohn sie in eine Kletterhalle mitgenommen. Sie kraxelte das erste Mal eine Wand hoch – auch das mit Erfolg. Gina Apitz
Die nächsten Haushaltskurse von Doris Bormann-Mayer starten am 12. März von 15 bis 18 Uhr finden wöchentlich statt. Ort ist die Paul-Gerhardt-Straße 15 in Grimma. Kosten: 195 Euro. Anmeldung und weitere Infos per Mail: dorisbormannmayer@gmail.com oder Tel.: 03437/948033