„Time to Say Goodbye“, meint Annette Brück. Künftig möchte sie öfter die Orte ihrer historischen Postkarten besuchen.Foto und Repro: PICTURE POINT/Kerstin Dölitzsch

Er zählt zu den ältesten Ansichtskartenverlagen der Welt. Annette Brück (62) führte ihn in siebenter Generation. Doch zum Monatsende besiegelt sie das Aus für das Traditionshaus „Brück & Sohn“ in Meißen. Die Eigentümerin fand über Jahre keinen geeigneten Käufer.

Für Ansichtskartensammler wäre das Archiv des Kunstverlags ein Paradies. Annette Brück bewahrt rund 34.000 Motive auf. Darunter sind nicht nur deutsche Bilder, sondern sogar 700 amerikanische. „Von 1903 bis 1906 stellten meine Vorfahren für einen Verleger in Los Angeles Ansichtskarten her“, weiß die gebürtige Meißnerin. Ein Beispiel dafür, dass beim 1793 von Carl Friedrich August Brück gegründeten Kunstverlag einst die Post abging. Er begann mit Kalendern und religiösen Schriften. Ab 1885 spezialisierten sich die Verleger auf Ansichtskarten und exportierten sie innerhalb kürzester Zeit in alle Welt.

„Die Postkarte war damals eine der modernsten Kommunikationsmittel“, erzählt Annette Brück und spricht gleich den wunden Punkt anno 2019 an. Im Digitalzeitalter führt die Ansichtskarte nur noch ein (trauriges) Nischendasein. Deshalb entwickelte Annette Brück, die den Verlag 1987 in siebenter Generation übernahm, neue Produkte. Seit rund 20 Jahren gab sie von Meissner Porzellanmalern liebevoll gezeichnete Adventskalender heraus. Der mit dem Moritzburger Motiv aus dem Märchenfilm-Klassiker „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ erwies sich als Verkaufsschlager und ist seitdem nicht nur bei Fans des Films beliebt. „Aber von Adventskalendern und Ansichtskarten allein kann man heutzutage nicht leben“, bemerkt die gelernte Druckformenherstellerin und Fotografin.

Ihre zwei Kinder möchten das Kunsthaus nicht weiterführen. Deshalb kam sie in den vergangenen Jahren mit vielen potenziellen Käufern ins Gespräch, die mit neuen Ideen die Verlagsgeschichte weiterschreiben sollten. „Aber ich vermisste immer Fachkompetenz und Finanzkraft“, begründet sie, warum sie das Ende des Verlages beschloss. „Ich habe stets mit viel Liebe zum Detail gearbeitet und möchte, dass der Traditionsname Brück & Sohn in guter Erinnerung bleibt.“ Die Sächsin ist mit sich im Reinen: „Ich nehme ganz bewusst Abschied, ohne verbittert darüber zu sein.“

Bereits 2005 kaufte die Deutsche Fotothek rund 20.000 historische Glasplatten und Filme aus der früheren Produktion. Das eigene Ansichtskartenarchiv möchte Annette Brück jedoch für immer behalten. Denn nun hat sie Zeit für ihr Hobby. Sie fährt gemeinsam mit ihrem Mann Helmut im Wohnwagen zu historischen Postkartenmotiven. So reiste das Ehepaar ein Vierteljahr lang quer durch Amerika. „Das ist so ein unglaubliches Gefühl, wenn wir beispielsweise in Kalifornien rund 100 Jahre später das Motiv aufspüren, die Szenerie vergleichen und fotografieren“, schwärmt Annette Brück. Für diese schöne Form der etwas anderen Verlags- und Familienforschung möchte sie sich künftig mehr Zeit nehmen.

Thomas Gillmeister

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