Leipzig. Zuerst war da ungläubiges Staunen über die Kunde, den Bundesverdienstorden zu erhalten. Dann kam der feierliche Festakt, die Verleihung, das ausführliche Gespräch mit dem Staatsoberhaupt Frank-Walter Steinmeier – das waren mehr als unvergessliche Stunden für die Orang-Utan-Forscherin Julia Cissewski. Jene Leipzigerin, die als Direktionsassistentin am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie arbeitet und deren ehrenamtliche Leistungen für das Gemeinwohl und ihr generationenübergreifendes Engagement im Umwelt- und Klimaschutz mit dieser Auszeichnung gewürdigt wurden.

Die Affenliebe wuchs im Leipziger Zoo

Der Ursprung für ihre Affenliebe liegt eigentlich im Leipziger Zoo, erzählt Julia Cisseweski. Es hatte sich bis zu ihr herumgesprochen, dass Leute gesucht werden, die mithelfen bei der Rundum-Betreuung von Waisen-Affenbabys, die der Zoo aufgenommen hatte. „So kam es, dass ich mich um Alexandra und Mosi kümmerte, sie fütterte, wickelte, aufpasste, dass sie auch ihr Bäuerchen machten. Einfach unbeschreiblich das Gefühl, wenn so ein kleines Äffchen mit dir kuschelt, sich an dich klammert“, erzählt sie und ergänzt: „Dadurch entstand eine Bindung, die mich nicht mehr los ließ. Ich musste mir das in der Natur anschauen und hatte tatsächlich zwei Jahre später die Gelegenheit während einer Forschungsreise nach Borneo.“ Dort erlebte sie im Nationalpark ausgewilderte Orang-Utans, ist fasziniert von der Friedfertigkeit der Tiere, von ihrer Liebe zu den Babys. „Ich kam mir vor wie im Paradies.“

Dieses Gefühl verschwand allerdings schnell, als die Leipzigerin damit konfrontiert wurde, wie der Lebensraum dieser „Waldmenschen“ mehr und mehr begrenzt ist. Wie sie bei den Brandrodungen zugunsten der Palmölindustrie qualvoll im Feuer sterben. Und wie das einmalige Naturparadies zerstört wird. Schreckliches erfährt sie auch in der Auffangstation Pasir Panjang: Orang-Utan Montana konnte nicht ausgewildert werden. Als Baby bekam er Kugeln in den Leib, weil seine Mutter erschossen wurde; nun fristete er sein Dasein verkrüppelt und halbseitig blind. Kirsten wurde mit sieben Jahren aus einem Bordell befreit. Sie hatte nie gelernt, wie ein Menschenaffe zu leben. Erst der dritte Auswilderungsversuch gelang. „Das sind nur zwei Beispiele von vielen, die einfach wütend machen und traurig,“ sagt sie.

Vereinsgründung vor 15 Jahren

Deshalb gründete Julia Cisseweski vor 15 Jahren den Verein „Orang-Utans in Not“, dem mittlerweile rund 200 Mitglieder angehören. Sie sammeln Geld für medizinische Geräte, für Medikamente, für Reparaturen der Gehege, für Spiel-und Klettergeräte, für Baumsetzlinge zur Wiederaufforstung, für die Umweltbildung vor Ort … Mehr noch: Sie organisieren Patenschaften für verwaiste Orang-Utan-Babys. Bisher sind es an die 500. Einer einer der Paten ist Wolfgang Joop, der bekannte Modedesigner, der übrigens Julia in herzlichen Worten zu der Auszeichnung gratulierte. Dessen Paten-Affenbaby namens Brenda wurde, als es vier Monate alt war, von Soldaten im Regenwald mit gebrochenem Arm gefunden. Seither wird sie in einer Waldschule auf das Leben in der Wildnis vorbereitet. Allein in Sumatra konnten bisher durch die aktive Hilfe des Leipziger Vereins 140 Orang-Utans wieder ausgewildert werden.

Auch Kleinbauernfamilien haben die Leipziger Aktivistinnen und Aktivisten im Blick: Sie bewirtschaften ihre Kaffeefelder naturnah und bewahren damit durch diese Anbauweise das natürliche Gleichgewicht. Ein wichtiger Baustein, um den Regenwald mit seinen Tieren und Pflanzen zu schützen. Zudem setzen sich auch die Kleinbauernfamilien vor Ort für das Orang-Utan-Schutzprogramm ein. „Es ist jedesmal eine Freude, wenn wir in Sumatra unterwegs sind“, berichtet die Vereinsvorsitzende: „Diese Menschen zu treffen, zu erleben, wie sie ökologisch wirtschaften.“ Dabei schwärmt sie von dem aromatischen Kaffeegenuss, verrät zudem, dass bei ihr der Orang-Utan-Kaffee, den es ja auch hierzulande zu kaufen gibt, nie ausgeht. Noch eins: Der geplante „Orang-Utan Haven“ – bei diesem Projekt entstehen begrünte Inseln für die Tiere, die aufgrund von Krankheit oder Behinderung nicht ausgewildert werden können – geht dank auch des Leipziger Vereins der Vollendung entgegen, wie die Leipziger Delegation kürzlich vor Ort feststellen konnte.

Ausgesprochen aktiv auch in der Heimatregion

Natürlich ist der Verein auch in der Heimatregion sehr aktiv. In Leipziger Schulen, in Kindergärten und in Freizeittreffs sprechen sie über ihr Engagement im Klimaschutz, besuchen gemeinsam mit den Kindern den Leipziger Zoo, veranstalten Projekttage wie zum Beispiel in der Brüder-Grimm Grundschule, der Franz-Mehring Schule, im Ferienhort in Markkleeberg Ost, erst kürzlich wieder in der Heinrich Mann Grundschule in Meusdorf …

Dies alles ist dringend notwendig. „Es ist jetzt eine Minute vor zwölf“, resümiert die in Eisleben geborene Wissenschaftlerin: „Ein Problem wie die Klimakrise darf man nicht wegschieben, auch wenn es mitunter unangenehm und beängstigend ist. Man muss es anpacken und jeder von uns kann Teil der Lösung sein. Diese hohe Auszeichnung ist für mich eine große Ehre, die mir neue Kraft geschenkt hat.“

Dazu tragen auch die sehr zahlreichen Glückwünsche, selbst aus Indonesien, bei. Ihr Chef, Professor Richard McElreath vom Max-Planck-Institut, Direktor der Abteilung für Verhalten, Ökologie und Kultur des Menschen erklärte:„Wir waren schon immer sehr stolz auf die Arbeit, die Julia für die Orang-Utans geleistet hat. Wir freuen uns sehr, dass diese Arbeit mit dem Bundesverdienstorden anerkannt wurde. Das bedeutet uns sehr viel.“ Traudel Thalheim

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here