Marko Reimann ist als Stadtwaldranger für den Leipziger Stadtwald zuständig. Foto: André Kempner
Marko Reimann ist als Stadtwaldranger für den Leipziger Stadtwald zuständig. Foto: André Kempner

Marko Reimann stapft durch den Schneematsch. Es hat kürzlich geschneit. Die Wege sind aufgeweicht im Connewitzer Holz. Doch das stört den Stadtwaldwanger nicht allzu sehr. Schließlich kennt der ­50-Jährige den Wald hier bestens – im Frühling, Sommer, Herbst oder eben im Winter. Marko ­Reimann, lange dunkle Haare, Vollbart, ist ein Mensch, der den Wald zu jeder Jahreszeit schätzt. Und: Er könnte stundenlang über ihn sprechen.

Seit einem knappen Jahr ist er gemeinsam mit seiner Kollegin Franka Seidel als eine Art Wald-Sheriff unterwegs. Die Ranger sind für den gesamten Leipziger Stadtwald zuständig. Der umfasst 2100 Hektar, 1200 Hektar davon sind Auwald. Das Gebiet reicht von Taucha bis zum ­Cospudener See und zur Burgaue im Norden.

Reimanns Resümee nach einem Jahr im Amt: Das Ganze sei „ein sehr spannender und schöner Job in einer tollen Arbeitsumgebung”. Er schätzt vor allem die Vielseitigkeit, die die Aufgabe als Ranger mit sich bringt. Seine Kollegin und er sind in alle Maßnahmen eingebunden, die den Stadtwald betreffen, um den Leipzigern genau erklären zu können, was hier vor sich geht. Denn genau das sollen die beiden tun: Sie verstehen sich als Vermittler zwischen Forstbehörde und Bevölkerung. Die Ranger sollen Infos über den Auwald weitergeben und gleichzeitig ein Auge auf die Natur haben.

Stadtwaldranger Marko Reimann schaut genau hin, was sich unter dem Schnee verbirgt. Foto: André Kempner
Stadtwaldranger Marko Reimann schaut genau hin, was sich unter dem Schnee verbirgt. Foto: André Kempner

Obwohl auch Büroarbeit zu ihren Aufgaben gehört, sind sie einen Großteil des Tages draußen unterwegs. Mit ihren ­E-Bikes durchkämmen sie den Stadtwald, fahren Streife und achten darauf, dass sich die Leipzigerinnen und Leipziger im Wald ordentlich benehmen. „Das Schöne ist, dass sich der größte Teil des Waldes wie ein grünes Band durch die Stadt zieht”, sagt Reimann. Fast alle ihre Ziele seien auf Waldwegen erreichbar.

Pilzkrankheiten, Hitzesommer und Schädlinge

Ihr besonderes Augenmerk gilt den Veränderungen, die derzeit im Auwald stattfinden. „Die Zahl der toten Bäume ist seit dem Trockenjahr 2018 massiv angestiegen”, erklärt der Experte. Betroffen sind vor allem Eschen sowie der Berg- und Spitzahorn. Pilzkrankheiten und mehrere Hitzesommer in Folge machen diesen Baumarten zu schaffen. Hinzu kommt der Befall vom Eschenbastkäfer, der im Schlepptau mit der Pilzkrankheit daherkomme und den Bäumen zusätzlich zusetzt. „Das hat zum Absterben von vielen großen und alten Bäumen geführt”, so Reimann.

Der Fachmann will allerdings keine Panik verbreiten, denn er stellt gleichzeitig klar: „Wir werden den Wald nicht verlieren, aber er verändert sich.” Die Natur passe sich an. Seit der Auwald vor etwa 100 Jahren eingedeicht wurde, ­fehlen die regelmäßigen Überschwemmungen. Mit der ­Trockenheit kommen bestimmte Baumarten besser zurecht als andere – dem Ahorn etwa bietet sie optimale Voraussetzungen.

