„Miese Krise“ haben Illustratorin Annika Le Large und die Autoren Ann-Sophie Henne und Robin Jüngling (v.l.) ihr Buch über den Klimawandel überschrieben. Foto: André Kempner
„Miese Krise“ haben Illustratorin Annika Le Large und die Autoren Ann-Sophie Henne und Robin Jüngling (v.l.) ihr Buch über den Klimawandel überschrieben. Foto: André Kempner

Glücklich sieht sie nicht aus, die Erde, die das Cover des Buchs „Miese Krise“ ziert. Die Augen kneift sie zusammen, die Mundwinkel hängen herunter, als wolle sie sagen: Es liegt etwas im Argen. Es läuft nicht gut.

Genau das ist die Message des Sachbuchs, das die Journalistin Ann-Sophie Henne und der Journalist Robin Jüngling – beide aus Leipzig – im März im Katapult-Verlag veröffentlicht haben. Die Unterzeile „Alles, was du über den Klimawandel wissen musst” fasst zusammen, worum sich das Werk dreht – um die Ursachen und Folgen der Klimakatastrophe, auf die wir derzeit zusteuern. Illustriert hat das Ganze die Dritte im Bunde, Annika Le Large. Ihre Zeichnungen ergänzen die zusammengestellten Fakten rund um den Klimawandel und passen gut zu den leicht verständlichen, kurzen Texten und dem teils humorvollen Stil der beiden Autoren.

Das Buch "Miese Krise" ist im März im Katapult-Verlag erschienen. Repro: Verlag
Das Buch „Miese Krise“ ist im März im Katapult-Verlag erschienen. Repro: Verlag

Pünktlich zur Leipziger Buchmesse ließ der Verlag 6000 Exemplare von „Miese Krise” drucken. Als die ersten Bücher bei ihnen eintrudelten, war die Freude groß, sagt Ann-Sophie ­Henne. „Es war total verrückt und mega-aufregend“, beschreibt die 31-Jährige die ersten Wochen nach dem Erscheinungstermin im März, jene Zeit, in der die drei ihre Arbeit auf Lesungen unter anderem auf der Buchmesse vorstellten und mit ihren Leserinnen und Lesern diskutierten.

Direktes Feedback von den Lesern

„Es hat Spaß gemacht, die Reaktionen direkt zu sehen”, sagt ­Robin Jüngling. Gewöhnt sind die drei persönliches Feedback eigentlich nicht. Entstanden ist das Buch aus ihrem Instagramkanal „nachhaltig.kritisch”, auf dem sie seit 2019 Ursachen und Folgen des Klimawandels erklären. Das geschieht kurz und knackig, in maximal zehn Text-Slides, gepaart mit Le Larges Illus­trationen. 41 100 Menschen folgen ihnen auf Instagram, viele kommentieren die Postings.

Die Illustrationen zum Buch "Miese Krise" stammen aus der Feder von Annika Le Large.
Die Illustrationen zum Buch „Miese Krise“ stammen aus der Feder von Annika Le Large.

Feedback von Angesicht zu Angesicht aber bekamen die drei erst nach der Veröffentlichung ihres ersten Buchs. Damit wollen sie eine weitere Zielgruppe erreichen, ebenso wie mit ihrer Website und dem Podcast „nachhaltig.kritisch“. „Unsere Intention war es, das Thema so kurz wie möglich zusammenzufassen, auch für Menschen, die sich noch nicht soviel damit auseinandergesetzt haben”, sagt Ann-Sophie Henne.

Die „kritische Masse” an Menschen erreichen

Aus ihrer Sicht sei die „kritische Masse” an Menschen, die das Thema ernst nehmen, noch längst nicht erreicht. Mit ihren simpel gestalteten Texten hoffen die drei, dass sich noch mehr Menschen mit dem Klimawandel und seinen Folgen auseinandersetzen. Kurz und prägnant zu schreiben, dass sie bei manchen Themen – etwa Boden oder Ernährung – gar nicht so leicht gewesen, geben die Journalisten zu.

Am belastendsten seien Zukunftsszenarien gewesen, die die Entwicklungen auf der Erde bei einer prognostizierten Erwärmung von 1,5 oder 2 Grad skizzieren. Da ist von Dürren und Fluten die Rede, von Fluchtbewegungen und Artensterben. „Es hört sich an wie ein dystopischer Film. Das sind aber Berechnungen seriöser Wissenschaftler”, so Ann-Sophie Henne. Für die Recherche durchforsteten Henne und Jüngling das Internet, sprachen aber auch mit Experten, darunter viele Leitautoren wissenschaftlicher Studien. 300 Fußnoten ergänzen ihre Arbeit und lassen alle Aussagen transparent erscheinen.

Illustrationen ergänzen die Texte des Buches

Die Illustrationen von Annika Le Large verbildlichen das Dilemma, in dem die Menschheit derzeit feststeckt. Einige treffen gut den Kern des Kapitels – etwa die angeschlagene Vase, die die Lage auf der Erde versinnbildlicht. „Mich berührt das ganz anders, wenn ich ein Bild und nicht nur den Text sehe”, erklärt ­Ann-Sophie Henne die Kombination aus Bild und Zeichnung, die die Fakten jedes Kapitels auflockern. Auch der Titel “Miese Krise” ist bewusst gewählt: Er soll das Problem des Klimawandels verdeutlichen, aber durch das witzig anmutende Wortspiel möglichst niemanden abschrecken.

