
Drei Männer, drei Maschinen und ein Ziel: Keine Kreuzfahrt, kein Wohnmobil, sondern ehrliche Mechanik, Seitenwagen voller Werkzeug und Abenteuerlust. Einmal rund um die Ostsee mit historischen AWO-Gespannen aus den 1950er-Jahren. Vier Wochen und über 7500 Kilometer war diese Reise lang.
Los ging es Anfang Juni: Drei Freunde aus Löbnitz und Herzberg, Matthias Ruppert, Holger Arndt und Steffen Golm verabschiedeten sich am Vorabend ihrer Abfahrt in Roitzschjora, unter den wachsamen Blicken von Freunden und begleitet von letzten Tipps. Das Ziel: Dänemark, Schweden, Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Polen – immer entlang der Küste, immer der Ostsee nach. Die Maschinen müssen laufen und das Wetter halbwegs mitspielen. Denn auf einer Tour dieser Größenordnung kann man sich nicht auf ständigen Sonnenschein verlassen.
300 Kilometer am Tag
Die Streckenplanung steht, die Unterkünfte sind gebucht, die Motoren überholt. 300 Kilometer am Tag sollten es im Schnitt werden. „Am Anfang wollen wir Strecke machen“, erzählen die drei vor Antritt des Abenteuers. Allerdings blieb es nicht nur beim „stumpfen Fahren“. In Dänemark wurde am „Egon-Olsen-Knast“ gehalten, ein Pflichtstopp für Filmfans, in Estland die Insel Kihnu besucht und in Polen die Wolfsschanze. Dennoch war auch Durchhaltevermögen gefragt.

In Dänemark wurde am „Egon-Olsen-Knast“ gehalten, ein Pflichtstopp für alle Filmfans. Hier sind die drei noch in Begleitung von AWO-Freund André Springer und seiner Frau Anja.
Foto: privat
Nach gut 1000 Kilometern gab es den ersten größeren Schaden: Ganze 23 Stunden verbrachten die Freunde mit der Reparatur. Ein gelockerter Ventilsitzring ist eben ein echter Super-GAU. Aber schlechte Laune hilft da nicht! Also: Kopf hoch, Magen voll und ran ans Werk. Mit lokaler Hilfe und Improvisationstalent wurde der Zylinderkopf wieder fit gemacht. Und weiter ging’s ins schwedische Nirgendwo.
Das Wetter wechselt ständig
Das Wetter? Wechselt ständig. Aber Sturm und Regen konnten den drei Oldtimer-Fans nichts anhaben. Ihre Klamotten waren auf alles vorbereitet und die gute Laune gehörte ohnehin zur Standardausstattung. In Merlo, bei der Unterkunft in einem alten Schloss, waren alle Strapazen vergessen: 10 Grad, Sonnenschein, Tee aus der Thermoskanne und neue Energie für den nächsten Abschnitt.

Mit lokaler Hilfe und Improvisationstalent wurden alle technischen Herausforderungen gemeistert.
Foto: privat
Inzwischen war die 3000-Kilometer-Marke geknackt. Der ortsansässige Motorradclub in Piteå begrüßte die Abenteurer, zwei neue Reifen wurden nötig. Auch im Nachbarland Finnland gibt es AWO-Fahrer, weil die Maschinen echte Eisbrecher sind, entstehen Gespräche bei Kaffee und Kuchen wie von selbst.
Nach zehn Tagen und 3600 Kilometern war der Meilenstein Polarkreis in Pello erreicht. Die Belohnung? Traumhafte Landschaften, Rentiere auf der Straße, eine heiße Sauna am Abend und ein Meteoritenkrater mit 6,6 Kilometern Durchmesser beeindruckte das Trio.
Besuch auf der Insel Kihnu
Weiter ging’s auf die Insel Kihnu, sogar der estnische Präsident Alar Karis schaute an diesem Tag vorbei. Doch Holgers Getriebe machte Probleme. Es verlor Öl durch einen Riss im Gehäuse. Eine außenliegende Ölwanne, ein gut ausgestatteter Werkstattbesitzer und viel Geduld retteten auch hier die Weiterfahrt. Schön musste es nicht aussehen – Hauptsache, sie kamen weiter. Denn, so wissen die drei: „Der Chrom bringt dich nicht nach Hause.“ Doch die Technik blieb fragil. Motorprobleme begleiteten sie bis hinter Riga. Immer wieder wurde geschraubt, Öl gewechselt, improvisiert. Und trotzdem: Die Stimmung blieb gut, und die Tagesziele wurden geschafft.
In Litauen stießen die drei befreundete AWO-Fahrer Tobias Ehrler, Danny Schlaak und Ralf Glowna dazu. Zusammen genossen sie die Abendstunden an der Memel. Die gemeinsame Rückfahrt durch Polen markierte bereits den Abschied vom großen Abenteuer. Die letzte Etappe führte über Usedom, Greifswald und Stralsund bis hin zum magischen Darß. Hier war es geschafft: Über 7000 Kilometer lagen hinter ihnen.
Der letzte Abend geprägt voller Erinnerungen, Geschichten und Glücksgefühle. „Schön war’s. und unvergesslich“, ließ Matthias Ruppert per Handy-Status wissen. Nach 28 Tagen kehrten die Abenteurer wie geplant in die Heimat zurück, im Gepäck: unzählige Erinnerungen, Freundschaftsmomente, defekte Teile und ein riesiger Erfahrungsschatz. Anke Herold