Doch diese Baumart kämpft derzeit mit der Rußrindenkrankheit, einem Pilz, der zum Absterben des Baumes führen kann. Marko ­Reimann zeigt auf einen Baum mit einer schwarzen, rußigen Rinde. Dieser ist bereits befallen, das Schwarze sind die Pilzsporen. „Der ist abgestorben und bricht bald zusammen”, erklärt er. „Die vielen Altbäume zu verlieren, ist schon schmerzhaft.” Denn: „Bis große, starke Bäume nachwachsen, das dauert Jahrhunderte.” Andererseits seien große abgestorbene Eschen und Ahorne gleichzeitig Lebensraum für viele Insekten und Pilze.

Forstamt fördert den Umbau des Waldes

Das Forstamt unterstützt den Wald bei seinem Umbau und fördert Baumarten, die weniger anfällig für Krankheiten sind. Dazu zählen Linden, Hain­buchen und vor allem die Stieleiche, die Reimann „eine Schlüsselbaumart in der Biodiversität” nennt. Es gibt im Leipziger Auwald noch viele alte, knorrige Eichen. Studien zeigten, dass diese ein Lebensraum für zahlreiche Tierarten seien.

Am Auenwaldkran in der Burgaue konnten Forscher an 18 verschiedenen Eichen etwa 600 Käferarten feststellen. Und: Eichen sind eine besonders langlebige Baumart. Die meisten Exemplare im Auwald sind 250 bis 300 Jahre alt. „Einzelne Giganten können an die 500 Jahre alt sein”, schätzt Reimann. Die Leipziger Forstwirte wollen ihren Bestand erhöhen und pflanzen an geeigneten Plätzen junge Eichen nach.

Beim Totholz greift das Forstamt nur wenig ein, sagt Reimann. Es wird zum größten Teil liegen gelassen, ein geringer Teil als Brennholz verkauft. Privatpersonen holen es sich mit ihrem Anhänger aus dem Wald, vorwiegend im Winter. Die Stadtwaldranger kontrollieren, ob Menge, Vorgehen und Verhalten korrekt sind. Die Holzkäufer müssen zum Beispiel vorher einen Stadtwaldökologiekurs absolvieren.

Gefährliches Totholz: Marko Reimann weist darauf hin, immer mal nach oben zu schauen und nicht unter abgestorbenen Bäumen herumzulaufen. Foto: André Kempner

Fest steht: Das viele Totholz ist mitunter gefährlich für Spaziergänger oder Kindergartengruppen, die im Wald unterwegs sind. „Wir weisen sie darauf hin, dass sie immer mal hochgucken und nicht unter abgestorbenen Bäumen herumlaufen sollten”, sagt Reimann. Sein wichtigster Hinweis: Wenn es stürmt, den Wald schnellstmöglich verlassen. „Die Gefahr, einen Ast abzubekommen, nimmt dann akut zu.”

Bärlauchdiebe und Gartenabfälle

Die Ranger warnen vor möglichen Gefahren des Waldes und achten gleichzeitig auf Verstöße. Der Diebstahl von Bärlauch jedes Frühjahr ist so ein Thema. In diesem Jahr rissen Diebe ganze 800 Kilo der Pflanzen aus der Erde, um sie später abzutransportieren. „Wissenschaftler sind darüber gestolpert”, erzählt Reimann. Die Ranger stellten den Fund sicher, die Diebe wurden jedoch nie erwischt. Im Frühjahr ist Reimann deshalb verstärkt mit dem Stadtordnungsdienst unterwegs und fährt extra bekannte Stellen an, an denen der Bärlauch wächst.

Ein weiteres Ärgernis, was ihn beschäftigt, sind Gartenabfälle, die an am Wald angrenzenden Gartenanlagen oder Eigenheimen auftauchen. „Die Berge wachsen jedes Jahr.” Das Problem: Durch die Abfälle werden exotische Pflanzen ungewollt im Wald verteilt, breiten sich dort aus und verdrängen heimische Arten. Reimann und seine Kollegin dokumentieren das Ganze und lassen die Abfälle entsorgen.

Würden sie jemanden auf frischer Tat ertappen, könnten sie die Personalien aufnehmen. Als Angestellte des Stadtforstamts haben sie polizeibehördliche Befugnisse und dürfen sogar Ordnungswidrigkeiten ahnden. Außerdem, betont Reimann, haben sie einen kurzen Draht zur Polizei.