„Heiße Scheiße”, was als Titel ebenfalls im Rennen war, wurde aber abgewählt – zu derb sollte es auch nicht sein. Doch was genau wollen die drei mit ihrem Buch erreichen? „Unser Job ist es in erster Linie, zu informieren”, sagt Henne. Von einem erhobenen Zeigefinger halten sie nicht viel.

Annika Le Large bekam die fer- tigen Kapital und überlegte sich dann eine passende Bebil- derung.
Annika Le Large bekam die fer-
tigen Kapital und überlegte
sich dann eine passende Bebil-
derung.

„Man soll unser Buch nicht lesen und dann sein komplettes Leben verändern.” Die Journalistin hofft: „Wenn diese Krise wirklich verstanden wird, wird das Verhaltensänderungen mit sich bringen – auf individueller und vor allem auf gesellschaftlicher Ebene.”

Es gibt Lösungen für die Krise

Was die drei Autoren außerdem zeigen wollen: „Es ist keine hoffnungslose Krise, es gibt Lösungen.” An denen müsse jeder einzelne arbeiten, aber auch die Gesellschaft als Ganzes. Die individuelle und politische Ebene ergänzten sich, betont Henne. „Es geht aber erstmal darum, diese Krise anzunehmen und sie nicht zu verdrängen”, sagt ­Robin Jüngling. Klar würden sich die drei freuen, wenn auch der ein oder andere Politiker ihre Lektüre zur Hand nimmt. Doch im Grunde genommen stehe in ihrem Buch nichts Neues, jedenfalls nichts, was der Weltklimarat nicht auch schon in Papieren zusammengefasst hat, betonen die drei.

Wenn sich nur ein wenig bewegt in der Gesellschaft, dann hätte ihr Herzensprojekt wohl schon etwas gebracht. Lukrativ ist es nicht, auf Instagram über Klimathemen zu berichten. „Unser Stundenlohn beträgt aktuell ein paar Cent”, sagt Ann-Sophie Henne. 20 Stunden pro Woche investieren alle drei im Schnitt in das Projekt.

Weitere Infos zum Klimajournalismus-Projekt gibt es unter: www.nachhaltigkritisch.de

Als die Arbeit am Buch losging, waren es locker acht Stunden täglich. „Da haben wir gar nichts anderes gemacht, und das sechs Tage die Woche.” Was die drei verbindet: Sie alle kommen ursprünglich aus Süddeutschland, lernten sich über das Studium kennen und sind seit einigen Jahren Wahlleipziger. Neben dem Projekt „nachhaltig.kritisch“ haben sie alle noch weitere Auftraggeber, mit denen sie ihr Leben finanzieren. Ann-Sophie Henne gibt Medienkompetenz-Workshops an Schulen und erklärt jungen Leuten was Fake-News und Cybermobbing sind.

„Es hört sich an wie ein dystopischer Film. Das sind aber Berechnungen seriöser Wissenschaftler.”

Annika Le Large ist mit Robin Jüngling liiert, zog nach ihrem Studium in Druck- und Medientechnik von Berlin nach Leipzig und machte sich hier als Illustratorin selbstständig. Die 28-Jährige bebildert Kinderbücher, verkauft ihre Arbeiten auf Märkten und hat einen Onlineshop. ­Robin Jüngling ist selbstständiger Journalist und Videoproduzent.

„Wir haben alle Ausgleichsprojekte, um mal von dem Thema Klimawandel loszukommen”, sagt der 31-Jährige. „Wenn man sich jeden Tag damit beschäftigt, ist das schon heftig.” Wenn einer der drei mal eine Pause von der Thematik braucht, wird das akzeptiert. Denn alle sind auch befreundet. „Manchmal schaffen wir es sogar, uns privat zu treffen, ohne über das Projekt zu sprechen”, sagt Jüngling.

Neue Ideen für die Finanzierung

Ihr derzeit größtes Problem ist es, ihren Klimajournalismus finanziell auf bessere Füße zu stellen. Seit 2021 kann man die drei über die Plattform „Steady” unterstützen, mit einem monatlichen Betrag von mindestens drei Euro. Mit Hilfe einer Crowd-funding-Kampagne wollten sie zuletzt 5000 Euro generieren, doch sie erreichten nur knapp die Hälfte der Summe. Nun sollen ausgewählte Organisationen und Vereine als Partner gewonnen werden, die das Journalismus-Projekt finanziell in Form einer Mitgliedschaft unterstützen. „Natürlich nur solche, bei denen wir ein gutes Gefühl haben”, betont Ann-Sophie Henne.

Wenn das Ganze klappt, würde jeder für eine Weile monatlich 1000 Euro ausgezahlt bekommen. Auf dieser Basis könnten sie den Instagram-Kanal weiter mit Infos füttern – und vielleicht künftig auch aufwendigere Erklär-Videos posten, um damit noch mehr Menschen für Klimathemen zu sensibilisieren. Gina Apitz

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