Gefräßige Raupen im Blick

Wenn die Ranger zu Fuß unterwegs sind, werden sie oft von Spaziergängern angesprochen. „Viele Menschen sind interessiert und fragen, was wir im Wald machen”, sagt Reimann. Die Ranger bieten auch Exkursionen an, die vor allem für die breite Bevölkerung gedacht sind.

Querfeldein ist Marko Reimann im Stadtwald unterwegs.
Querfeldein ist Marko Reimann im Stadtwald unterwegs. Foto: André Kempner

Eine weitere wichtige Aufgabe der beiden Waldwächter ist das so genannte Monitoring. Reimann deutet auf einige Bäume, die mit grünen Streifen ummantelt sind, die aus klebrigem Kunststoff bestehen. Eine ganze Reihe von Faltern klebt an ihnen fest, es handelt sich um den so genannten Frostspanner.

Die ­Insektenart sei auch im Winter bei Minustemperaturen aktiv, erklärt Reimann. Die flügellosen Weibchen wandern vom Boden aus am Stamm hoch bis in die Spitze des Baumes, verpaaren sich und legen dort ihre Eier ab. Im Frühjahr schlüpfen die Raupen und fressen die Blätter der Bäume. Auf ihrem Weg nach oben bleiben sie an den Kunstoffringen kleben. „Dadurch bekommen wir einen Überblick, wie hoch die Belastung für die Bäume im kommenden Jahr sein wird”, erklärt ­Marko Reimann.

Mit dem Wald ist der Ranger schon seit seiner Jugend verbunden. Ein Blick in seine Biografie: Er wächst in der in der brandenburgischen Prignitz auf – einer Gegend, die geprägt ist von Landwirtschaft und viel Wald. Reimann lässt sich zunächst zum Kfz-Mechaniker ausbilden. Dann kommt er nach Leipzig, um hier ein technisches Fachabitur abzulegen. Das war vor etwa 20 Jahren, als er die Stadt und „den herrlichen Auwald” kennenlernt.

Zum Forstwirtschaftsstudium geht er vorübergehend nach Göttingen. Sein Praktikumssemester absolviert der Student aber wieder in Leipzig und schreibt hier auch seine Diplomarbeit – über die Alteichen des Auwaldes. Nach seinem Abschluss arbeitet ­Reimann im Leipziger Umweltinformationszentrum, für eine Forstfirma in der Dübener Heide und zuletzt bei der Deutschen Bahn im ­Vegetationsmanagement. Dann bietet sich ihm die Gelegenheit, im Leipziger Forstamt anzufangen – für Reimann die ideale Tätigkeit.

Mit dem Hund im Wald unterwegs

Der 50-Jährige ist auch privat gern im Wald, am liebsten in Begleitung seines Border-Collie-Mischlings. Von seiner Wohnung in Kleinzschocher hat er einen „kurzer Weg raus ins Grüne”. Im Sommer ist Reimann zudem gern motorisiert unterwegs und erkundet mit seinem Motorrad die die umliegenden Bundesländer, erzählt er.

Im Alltag aber entdeckt er auf seinen Streifzügen immer wieder neue Seiten des Leipziger Stadtwalds, den es zu schützen gilt. „Der Auwald hat diese Artenfülle, die ihn so besonders macht”, sagt Reimann. Um ihn in seiner jetzigen Form zu erhalten, soll der Wald perspektivisch in Abschnitten wieder künstlich geflutet werden. Dann nämlich würden die typischen Auwald­arten – Eichen und Eschen – wieder nachwachsen, erklärt der Fachmann. Auch alte Grabensysteme und Flussläufe sollen ­irgendwann einmal wieder hergestellt werden, um „möglichst viel Natürliches nachzuahmen”. Das Ganze sei ein „sehr komplexer Planungsprozess”, so der Ranger – und ist aktuell deshalb noch Zukunftsmusik.

Für die beiden Stadtwaldranger stehen die Aufgaben für das neue Jahr indes fest: Sie wollen das Exkursionsprogramm ausweiten, weiterhin Streifen fahren, das Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern suchen – und „den Wald im Blick haben”. Gina Apitz

Weitere Infos zu den Rangern und zu deren Exkursionen gibt es im Internet unter: www.leipzig.de/stadtwald

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